Die Bevölkerung altert. Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden. Dennoch lassen die meisten Unternehmen eine wertvolle Ressource links liegen: ältere Mitarbeiter. Frühverrentung ist immer noch gang und gäbe, wie eine aktuelle Kienbaum-Studie zeigt. Gleichzeitig sind sinnvolle Ansätze, diese Ressource besser auszuschöpfen, flächendeckend noch zarte Pflänzchen, die von kaum einem Viertel der befragten 190 Betriebe ernsthaft angegangen werden.
Beschäftigt, aber nicht geschätzt – Menschen über 50
Blicken wir zunächst auf den Bestand. So arbeiten heute in Deutschland 8,7 Prozent der Beschäftigten nach dem offiziellen Renteneintrittsalter weiter – vor zehn Jahren waren es fünf Prozent. Das ist ein langsamer Anstieg, möglicherweise auch gebremst durch die Krise von 2008. Hoffnung machen die aktuellen Neueinstellungsraten bei Mitarbeitern über 50: Zwei Drittel der mittleren bis größeren Betriebe haben laut Handelsblatt seit 2010 Mitarbeiter im Alter von 50 bis 59 Jahren eingestellt. Nur Kleinbetriebe bis 20 Mitarbeiter hinken dabei mit 30 Prozent hinterher. Den Schwerpunkt der arbeitenden 65-Plusler bilden akademische Berufe, gefolgt von Dienstleistung, Technikern und Hilfsarbeitern. Am schlechtesten schneidet das Handwerk ab. Zwar herrscht gerade dort ein besonders hoher Fachkräftemangel. Doch Handwerksberufe sind oft körperlich anstrengend, und die traditionell kleinen Betriebe tun sich schwer, ältere Mitarbeiter mit gezielten Programmen zu unterstützen und an sich zu binden.
Im Alter Arbeit zu behalten oder neu zu finden, ist also ein abnehmendes Problem. Die andere Frage ist, wie sich ältere Mitarbeiter dabei fühlen. So deutet eine aktuelle Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft an, dass hier noch vieles im Argen liegt: In fast 40 Prozent der Unternehmen hat sich die Wertschätzung älterer Mitarbeiter seit 2012 nicht verändert, in weiteren 27 Prozent hat sie sogar abgenommen. Leicht zugenommen hat sie in 26 Prozent der Betriebe, wirklich spürbar nur in acht Prozent. Ergänzt wird das Bild durch die üblichen Argumente: Ältere Mitarbeiter sind länger krank. Sie sind langsam, weniger innovativ und weniger produktiv. Oft haben sie sich innerlich schon in den Ruhestand verabschiedet. Die Studie zeigt aber auch Ansätze von Erkenntnis, denn als Ursachen werden unter anderem fehlende Förderung, Motivation und Weiterbildung angesehen.
Noch viel Luft nach oben
Doch von der Erkenntnis der Ursachen zu folgerichtigen Maßnahmen ist es noch ein weiter Weg. Einzig ein allgemeines Gesundheitsmanagement wird in der oben genannten Kienbaum-Studie von mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen ganz oder teilweise realisiert. Gezielte Weiterbildung für Ältere, Programme zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, Bildung altersgemischter Teams oder ein strukturierter Transfer von Erfahrungswissen werden konsequent allenfalls von einem Viertel der Unternehmen betrieben. Weitere rund 20 bis knapp 40 Prozent setzen solche Maßnahmen halbherzig um.
Ergänzend zeigt eine empirische Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE von 2014/15, dass auch die Absicht fehlt, dies in näherer Zukunft zu ändern: Schneidet Mitarbeiterbindung mit 40 Prozent noch recht gut ab, so sind Beschäftigungsfähigkeit und Work-Life-Balance erst für ein knappes Drittel der befragten 430 Unternehmen relevant, Vielfalt – zum Beispiel durch altersgemischte Teams – sehen magere acht Prozent als wichtiges Ziel an. Dabei müssen für Ältere oft gar keine Extrawürste gebraten werden. Wertschätzung ist zum Beispiel ein Element von Unternehmenskultur, das kaum Kosten verursacht und allen zu Gute kommt. Gleiches gilt für Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeitmodelle und altersgemischte Teams.
Was ältere Mitarbeiter bindet und motiviert
In Finnland haben Wissenschaftler, Sozialpartner und Politiker gemeinsam ein aktives Generationen-Management erarbeitet. Damit stieg dort der Anteil der über 60-jährigen Beschäftigten am stärksten weltweit, so eine Studie des FIOH (Finnish Institute of Occupational Health). Speziell für diese Altersgruppe wurden entsprechende Arbeitsbedingungen geschaffen. Die wichtigsten Faktoren dazu sind:
- körperliche Entlastung,
- Vermeidung von Mehrarbeit,
- Verzicht von Nachtarbeit,
- zusätzliche Urlaubs- oder Erholungstage,
- die schrittweise Reduzierung der Arbeitszeiten mit zunehmendem Alter.
Ergänzend dazu sind sollten gezielte Weiterbildung und gesundheitliche Förderung angeboten werden, abgerundet durch mobiles Arbeiten (Home Office et cetera) sowie betriebliche Zusatzleistungen. Laut IBE-Studie werden letztere in ihrer Wirkung von Mitarbeitern weit höher eingeschätzt als vom Management. Dabei ist es gerade für ältere Mitarbeiter wichtig, die Art der Zusatzleistung innerhalb gewisser Grenzen nach eigenem Geschmack wählen zu können; so werden durch die Wahlfreiheit nicht nur materielle Anerkennung, sondern auch Respekt und Wertschätzung ausgedrückt – schlussendlich das Ziel einer Bindung und Motivation im doppelten Sinne erreicht.