Schlafe Deutschland, schlaf ein: Über das Leben in einer sedierten Gesellschaft

Jede Gesellschaft bekommt das, was sie verdient. Hat Deutschland eine Führung verdient, die sie eingelullt und sediert mit ihrem ewig netten und durch und durch unverbindlichen Führungsstil? AGITANO-Kolumnist Ulrich B Wagner findet: Ja! In seinem heutigen Beitrag zu „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag“ plädiert 

„Es ist besser, in einer Wüste wach zu sein, als in einem Paradies zu schlafen.“

Waldemar Bonsels

„Alles was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte gefasst: es geht weiter.“

Schiller

Der Traum ist aus

Kermit der quirlige Frosch meiner Kindheit, erschöpft, müde, am Ende seiner Tage, sanft entschlafen im Dauerkonsens einer durch und durch ermüdeten Nation. Die Hüterin des Schlafs, die Großmeisterin des konsensualen, leisen, der protestantischen Ethik verpflichteten Führungsstils hat ganze Arbeit geleistet, in ihren Bemühungen alles Abweichende, Verwirrende, Laute, Bunte und Andersartige mundtot zu machen.

Deutschland schläft und ganz bestimmt nicht weil es den Rausch einer wilden, begeisterten Nacht auskuriert. Nein, es hat sich selbsttätig, dem zwanghaften Drang zur Dauerentspannung geschuldet, selbst ins Lummerland befördert.

Das was wir sehen, ist einer protestantischen Ethik geschuldet, die schon vor Jahren den legendären Komikern von Monthy Python eine geniale Steilvorlage lieferte als sie in ihrem Klassiker „Der Sinn des Lebens“ die protestantische Sicht der Dinge präsentierte. Doch sehen Sie selbst:

(Quelle: Fulag / YouTube)

Auch wir könnten anders, doch wir tun es schon lange nicht mehr. Die Mutter der Nation hat uns eingelullt und sediert mit ihrem ewig netten und durch und durch unverbindlichen Führungsstil, den der selbst in die Jahre gekommene deutsche Soziologe in tiefster Bewunderung Merkiavellismus taufte.

Jeder bekommt das, was er verdient

Hat Deutschland die Couch verdient? Müssen wir uns langsam nicht Fragen lassen, warum wir uns so täuschen, so wahrlich, ja sprichwörtlich hinters Licht führen lassen und uns in den dämmrigen Winkel, einer nicht enden wollenden Pseudo-Gemütlichkeit ausbreiten? Als gäbe es nicht doch noch ein wahres, aktives Leben mit Abwechslung und echtem Sein, mit echten Versuchen und Versuchungen auf dem Streben nach Glück und frischem Wind.

Mit einem Leben auch, das zwar häufig auch aus Fehlern besteht, die auf den ersten Blick sinnlos erscheinen, die aber nötig sind, um aus ihnen wahrhaft zu lernen. Sie auch als das zu verstehen, was sie sind, Schlüssel zu Türen, die ansonsten auf ewig verschlossen bleiben. Türen, die sich nicht im Schlaf öffnen. Türen zu Landschaften, die sich sprichwörtlich nur durch Versuch und Irrtum eröffnen, die nicht nur versucht werden wollen, um das vermeintlich Neue kennenlernen zu können, sondern auch um zu wachsen, an sich, an Anderen, an den Fehlern, den großen und kleinen Irrtürmern, aber auch um zu Begreifen, dass das Scheitern auch eine Möglichkeit darstellen kann.

Ermüdende Gesellschaft
Kermit der Frosch. Ein Symbol für die Ermüdung unserer Gesellschaft? (Bild: © Ulrich B Wagner & Alistair Duncan / alistairduncan.de)

Eine Gesellschaft darf sich nicht entmündigen lassen

Denn das Scheitern zuzulassen, ist meines Erachtens eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Grundvoraussetzung dafür das wirklich etwas passiert. Etwas passiert, das nicht den fadenscheinigen, lauen und abgestandenen Geschmack des schon zu oft aufgewärmten besitzt.

Leben aus erster Hand gibt es nun mal nicht bei einer hun­dert­pro­zen­tigen Fehlervermeidung, einem fortwährenden Aufschiebens, Verschiebens und Verteilens von Verantwortung und Risiken.

Sind wir vielleicht nicht wirklich gerade dabei, das Beste und Wertvollste aufzugeben, was wir besitzen: unseren Verstand, unsere Mündigkeit und unsere wahre Freude am Leben?

Es wird Zeit wieder aufzuwachen und es zu wagen. Auch Kermit der Frosch hat sich nicht in all den Jahren entmutigen und entmündigen lassen und vielleicht besteht ja die Kunst des Lebens gerade darin, die Sticker und Etiketten sich immer wieder aufs Neue vom Leib zu reißen und mit einem Lachen weiterzumachen, denn am Ende wird ja bekanntlich alles gut und wenn es nicht …

Ja, ja den Rest wissen Sie ja wahrscheinlich schon.

Ihr Ulrich B Wagner

Über Ulrich B Wagner:

Ulrich B Wagner, irrsinn, das positive denken
(Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen
und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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