Ihre Erwartungshaltung
Vielleicht kennen Sie die Szene aus dem Klassiker „Das Leben des Bryan“, als der Held auf der Flucht in Eile einen Bart kaufen will. Der Händler nennt den Preis mit 20 Schäkel und als Bryan bereitwillig zahlen will, sagt der Händler „Moment mal! Wir müssen erst feilschen …“ Der witzige Dialog, der sich daraus ergibt, ist mir gut in Erinnerung geblieben und dient als Symbol für die Erwartungshaltung des Verkäufers, dass der Kunde bestimmt mit dem Preis nicht einverstanden sein wird. Aber genau das ist eben der Irrtum.
Dazu kommt, dass wir alle mit vier Ohren ausgestattet sind. Ja, Sie haben richtig gelesen. Der Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat dieses kongeniale Modell für Kommunikation entworfen.
Es besagt, dass jede Aussage genau vier unterschiedliche Kanäle transportiert. Diese vier Kanäle sind Sachinformation, Beziehung, Appell und Selbstoffenbarung. Lassen Sie mich ein Beispiel machen: Nehmen wir an, Sie haben für ihr „Schatzi“ gekocht. Sie haben sich mächtig ins Zeug gelegt und ein Rezept für eine Menüfolge von Eckart Witzigmann ausprobiert. Als Suppe gab es eine „tomatisierte Karottensuppe“ die sehr gut ankam. Nun ist es Zeit für den zweiten Gang. Sie servieren das „Graupen-Risotto mit grünem Spargel. Schatzi blickt auf den Teller und sagt: „Da ist etwas Grünes in meinem Risotto!“
Jetzt kommt es darauf an, wie Sie auf diese Botschaft reagieren möchten. Es gibt mehrere Möglichkeiten.
1. Sach-Info: Sie verstehen „Da ist etwas Grünes in meinem Teller“ und sagen „Ja, das ist grüner Spargel.“
2. Selbstoffenbarung: Sie verstehen “Wenn ich kochen würde, gäbe es nicht so grünes Zeug“ und sagen „Dann koch’ Du doch, wenn Du es besser kannst.“
3. Appell: Sie verstehen „Nimm mir das grüne Zeug von meinem Teller“ und sagen „Oh, ich wusste ja nicht, dass Du keinen grünen Spargel magst. Warte ich nehme ihn Dir gleich runter“
4. Beziehung: Sie verstehen „Du liebst mich nicht, sonst wüsstest Du, dass ich so etwas nicht mag“ und antworten ebenfalls verletzt „Immer wenn ich koche, musst Du motzen!“
Was bedeutet das in Bezug auf Verhandlungen? Viele Menschen erwarten bereits, dass eine Erwiderung kommt und haben deshalb ihr Appell-Ohr auf Empfang geschaltet. Wenn der Kunde beispielsweise fragt: „Kann man an dem Preis noch etwas machen?“ dann kommt im Appell-Ohr an „Mach mir einen besseren Preis!“, obwohl das ganz bestimmt nicht gesagt wurde.
Ohropax für Ihr Appell-Ohr
Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihr Appell-Ohr und am besten gleich auch Ihr Beziehungs- und Selbstoffenbarungs-Ohr schalldicht verschließen. Und gleichzeitig Ihr Sachinfo-Ohr vergrößern und besonders empfindlich schalten. So, dass Sie sich wirklich auf die Aussagen des Kunden konzentrieren können und nicht durch die emotionalen Zwischenrufe der anderen Kanäle der Kundenaussage verunsichert werden. Das führt zu verblüffenden Ergebnissen:
Auf die Kundenaussage „Das bekomme ich woanders billiger“ sagen Sie „OK. Und was bedeutet das in Bezug auf Ihre Entscheidung für mich?“ Oder zu „Das haben wir nicht im Budget“ könnten Sie antworten „Was werden Sie tun, um das Budget sinnvoll anzupassen?“
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