Projekte sanieren – warum ist das so schwer?

Vor zwei Wochen zeigte Henning Zeumer, wie große Unternehmen erfolgreiche Projekte verhindern. Misserfolge, Verspätungen und Kostensteigerungen scheinen in Projekten der Öffentlichen Hand und bei Großunternehmern geradezu vorprogrammiert. Nun muss man die Projekte sanieren – oft gelingt das aber viel zu spät.

Warum Projekte sanieren so schwierig ist und der Turnaround oft unzureichend, zeigt der Projektsanierer Zeumer in seinem heutigen Beitrag zur Themenserie „Turnaround in Projekten“.

Projekte sanieren – eine Frage von Kultur und Struktur

Wie gehen nun die Unternehmen und ihre verantwortlichen Manager mit diesen „suboptimalen“ Projektergebnissen um, wie verhalten sie sich, wenn Projekte dann in Schieflage geraten? Das ist vor allem von der Unternehmensführungskultur und -Struktur abhängig. Hier entscheidet sich, ob, wann und wie strauchelnden Projekten geholfen wird. Davon ist abhängig, ob man die Projekte sanieren kann – oder ob es bereits zu spät ist.

Mittelständler suchen Fehler oft an der falschen Stelle

In mittelständischen, unternehmergeführten Betrieben schaut der Chef lange Zeit zu und unterstützt eventuell auf der fachlichen Seite mit seinem Knowhow. Andererseits ist hier aber oft die kritische Größe für gut ausgebildete (Vollzeit-)Projektmanager nicht erreicht. Die PMs leiten meist mehrere Projekte gleichzeitig. Außerdem sind sie intensiv in andere Firmenaktivitäten von Pre-Sales über Technik und Design bis hin zur Administration eingebunden.

Probleme werden fast immer auf der technischen Seite vermutet, fast nie beim (Projekt-)Management. Also wartet der Chef meist auf den Durchbruch mit gleichbleibendem Setup oder entscheidet den Abbruch, wenn’s endlich zu teuer geworden ist: Eine immens kostspielige „Selbstheilung“ oder Total-Abschreibung! Die dritte Alternative, nämlich die Änderung des Setups, ist meist gar nicht auf den Radar. Dabei wäre so wahrscheinlich die Rettung eines Deckungsbeitrages möglich! Aber nach dem Motto „die wissen ja gar nicht, wie das bei uns läuft“ wird der externe Rat von vornherein ausgeschlossen. Wie man Projekte sanieren kann, darüber wird gar nicht erst nachgedacht.

Es gibt aber auch die erfolgreichen Ausnahmen, in denen dem Chef das viele verbrannte Geld Leid tut und er sich doch beherzt den Ratschlag von externen Experten holt. Nur so kann man oft doch noch Projekte sanieren. Wenn er das früh genug tut, besteht meist sogar berechtigte Hoffnung auf Erfolg des Projekts und Lernen für die Zukunft.

Träge Konzerne und Behörden

In größeren Unternehmen mit mehreren Hierarchie-Ebenen zwischen Geschäftsführung und Arbeitsmanagement finden wir andere Mechanismen. Das Projekt-Staffing folgt oft festgelegten Prozessen, z.B. über den Einkauf. Für Projektmanagement gibt es genügend Aufgaben, um auch einige gut ausgebildete Hauptberufliche zu beschäftigen. Das hängt aber vielfach von der Branche ab: in technischen Unternehmen überwiegt noch der Projektingenieur, bei Dienstleistern gibt es schon eher Projektmanager. Ob das Unternehmen in PM-Ausbildung und Unterstützung der Projekte durch die Organisation investiert (und damit in die Qualität und Rentabilität seiner Projektergebnisse), ist sehr individuell. Letztlich handelt es sich um eine Frage der Wertschätzung und strategische Prioritäten der Unternehmensführung.

Der Umgang mit Problemen – eine Frage der Kultur

Geraten Projekte in diesen Unternehmen in Schieflage, ist die Reaktion abhängig von der Unternehmenskultur. In stark gegliederten Unternehmen werden Probleme oft so lange unter der Decke gehalten wie irgend möglich, während an einer „karriereneutralen“ Exit-Strategie gearbeitet wird. Im Allgemeinen wird dann ein Schuldiger gefunden. Mit den Mitteln, die in die Krise geführt haben, wird weiter gemacht, bis die höheren Ebenen aufmerksam werden und das Projekt stoppen.

Die Abbruchrate ist in solchen Unternehmen signifikant höher als die Suche nach Möglichkeiten, wie man Projekte sanieren kann. Hier wird die Mehrzahl der für die schlechte Statistik verantwortlichen Projekt-Misserfolge und -Abbrüche produziert. Aber nicht, weil die Möglichkeiten zur Rettung nicht vorhanden wären, sondern weil Transparenz gefürchtet und Management-Aufmerksamkeit zu wenig gegeben ist.

Die Öffentliche Hand

Ähnliche Verhaltensmuster finden sich in fast allen Projekten der Öffentlichen Hand. Beim Projekt-Setup und der Ausschreibung wird größter Wert auf die Einhaltung der Vorschriften (VOB, HOAI usw.) gelegt. Projektmanagement wird oft als Teil der Gewerke mit vergeben, Kontrolle findet von Seiten des Auftraggebers selbst mangels eigener Kompetenz nicht statt. Wenn es schiefläuft, dann beschäftigt man sich dennoch nicht damit, wie man Projekte sanieren kann. Wozu auch? Laut Aussage eines bekannten Berliner Politikers sind ja Überschreitungen der Planungen von 30 Prozent „völlig normal“! Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich auch immer wieder noch toppen lässt…

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Hoffnung besteht hauptsächlich bei denjenigen Mittelständlern und Großunternehmen, deren „flache“ Hierarchien eine Übersicht über und ein Engagement des Managements für seine Projektaktivitäten zulassen, und in denen ein Grundverständnis für die Bedeutung und die Anforderungen von Projekten für das Unternehmen zu finden ist. In einigen Fällen habe ich auch schon zu einer strategischen Ausrichtung der Organisation selbst auf eine effektivere und effiziente Unterstützung von Initiativen und Projekten beitragen dürfen. In jedem Fall werden hier Projektmanager durch Sponsoren aus dem Executive-Level ein- und Projekte zusammen mit den Fachabteilungen aufgesetzt.

Probleme schneller erkennen

Durch die höhere Aufmerksamkeit und Übernahme von Verantwortung des Managements für ihre Projekte (=Investitionen) werden Probleme schneller erkannt. Nun liegt es nur noch an der Fähigkeit, die eigenen Möglichkeiten – ob man die Projekte sanieren kann oder ob man dazu externe Expertise braucht – richtig einzuschätzen. Will man Projekte sanieren und zwar nachhaltig sanieren, muss man bei internen Lücken, Kapazitäts-Spitzen oder verfahrenen Positionen auf externe Expertise zurückzugreifen, um frühzeitig (dann noch) günstige Optionen zur Rettung von Time-to-Market und ROI wahrzunehmen.

Projekte sanieren – es geht doch!

„Geht doch!“ müsste man sagen, wenn nicht die Erkenntnis, mit den eigenen Mitteln die Grenzen des selbst Machbaren erreicht zu haben, bei den betroffenen Projekt-Mitarbeitern und -Leitern in der Mehrzahl der Fälle stärker und schneller da ist als bei den Geld- und Auftraggebern im Management. Die Erfahrung zeigt leider auch, dass es dort eher am Eingeständnis des Kontroll- und Gesichtsverlusts scheitert als am Business Case, mit einer Sanierung viel mehr zu sparen als ohne sie weiter verbrannt wird. Und so werden wohl auch weiterhin viele erfolgversprechende Investitionen und Projekte unnötig, aber erfolgreich verhindert werden…

Ihr
Henning Zeumer

Über Henning Zeumer

Henning Zeumer, gutes Projektmanagement
Der Projekt-Sanierer Henning Zeumer. (Bild: © Henning Zeumer)

Henning Zeumer ist seit mehr als 25 Jahren freiberuflicher Programm- und Projektmanager, PMI-zertifizierter PMP®, PgMPSM und auch Certified Scrum Master (CSM®). Seine besondere Expertise ist die Begutachtung und Sanierung gefährdeter Projekte. Er ist dabei auch beratend tätig im Portfolio-, Programm- und Projektmanagement als Advisor zur Entwicklung von PM-Aufbau- und Ablauforganisationen und -Infrastruktur, sowie Coach für Operational Excellence in Projekten.

Weitere Informationen zu Henning Zeumer finden Sie unter www.der-Projekt-Sanierer.de.

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