So wie es wahr … Versuch über das nackte Denken – Krisen und Krisenbewusstsein

Wie sehen wir die Vergangenheit? Verdrängen wir manchmal nicht einfach das Schlechte und malen uns alles bunt? Früher gab es doch auch Krisen und Terror, sagt Ulrich B Wagner und meint, wir sollten uns daran genauso erinnern!

In seiner Kolumne „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET“ – Das Wort zum Freitag, erläutert Ulrich B Wagner seinen Blick auf die Krisen der Welt.

Wir liebten das Leben, den Sommer in Schweden
Die Welt hing an Fäden und alles war leicht
Und so klar, so wie es war.
Wir liebten das Leben, den Sommer in Schweden
Die Nächte im Regen und alles war leicht und so klar.
So wie es wahr, so wie es wahr.

Revolverheld – Sommer in Schweden

Es hätte so ein schöner entspannter Abend werden können.
Hätte, wenn. Ja, wenn … Sei’s drum.

Den Kopf am Badewannenrand abgelegt, die glimmende Zigarette in der Hand, blase ich langsam und sanft Rauchkringel in die Luft, beobachte wie sie im flackernden Kerzenlicht tanzen, sich um sich selbst drehen und wie selbstvergessen im Nichts verlieren. Das Leben ist schön. Das Wasser in der Wanne pudelwarm und der Lärm, der Krach, die Unruhe und das Gezeter der Welt bereits beim Eintreten vor der Haustür ausgesperrt und der Kälte der herannahenden Nacht überlassen.

Aus dem Radio klingt leise nur die Melodie. Ich summe mit, beschreibe leichte Tanzschritte mit meinem badeschaumverzierten großen Fußzeh und wiege mich sanft in einem Anflug der Selbstzufriedenheit. Das Leben ist schön …

Und dann das! Mit einem Schlag ertappe ich mich, wie ich fast selbstverliebt den Refrain mitsinge, das wohlig warme Wasser umspielt meinen Körper und vor lauter Lebensglück reiße ich fast die Welt entzwei.

Einverstanden, ganz so schlimm war es dann doch nicht.
Oder vielleicht doch.

Von Panik ergriffen, fliegt die Kaffeetasse auf den Badezimmerboden und verbreitet eine braune Flüssigkeit auf dem vormals schneeweißen Vorleger, die letzte Zigarette versinkt leise im Schaum und aus meiner gerade eben noch, vor dem Bruchteil einer Sekunde kaum auszuhaltenden, Lebensfreude wird bloßes Entsetzen und Frust.

Nun ist es doch soweit. Bilder erstürmen das erzürnte Hirn und sorgen für noch mehr Chaos in dem bereits vor Konfusion zerknitterten Selbstbewusstsein. Nun ist es also passiert. Das, was vor 20 Jahren nur ein mitleidsvolles Grinsen über unsere jungen Gesichter huschen ließ, als wir über die Vergangenheitseligkeit unserer Eltern lästerten. Wenn es soweit ist Uli, tippe ich dir einfach leicht auf die Schulter mein Freund, sage kein Wort, und wenn du dich umdrehst, spürst du nur schlicht und einfach meine Hand in der Fresse… O-Ton meines Freundes Carsten vor nunmehr fast 20 Jahren.

Carsten ist tot und kann es leider nicht mehr, meine pazifistischen Bürofreunde wollen es nicht und sind eh nicht zur Stelle, also mach ich es jetzt halt mal wieder selbst …

Midlife – Crisis. Welcome at home …

1974 erstmals von der amerikanischen Autorin Gail Sheehy in ihrem Buch „In der Mitte des Lebens“ erschaffen, besitzt dieser Begriff im alltäglichen Sprachgebrauch in Folge der Anhäufung von Klischees kaum eine geeignete Trennschärfe zum Wahn. Sei’s drum. Wikipedia beschreibt die Symptome und den Verlauf wie folgt:

Da der Begriff nicht als psychische Krankheit definiert ist, ist die Bezeichnung Symptome im eigentlichen Sinne hier nicht angemessen. Als Anzeichen der Midlife-Crisis werden sehr unterschiedliche Beschwerden benannt. Meist berichten die Betroffenen von Stimmungsschwankungen, Grübeleien, innerer Unsicherheit, Unzufriedenheit mit dem bisher Erreichten (beruflich, partnerschaftlich, familiär). Die Gefahr von Überschneidungen der Anzeichen einer Midlife-Crisis mit den Symptomen einer psychischen Erkrankung im eigentlichen Sinne ist dabei groß. Sofern sich aus den Belastungen keine psychische Erkrankung entwickelt, gehen die meisten Menschen aus diesem Lebensabschnitt mit dem Gefühl gestärkter innerer Reife und bewussterer Lebenshaltung heraus. (wikipedia.de)

Immerhin. Es besteht Hoffnung. Wie auch immer. Irgendwie muss es ja weitergehen.

Wir liebten das Leben, den Sommer in Schweden
Die Welt hing an Fäden und alles war leicht
Und so klar, so wie es war…

Es war! Doch sind die Bilder zu dem, was war, auch wahr in meinem Kopf? Oder sind sie eher dem einsetzenden ‚Alterswahnsinn‘ geschuldet?

Eine Kindheit im Glück. Die Welt frei, sorglos und voller Glück. Offen, unverbraucht und einfach nur wahr.

Früher war doch einfach nur alles besser. So sauber und klar…

Anfang Januar 1967 geboren. Die erste schwere Wirtschaftskrise überzog die noch junge Bundesrepublik und ließ den Neukanzler und Vater des deutschen Wirtschaftswunders Ludwig Erhard wie einen mißratenen Schulbub im Regen stehen. An einem Freitag des jungen Jahres lag plötzlich die gesamte Liquidität der Welt in Deutschland. Umgerechnet über 18 Milliarden DM wurden von ausländischen Anlegern in die vermeintlich starke Mark gepumpt und das Volk bis in seine Tiefen aufgerüttelt, wie DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 20/1967 schrieb. Der Traum war aus. Die Welt schien unterzugehen. Die Arbeitslosenquote stieg von ehemals 0,4 % auf erschreckende 2,2 % im Frühjahr 1968 (Nur zur Erinnerung: Zwischen 1928 und 1932 stieg sie von 6,9 auf erschreckende 29,9 %; April 2015: 4,7%).

In Vietnam tobte der Krieg, der zwischen 1955 und 1975 über 3,8 Millionen Todesopfer fordern sollte.

In der Gesellschaft begann es nicht nur zu brodeln, sondern die Ereignisse, die trügerische Sorglosigkeit, mit den ihr inhärenten Versäumnissen und Fehlurteilen führten schließlich dazu, dass sich die aufgestaute Wut, die Ausgrenzung und der Frust erst einmal in den 68er Unruhen ein Ventil suchten.

Chronik einer Rebellion

Beim Besuch des Schahs von Persien kommt es im Juni 1967 zu Protestaktionen. In West-Berlin wird der Student Benno Ohnesorg von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen, 1968 der Friedensnobelpreisträger Martin Luther in Memphis.
Der Studentenführer Rudi Dutschke wird bei einem Mordanschlag in West-Berlin schwer verletzt. Das Attentat führt in vielen Teilen der Bundesrepublik zu Demonstrationen und teilweise blutigen Auseinandersetzungen mit der Polizei; in München gibt es zwei Tote. Zwischen dem 11. bis 18. April 1968 folgen die Osterunruhen: Zehntausende gehen in West-Berlin, Hamburg, Frankfurt, München, Essen und anderen Städten auf die Straße. Das Attentat auf Dutschke löst weltweit Proteste aus, so in Amsterdam, Prag, Brüssel, Wien, Bern, Zürich, Paris, London, Rom, Tel Aviv, New York und Toronto. Der Erste Höhepunkt schließlich der 11. Mai 1968, die Gegner der Notstandsgesetzgebung unternehmen einen Sternmarsch auf Bonn, 60.000 Teilnehmer; in Paris Höhepunkt der Maiunruhen, es folgen die Straßenschlachten im Quartier Latin. (siehe DER SPIEGEL „Chronik einer Rebellion)

Die auf den Mai 1968 folgenden Jahre wurden in Deutschland, aber insbesondere auch in Frankreich als ein Zeitraum einer exzessiven Ordnungs- und Sicherheits-Politik wahrgenommen.
So schrieb beispielsweise der Le Nouvel Oberservateur im April 1970 über Ausweiskontrollen, Polizeigewahrsam, Prügel, Staatsicherheitshof, Urteile, deren Härte sogar selbst die Anhänger einer Politik von Recht und Ordnung schlichtweg empörte. DER SPIEGEL schrieb im Juli 1971: Frankreichs Polizisten prügeln und foltern. In den Gefängniszellen häufen sich mysteriöse Todesfälle. Jean Paul Sartre erklärte: Der Staat ist noch nicht faschistisch, die Polizei ist es bereits.

Ja…. Wir liebten das Leben …
Die Welt hing in Fäden und alles war leicht und so klar…

Die Baader-Bande

Wir schreiben das Jahr 1970. Die Baader Meinhof Gruppe verübt bereits verschiedene kleine Aktionen. So wurden am 29. September 1970 drei verschiedene Banken auf einmal überfallen, mit einer Gesamtbeute von etwas über 200.000 D-Mark. Um den 22. November 1970 lief schließlich die „Aktion Passamt“. Ulrike Meinhof und Komplize brachen ins Rathaus Langgöns bei Gießen ein, um an Blankopapiere und Dienstsiegel zu kommen. Die Gruppe um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin begann langsam kontinuierlich anzuwachsen. Für bevorstehende Aktionen wurden Vorbereitungen getroffen, wie die Beschaffung von Waffen, Autos, Wohnungen und Geld. Doch auch auf der Seite des Staates begann man sich schließlich, mit der wachsenden Bedrohung auseinanderzusetzen und am 1. Februar 1971 begann die Arbeit der neu gegründeten „Sonderkommission Terrorismus“ unter der Leitung von Alfred Klaus und Verfassungsschützer Michael Grünhagen. Obwohl sich die Aktionen der Baader-Meinhof-Gruppe bis zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich auf Banküberfälle und Waffenbeschaffung beschränkt hatten, entwickelte sich die Jagd auf die Gruppe langsam, insbesondere auch im Zuge der Berichterstattung in den Medien, in der gesamten BRD zu einer Hysterie. Einer der Höhepunkte: Die „Welt am Sonntag“ titelt: „Bonner Geheimpolizei jagt Staatsfeind Nr. 1: Die Baader-Bande.

Es ist die Geburtsstunde eines Mythos, der die Schleusen des kollektiven Unbewussten auf beiden Seiten der Lager öffnet. Der Literaturnobelpreisträger und Vorzeigeintellektuelle mit Arbeiterwurzeln Heinrich Böll zeigt sich fasziniert vom Kampf der 6 gegen die 60 Millionen. Der Angriff auf den übermächtigen Staat erscheint nunmehr heldenhaft und die auf den ersten Blick moralisch motivierten Hauptdarsteller lösen in Teilen der Bevölkerung Begeisterungsstürme aus. Insbesondere die zwei weiblichen Protagonisten, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, galten als zutiefst sensible und überzeugte Gewissentäterinnen, was dazu führte, dass sie in der linken Anhängerschaft zu modernen Jean D’Arcs überhöht wurden. Sympathie für die Gruppe und der Glaube an das hehre und höhere Ziel des Guerillakampfes standen in weiten Teilen außer Frage – insbesondere da es noch keine Toten gab. Bisher…

Self-fullfilling prophecies

Berühmtheit erlangte die Gruppe in diesen frühen Jahren, wie bereits betont, durch die hysterische Berichterstattung der Medien, die die bis dahin noch „inaktive“ Baader-Meinhof Bande mit dem Etikett „Staatsfeind Nr.1“ auszeichnete. Damit wurden ihre Mitglieder nicht nur maßlos überhöht, sondern selbst zu einer der fatalsten und folgenschwersten self-fullfilling prophecies. Es war diese Dynamik der Abhandlung des Themas, sowohl in der Öffentlichkeit, als auch in den Medien, der einen Mythos erschuf, in dessen Folge, insbesondere auch durch den verstärkten Verfolgungsdruck durch die Polizei, sich die Gruppe in ihrem Anliegen und ihrem Auftreten bestärkt und angespornt fühlte.

Wohnungsrazzien, Personenkontrollen und die Einschränkung von Freiheitsrechten bis hin zu Notstandsgesetzen. Gestärkt auch durch das gemeinsame Feindbild führten dazu, dass sich, im Lauf der Entwicklung, breite Teile der Bevölkerung mit der Gruppe, die zu diesem Zeitpunkt noch meilenweit von der späteren RAF entfernt war, identifizierte.

Anders ausgedrückt: Es war schlicht und einfach in und chic mit der RAF zu sympathisieren und deren Mitglieder zu glorifizieren. Doch auch die Gruppe selbst arbeitete aktiv an der eigenen Prominenz und Heiligsprechung, in dem sie in einem ersten Pamphlet ganz groß Mao zitierte: Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht. Suggeriert werden sollte: Nicht wir werden verfolgt, sondern alle Andersdenkenden, die Linken und der gesamte Studentenprotest per se.

Das Schicksal nahm seinen Lauf…

Noch mehr der Ähnlichkeiten gefällig…?

Ja…. Wir liebten das Leben. Den Sommer im Regen. Und alles war leicht und so klar ….

Die Welt war sorglos und schön.

Radikalisierte Welt

Jenseits der Kindheits- und Jugendträume radikalisierte sich die Welt quer durch alle Gesellschaftsschichten in immer schnelleren Schritten. Was schließlich dazu führte, dass der damalige Bundestagspräsident Carstens laut Der Spiegel am 13. September 1977 in sein Notizbuch schrieb, im Kreise des RAF Krisenstabs sei sowohl über „nachträgliche Erschießungen“ inhaftierter Terroristen geredet worden, als auch über „Repressalien seitens des Staates gegen die Häftlinge“. Der frühere Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Siegfried Fröhlich, erklärte den Angaben zufolge, es habe die „ernsthafte Bereitschaft“ gegeben, „gegebenenfalls auch mit Gewalt und Foltermethoden über das Grundgesetz hinauszugehen“.

Carstens berichtete, es sei Schmidts Auffassung gewesen, „alle Möglichkeiten und alle Vorschläge zu durchdenken“. Der Kanzler werde sich „jedoch nicht wissentlich an Aktionen beteiligen, die seinen vor dem Bundestag geleisteten Eid, insbesondere soweit es sich um die Wahrung des Grundgesetzes handle, tangieren würden“. (vgl. RAF-Krisenstab erwog Erschießung von Häftlingen)

Wir liebten das Leben. Die Welt hing in Fäden und alles war leicht und so klar. So wie es war. So wie es wahr.

Die Bilder im Kopf.

Bilder einer besseren Welt nur Trug und Schein?

Die Bilder einer besseren Welt im Gestern, eines heilen, sorglosen und friedvollen Lebens doch nur Trug und Schein? Dem kindlichen, später jugendlichen Blick auf das Leben geschuldet. Eine Illusion, die angesichts des IS – Terrors zerschellt? Oder doch nur eine Auswirkung meiner leidigen Midlife – Crisis?

Machen Sie sich doch selbst mal mit ihren eigenen Bildern im Kopf ein neues Bild. Manchmal hilft es sogar. Ich für meine Person bin ein wenig ruhiger geworden, auch wenn ich die Liste der nun wachgerufenen Horrormeldungen aus meiner bis dato so friedlichen Kindheits- und Jugendzeit noch seitenlang weiterführen könnte: OPEC-Überfall, Nato-Manöver 1983, Afghanistan ………. the never ending story ……

Was war, und was ist wahr?

1967, insbesondere aber 1968 ist mittlerweile zur Chiffre einer gesamten Zeitsignatur geworden. Für Krisenhaftigkeit, aber auch für ein Krisenbewusstsein. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Die oben beschriebenen Ereignisse vom Mai 1968 verweisen auf tiefgreifende historische Zäsuren und gesellschaftliche Ausbrüche. Einem verzweifelten Kampf um Stabilität, um Beruhigung, um die Wahrung des Gleichgewichtszustands, aber auch Zeichen geballter negativer Rückkopplungen im Zuge der Wahrung des selbigen. Einem verbissenen Bemühen darum, die vorhandenen Strukturen aufrechtzuerhalten.

Das Volk, wir Deutschen, aber auch die restlichen Nationen, bis tief in die Grundfesten ihres Selbstverständnisses und ihrer Seele zerrüttet.

Was ist mit jetzt, mit heute, mit dem ISIS Terror, der Gewalt, der Verblendung und der Wut? Haben beide Seite gelernt, oder doch nur die Terroristen von ihren Stammvätern egal welcher Couleur?

Denken Sie nur an den OPEC Überfall, der noch heute als einer der spektakulärsten Terrorakte gilt, auch nach nunmehr fast über 40 Jahren.

Als „Arm der arabischen Revolution“ wollten der „Frankfurter Bub“ Hans-Joachim Klein und seine Komplizen, die noch kurz zuvor um Punkt zwölf in einer kleinen Wiener Wohnung eine Flasche Whisky „geknackt“ hatten, wie sich Hans-Joachim in seinen selbst verfassten Memoiren erinnerte, die Welt verändern, indem sie gewaltsam die komplette Schar der versammelten Erdölminister entführen wollten. Jeden Einzelnen wollten sie in seinem Heimatland abliefern und dort zum Verlesen einer pro-palästinensischen Erklärung zwingen. Die beiden ärgsten „Feinde“, den saudi-arabischen Ölminister Ahmed Saki al-Jamani und den Innenminister Irans, Dschamschid Amusegar, wollte der TOP-Terrorist Carlos am liebsten gleich erschießen.

Im Westen nichts Neues? Die ewige Wiederkehr des Gleichen?

Was macht es mit uns, und was machen wir nun damit?

Ich liebe das Leben auch heute noch, auch wenn es mir seit geraumer Zeit schwerfällt, die Welt noch mit Kinderaugen zu betrachten. Auch die Bilder in meinem Kopf haben Gebrauchsspuren bekommen. Doch trotzdem liebe ich sie: die Welt, das Leben und insbesondere die Menschen, die sie bevölkern. Von den Freunden des Terrors natürlich abgesehen.

Alles hat seinen Lauf. Alles hat seine Zeit. Wir können das Gestern nicht ändern und das Planen der Zukunft hat bekanntermaßen auch seine Grenzen. Wir leben jetzt. Nur das Jetzt lässt sich verändern und gestalten. Wir können es verändern oder auch nicht. Es liegt an uns, es zu tun oder zu lassen, es zu wagen oder feige den Schwanz einzuziehen.

Es ist unser ganz persönlicher Augenblick, unser KAIROS-Moment, für jeden Einzelnen von uns, für sich, mit uns oder ohne uns, dafür zu kämpfen, dass der Terror ein Ende nimmt. Aber auch dafür, dass die Ursachen des Terrors, die Missstände in den Banlieus, die wachsende weltweite Ungleichheit zwischen Arm und Reich ein Ende hat.

Die Welt zu einer besseren verändern

Die Welt wird nicht untergehen, egal wie wir uns entscheiden. Wenn wir es nicht tun, wird unsere Zeit lediglich ein weiterer Funken im Sternehimmel der Menschheitsgeschichte sein, angesichts dessen die nachkommendenden Generationen sich ratlos fragen werden, warum sie, die es in der Hand hatten, es nicht getan haben. Sie hätten doch die Welt zu einer besseren verändern können. Warum taten sie es nicht? Warum sahen sie sie nicht, die Zeichen, die Parallelen, die Verbindungen hin zu dem blinden Glauben, dass nur eine ungezügelte Ökonomie alles zum Besten richtet?

Ja, wir brauchen den Staat. Den starken Sozialstaat, der sich den Armen annimmt, den Freiheitsrechten für alle Bürger, und den Boden ordentlich bestellt auf dem er steht: die freiheitlich – demokratische Grundordnung.

Die heile Welt, Ulrich B Wagner, Kolumne, Mode der 70er
„Vielleicht stehe ich heute da, wo meine Eltern einstmals standen, in ihren inzwischen nicht mehr ganz so oder vielleicht doch schon wieder modernen Klamotten, ihrem 70er Jahre Design und dem Schnapsglas in der Hand.“ (Bild: © Jörg Simon)

Vielleicht stehe ich heute da, wo meine Eltern einstmals standen, in ihren inzwischen nicht mehr ganz so oder vielleicht doch schon wieder modernen Klamotten, ihrem 70er Jahre Design und dem Schnapsglas in der Hand. Die Umfelder haben sich geändert, die Details jedoch ähneln sich leider sehr stark.

Ich glaube, es war einmal der Architekt und Designer Charles Eames, der sagte: the details are not the details, they make the design.

Vielleicht ähnelt sich doch alles mehr, als wir denken. Vielleicht haben auch wir im Rausch der vermeintlichen Versöhnung von Ost und West, dem vermeintlichen Siegeszug des Turbo-Kapitalismus einfach den Koffer mit unseren Werten, mit dem, was uns lieb und wert ist, bei der Abfahrt stehen gelassen? Das kann nicht nur den eigenen Eltern passieren, sondern auch den Kindern selbst, zu einer anderen Zeit. Am selben Ort sogar?

Es wäre auf jeden Fall eine Möglichkeit, einmal darüber nachzudenken, von wo wir gestartet sind und was unser eigentliches Ziel war: Demokratie und Freiheit, falls ich mich recht entsinne. Im Zweifelsfall verbessern Sie mich gerne.

 

Ihr
Ulrich B Wagner

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?