Offener Brief: General-Electric-Chef wettert mit grober Falschaussage gegen Energiewende

– offener Brief –

Herrn Jeffrey R. Immelt
General Electric Deutschland Holding GmbH
Bockenheimer Landstraße 2-4
60306 Frankfurt am Main

Ihr Interview im Handelsblatt vom 21. Juni 2013

Sehr geehrter Herr Immelt,

wie in der Wochenendausgabe des Handelsblattes ausführlich beschrieben, waren Sie Ehrengast beim Handelsblatt Deutschland Dinner, in dessen Rahmen Sie mit Chefredakteur Gabor Steingart unter anderem über die Energiewende gesprochen haben. Zu Recht wird die Energiewende im begleitenden Artikel als „eines der wichtigsten Themen, das Deutschland gerade umtreibt“, beschrieben. Herr Steingart ermunterte Sie zu einem unabhängigen Blick auf dieses Thema: Deutschland brauche eine „Zweitmeinung“.

In der Tat begrüßen auch wir einen regen Austausch mit wichtigen Entscheidungsträgern wie Ihnen. Die Grundlage eines solchen Austausches müssen jedoch Fakten sein. Ihre Aussagen zur Energiewende haben uns diesbezüglich sehr überrascht. Das Handelsblatt zitiert Sie mit folgenden Statements:

„Eine gute Klimapolitik sollte eine Balance zwischen günstiger Energie, Klimaschutz sowie der Schaffung von Arbeitsplätzen anstreben…Wenn Sie ein Stahlwerk in Texas betreiben, zahlen Sie fünf Cents für die Kilowattstunde Strom. Ein Werk in Deutschland muss 20 Cents zahlen. Das vernichtet hierzulande Arbeitsplätze…Ich glaube aber, diese Energiepolitik ist langfristig so nicht tragfähig.“

Nach den uns vorliegenden Informationen sind diese, als zentrale Argumente vorgebrachten Zahlen, die belegen sollen, dass „diese Energiepolitik langfristig nicht tragfähig“ sei, grundfalsch. Augenblicklich zahlen Stahlwerke wie andere energieintensive Betriebe in Deutschland einen durchschnittlichen Strompreis von unter 4ct/kWh. Das ist etwa ein Fünftel der von Ihnen postulierten Größenordnung.

Dieser Strompreis setzt sich folgendermaßen zusammen:

• 3,8 ct/kWh ist der aktuelle Preis für Terminlieferungen an der Strombörse;
• minus 0,3 ct/kWh als Kompensation für den CO2-Anteil im Strompreis;
• Stahlwerke sind weitgehend von der EEG- und KWK-Umlage und Netznutzungsentgelten befreit und profitieren von den Zertifikatsüberschüssen aus dem EU-Emissionshandel der Branche (subventioniert durch die privaten Haushalte und die nicht energieintensive Kleinindustrie).

Sie aber sagen: „5 Cents in den USA gegenüber 20 Cents in Deutschland, das sind die Fakten.“

Diese grob falschen Zahlen reihen sich ein in viele derzeit in der deutschen Medienlandschaft gestreute nicht belastbare Zahlen zur Energiewende. Das macht es für die Öffentlichkeit und das Ausland schwierig, die deutsche Energiewende richtig einzuordnen. Stimmen wir in Bezug auf die folgenden Fakten überein?

• Die deutsche energieintensive Industrie hat so günstige Strompreise wie seit Anfang 2005 nicht mehr.
• Seit 2007 ist der Strompreis für die (energieintensive) Industrie in Deutschland geringer gestiegen als in der Mehrheit der EU Mitgliedsstaaten.
• Insbesondere die energieintensive Industrie kommt in den Genuss überbordender Privilegierungen. Dazu gehören u.a. die weitgehende Befreiung von Netznutzungsentgelten, die Kom-pensation für den CO2-Preis-Bestandteil des Stromgroßhandelspreises und die kostenlose Zuteilung im EU-Emissionshandel.

Auch wir haben ein Interesse an der Umsetzung einer Energiewende, die Innovation vorantreibt, Arbeitsplätze schafft und die Herausforderung der Wettbewerbsfähigkeit ernst nimmt. Aber wir sollten diese Debatte auf der Grundlage von belastbaren Fakten führen. Wichtig in diesem Kontext ist auch, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien den Strompreis langfristig stabilisieren wird.

Wir möchten Ihnen deshalb ein Gespräch anbieten, bei dem wir Ihnen unsere Sicht auf die Energiewende erläutern.

Mit freundlichen Grüßen

Eberhard Brandes (Vorstand WWF Deutschland), Klaus Milke (Vorstandsvorsitzender Germanwatch e.V.), Stefan Krug (Leiter Politische Vertretung Berlin Greenpeace Deutschland), Olaf Bandt (Bundesgeschäftsführer BUND)

(BUND 2013)

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