Steuer: Unternehmensgewinne laut BIP um 90 Milliarden Euro höher als in der Steuerstatistik

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In das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) fließen pro Jahr rund 90 Milliarden Euro mehr Unternehmensgewinne ein, als tatsächlich versteuert werden, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ausgerechnet. „Sollte die BIP-Schätzung stimmen, zahlen die deutschen Unternehmen im Durchschnitt nur etwa 21 Prozent Steuern auf ihre Gewinne und damit deutlich weniger, als vom Gesetzgeber vorgesehen“, erläutert DIW-Steuerexperte Stefan Bach seine im DIW-Wochenbericht vorgestellte Studie. „Wodurch dieser Unterschied zwischen den Unternehmensgewinnen in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Steuerstatistik genau entsteht, lässt sich leider nicht klären, weil zu wenig Daten der Unternehmensbilanzen statistisch erfasst werden“, so der DIW-Wissenschaftler. Auffällig sei jedoch das hohe Niveau an steuerlichen Verlusten und Verlustvorträgen. „Dies deutet auf Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen oder Gestaltungsmöglichkeiten hin, die systematisch zu deutlich reduzierten Besteuerungsgrundlagen führen. Mit Schätzfehlern allein lässt sich eine so große Summe jedenfalls nicht erklären.“

Im Jahr 2008 – für spätere Jahre sind noch keine Daten verfügbar – machten die Unternehmensteuern rund ein Fünftel des gesamten deutschen Steueraufkommens aus. Etwa 111 Milliarden Euro spülte die Besteuerung von Unternehmensgewinnen in die deutsche Staatskasse. Das entsprach etwa 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zählt man auch die Einnahmen aus der Dividendenbesteuerung hinzu, so lag das Unternehmensteueraufkommen bei 122 Milliarden Euro oder 4,9 Prozent des BIP. „Laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung, aus der unter anderem die Schätzung des Bruttoinlandsprodukts abgeleitet wird, hätte das Steueraufkommen aber noch deutlich höher sein müssen, denn die dort ausgewiesenen Unternehmensgewinne lagen 2008 um rund 90 Milliarden Euro über den in der Steuerstatistik ausgewiesenen Gewinnen deutscher Unternehmen“, so der DIW-Steuerexperte Bach.

Zwar können die Gewinngrößen nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Steuerbilanz aufgrund der Berechnungsmethoden in einzelnen Perioden erheblich voneinander abweichen, über längere Zeiträume müsste sich das aber ausgleichen. „Wir sind bei unseren Untersuchungen jedoch auf eine dauerhafte Besteuerungslücke gestoßen, die sich durch periodische Faktoren nicht erklären lässt. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Nutzung von Bilanzierungsspielräumen und Steuergestaltungen systematisch zugenommen hat.“ Diese Besteuerungslücke sei durch die Unternehmensteuerreform 2008 zwar spürbar geschrumpft – davor lag sie bei rund 120 Milliarden Euro -, bleibe aber immer noch sehr hoch, erläutert Bach. „Selbst wenn man gewisse Schätzrisiken beim BIP und bei den VGR-Unternehmensgewinnen berücksichtigt, ist eine Untererfassung der steuerpflichtigen Gewinne gegenüber den gesamtwirtschaftlichen Gewinnen der VGR nicht zu übersehen.“

Auffällig seien auch das Niveau der in der Steuerstatistik ausgewiesenen Unternehmensverluste sowie die Verlustvorträge, also die kumulierten und nicht mit Gewinnen verrechneten Verluste der Vergangenheit. Allein bei der Körperschaftsteuer liefen bis Ende 2007 Verlustvorträge in Höhe von 568 Milliarden Euro auf. „Das entspricht etwa 23,5 Prozent des damaligen BIP oder dem 3,5-fachen des körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns in diesem Jahr“, so Bach.

Die Steuergestaltungsmöglichkeiten für die Unternehmen seien weiterhin groß. So könnten etwa drohende Verluste steuerlich sofort über Rückstellungen geltend gemacht werden, Wertzuwächse müssten hingegen erst bei Realisierung versteuert werden. Dadurch entstünden in den Steuerbilanzen stille Reserven, die bei nur teilweiser Besteuerung von Veräußerungsgewinnen steuerschonend realisiert werden könnten. Internationalisierte Unternehmensstrukturen böten vielfältige Möglichkeiten, die Gewinne auf ausländische Standorte auszulagern, an denen weniger Steuern gezahlt werden müssten. Bei kleineren Unternehmen könnten private Aufwendungen in den Betrieb verlagert werden. Dazu komme ein generelles Problem, so Bach abschließend: „Durch das komplizierte Steuerrecht und die magere Personalausstattung sind die Finanzbehörden nur bedingt in der Lage, einen effektiven Vollzug der Steuergesetze zu garantieren. Und durch die starke Umverteilung im Länderfinanzausgleich haben die Länder auch wenig Interesse, ihre Unternehmen vor Ort allzu streng zu prüfen.“

Weiterführende Links des DIW

DIW Wochenbericht 22-23/2013 | PDF, 292.25 KB

DIW Wochenbericht 22-23/2013 als E-Paper | EPUB, 1.71 MB

Interview mit Stefan Bach | MP3, 4.31 MB

(DIW Berlin 2013)

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