Die eigene Biografie als Ressource nutzen – Ingrid Meyer-Legrand im Interview
Schönen guten Tag Frau Meyer-Legrand, Sie unterstützen Ihre Klienten als Coach, Supervisorin und Therapeutin dabei, den „roten Faden“ in der Biografie zu finden. Aus welchen Branchen stammen Ihre Klienten? Und mit welchen Anliegen kommen sie zu Ihnen?
Sie kommen aus den verschiedensten Branchen und Bereichen. Was sie verbindet ist, dass es vor allem Menschen sind, die ihren eigenen Weg gehen und etwas Neues in die Welt bringen wollen. Sie haben oftmals schon einen guten Weg hinter sich und fragen sich häufig dann noch einmal grundsätzlich: Gibt es nicht noch etwas, das mehr Sinn und noch zufriedener macht?
Auf den Social-Media-Kanälen hat man oft den Eindruck, dass nur die besten Ausschnitte des Privat- und Berufslebens gezeigt werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Es liegt meiner Meinung nach in erster Linie daran, dass wir alle gern in Lösungen denken und gern Lösungen statt Probleme sehen wollen. Wer sollte auch an der Ausbreitung der eigenen Misere Interesse haben? Viel interessanter ist es darzustellen, wie man besondere Herausforderungen bewältigt und was man daraus gelernt hat. Das fehlt in auf diesen Kanälen. Das ist jedoch wertvoll. Denn so werden die gemachten Erfahrungen – auch mit etwaigem Scheitern – zu einem Potential für zukünftige Lebensentwürfe.
Warum fällt es vielen Menschen schwer im Kontext von Facebook und Co., die eigenen Lebensweg-Schätze zu entdecken beziehungsweise zu nutzen?
Vielen wird gerade in diesem Kontext weisgemacht, dass sie noch sehr viel dafür tun müssen, um wirklich gut zu sein. Diese Orientierung nach außen mache ich nicht mit. Ich sage: Es ist schon alles da. Lasst es uns gemeinsam entdecken! Deine eigene Geschichte ist Deine Erfolgsstory! Dann beginnen wir gemeinsam, mit Hilfe der von mir entwickelten Methode „MY LIFE STORYBOARD“ den Lebensweg systematisch zu erforschen. Dabei werden Kompetenzen sichtbar, die jemand schon ein Leben lang eingeübt hat und heute nutzen kann.
Sie sprechen davon, die Kraft der #Kriegsenkel für das eigene Business zu nutzen. Was ist damit gemeint?
Kriegsenkel haben eine außergewöhnliche Biografie, weil sie eine ganz besondere Zeitgeschichte im biografischen Gepäck haben. Darin steckt ein großes Potential. Sie sind mit Eltern aufgewachsen, die von den Folgen des Nationalsozialismus und des Krieges traumatisiert waren. Kriegsenkel haben schon sehr früh ganz besondere Funktionen in ihren Familien eingenommen. Später haben viele diese in der Familie eingeübten Rollen professionalisiert.
Ich selbst bin mit einer Mutter aufgewachsen, die als 13-Jährige mit ihren Angehörigen aus Pommern flüchten musste. Ich habe früh gelernt, auf sie Rücksicht zu nehmen. Wie viele Kriegsenkel war auch ich so etwas wie die Mutter für meine Mutter und meine Geschwister. Das war einerseits durchaus leidvoll. Andererseits habe ich dadurch Kompetenzen entwickelt, die mich heute als Therapeutin und Coach unverwechselbar und einzigartig machen. In Erfahrungen dieser Art liegt die Kraft vieler Kriegsenkel, die sie auch für ihr Business heute nutzen können.
Welche Möglichkeiten gibt es, die eigene Herkunft und Prägung auf den Social-Media-Kanälen zu nutzen?
Wie ich an meinem eigenen Beispiel deutlich gemacht habe, können wir durch unsere individuellen Erfahrungen ein einzigartiges Potential und damit ein unverwechselbares Profil sichtbar machen. Ein anderes Beispiel ist die Biografie meiner Schwester: Sie hat durch ihre Rheumaerkrankung praktische Erfahrungen und ein solides Wissen gesammelt, wie sich Essen auf die Gesundheit auswirkt. Auf Basis dessen schrieb sie das Buch „Meine himmlischen Rezepte gegen höllische Schmerzen“. Unsere jeweiligen Erfahrungen und die Reflexion beziehungsweise die Erzählung darüber macht uns zu jemandem, der oder die mit anderen in Resonanz gehen kann. Das ist es, was unser Business für andere attraktiv und überzeugend macht. Sich immer wieder die Frage zu stellen: Was hast du erlebt und was hast du daraus gelernt? Das führt schließlich zu neuen Wegen im Business.
Sie sind der Ansicht, dass man die Kraft der eigenen Biografie nutzen soll, um Erfolge zu feiern. Doch was passiert, wenn einem das eigene Leben relativ „ereignislos“ und „08-15“ erscheint?
Es kommen Menschen zu mir, die eines sehr bewegt: Sie wollen endlich ankommen! Daraus spricht eine Erfahrung mit Diskontinuitäten und Brüchen in ihrem Lebenslauf. Daraus spricht auch ihre nie enden wollende Sehnsucht nach einem Leben, das Sinn für sie macht. Das ist typisch für die Jahrgänge der Kriegsenkel, die maßgeblich in den 1970er und 1980er Jahren herangewachsen sind. Sie wollen wissen, wie es für sie weitergehen kann. Ob in einem Job, den sie lieben oder in einer befriedigenden Beziehung. In so einem Zusammenhang gibt es keine 08-15-Biografien, sondern sehr bewegte Menschen.
Jobwechsel, Quereinstiege, Umschulungen – Brüche in der Biografie scheinen in der gegenwärtigen, schnelllebigen Zeit eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Wie lässt sich dennoch ein „roter Faden“ finden?
Durch Biografiearbeit zum Beispiel. Ich habe mit „MY LIFE STORYBOARD“ eine Biografiearbeit entwickelt, worin die ureigenen Intentionen, Werte, Ideale und Lebensziele sichtbar werden. Zugleich wird der gesellschaftliche Rahmen, in dem diese möglich waren, erkennbar. Aus dieser Auseinandersetzung erwächst ein großes Selbstbewusstsein: Wie habe ich was in welcher Zeit bewältigt? Diese Reflexion unterstützt die Einzelnen dabei, sich selbst als etwas Beständiges zu begreifen. Insbesondere im Kontext der schnelllebigen Social Media.
Was erwartet die Teilnehmer am 26. Juli von 09:00-10:00 Uhr außerdem in Ihrem Webinar „Nutze die Kraft deiner Biografie – Erfolgreich mit deiner einzigartigen Geschichte!“?
Sie dürfen sich darauf freuen, verschiedene Möglichkeiten und Strategien kennenzulernen, um noch mehr an das Potential ihrer eigenen Biografie herangeführt zu werden. Dadurch kann ihr Business zu etwas ganz Eigenem und das Profil geschärft werden.
Vielen Dank, Frau Meyer-Legrand, für Ihre spannenden Einblicke, wie man die eigene Biografie für mehr Sichtbarkeit bei Social Media nutzen kann.
Das Interview mit Ingrid Meyer-Legrand führte Karin Kreuzer, Redakteurin des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO.
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Über Ingrid Meyer-Legrand
Ingrid Meyer-Legrand ist systemische Therapeutin, Supervisorin und Coach in eigener Praxis in Berlin und Brüssel. Außerdem ist sie Dozentin an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Berlin und hat zahlreiche Fachveröffentlichungen zum Thema Kriegsenkel erstellt. Ingrid Meyer-Legrand ist auch die Autorin des Werks „DIE KRAFT DER KRIEGSENKEL – wie Kriegsenkel heute ihr Erbe erkennen und nutzen“, welches im Europa Verlag 2015 erschienen ist. Sie ist eine der ersten Therapeutinnen, die mit den Ressourcen der Kriegsenkel arbeitet.