Der Club der alten Männer und die Macht der Träume

„Träume sind Schäume“, so der Volksmund. Doch auch aus Schäumen entspringen Träume, warnt unser Kolumnist. Wie richtig er damit lag, konnten aufmerksame Beobachter des politischen Geschehens in der Nacht vom 08. zum 09.11.2016 nachverfolgen. Im aktuellen Beitrag von „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET – Das Wort zum Freitag“ versucht Ulrich B Wagner eine Erklärung für das in den Vereinigten Staaten passierte zu finden.

Alt werden heißt selbst ein neues Geschäft antreten, alle Verhältnisse verändern sich, und man muss entweder zu handeln ganz aufhören oder mit Willen und Bewusstsein das neue Rollenfach übernehmen.“

Johann Wolfgang von Goethe: Maximen und Reflexionen

Wenn Träume wahr werden

Er ist wieder da. Doch war er jemals wirklich weg? Nein, mit Sicherheit nicht. Er schlummerte in einem fort. Ein Kind seiner Zeit, dessen Zeit niemals verging. Wir wollten ihn nicht sehen. Doch viele Abermillionen haben ihn nicht nur gesehen, sondern auch zu dem gemacht was er ist: dem Leibhaftigen, den wahren amerikanischen Traum.

Hier ist er der Großmeister, der Virtuose, das leibhaftige Postfaktische. Der Gebrauchtwagenkäufer der menschlichen Sehnsucht. 77 Prozent der US-amerikanischen Wählerschaft sind Frauen, Farbige und junge Menschen – sic!

Doch sie sind angekommen, die anderen. Sie trugen ihn, sie führten sich: sie träumten sich. Der Traum ist wahr geworden. Das Virtuelle und die Wirklichkeit sind eins geworden. Aus den Träumen der Anfangszeit, auch seiner großen Anfangsjahre, sind in der Wirklichkeit zwar nur Schäume geblieben. Doch auch aus Schäumen entspringen Träume, die Wirklichkeit werden können. Träume, aus denen nun unverdrossen der Nachtalb der schönen neuen Welt entsteigt.

Ein schlichtes, einfaches Menschenbild

Denn er ist vieles, sehr vieles. Doch mit Sicherheit kein Clown. Ein Alb vielleicht. Verwandt mit den Wehrwölfen, die mühelos, ganz nebenbei und ohne Verlust an Authentizität, ihre Gestalt verändern können. Vielleicht?! Ein psychotisches Einzelgängerwesen auf alle Fälle. Ein schlichtes, einfaches Menschenbild. Das Bild eines Menschen aus einer längst vergangen geglaubten Welt. Einer Welt der falschen Annahmen. Einer Welt der stabilen Lager, der Reality TV-Shows und der Ausgrenzung. Einer Welt, der hermetisch verschlossenen Echokammern, in denen reflexartige, hochexplosive, emotionalisierte B-Movies das Denken und Handeln bestimmen.

Wir haben ihn zum Clown degradiert. Wir haben ihn nicht Ernst genommen. Wir wollten es nicht. Vielleicht konnten wir es aber auch nicht. Es ist die Folge der Schrumpfung von Raum und Zeit, die wir in ihrer grauenvollsten Art und Weise, nicht ohne Schuld, miterleben dürfen. Es ist nicht dem falschen Miteinander, auch nicht dem bloßen Nebeneinander, sondern dem konsequenten Auseinander geschuldet. Dem Verlust einer gemeinsamen Wahrnehmung von Raum und Zeit, ohne Gegenwart und Zukunft.

Wenden wir die Toleranz in ihr Gegenteil?

Wir haben es versäumt, rechtzeitig neue Normen für ein Zusammenleben, in der sich seit Langem abzuzeichnenden neuen Welt, festzulegen. Einer Welt der Instabilität, der Ungewissheit, der neuen Kommunikation, des veränderten Miteinanders, der neuen Formen der Ausgrenzung, des Verlustes von Sicherheit und Arbeit in einer globalisierten Welt.

Er hat denen eine Stimme gegeben, die sonst keine (?) mehr haben. Denen, die aus Angst vor dem Druck der sozialen Erwünschtheit die Klappe halten. Den Verlierern der Emanzipation, welche die Gunst der Stunde nutzten und den Anarchisten in sich entdeckten, um das kaputt zu machen, was sie vermeintlich kaputt zu machen scheint.

Hillary ist eine Frau. War es das? Oder war es auch hier doch eher das, was im Zuge des Bildersturms sich aufzulösen scheint. Was ist was? Alles verändert sich. Alles wird möglich. Alles verliert seine Begrenzung und damit den gemeinsamen Raum. Treiben wir vielleicht wirklich den Respekt vor dem anderen nicht nur auf die Spitze, sondern sprichwörtlich auf Messers Schneide – und wenden dabei zwangsläufig die Toleranz in ihr Gegenteil?

Es ist der Verlust von Heimat, von Identität und Zugehörigkeit, der nicht nur den Club der alten Männer in Aufregung versetzt. Alles verschiebt sich und verliert seinen Halt. Der Griff nach Hinten wird somit fast schon zum Reflex.

Wer bin ich? Wer will ich, wer darf ich sein?

Es trifft uns alle, in fast allen Bereichen des Lebens. Ein schwacher Trost für viele, die das vermeintlich Selbstverständliche in Frage zu stellen lernen müssen, wie es das Beispiel der berühmten englischen Feministin Germaine Greer beweist. Die, die wegen der folgenden Aussprüche bezüglich ihrer Ansicht, man könne transsexuelle Männer nach ihrer Geschlechtsumwandlung nicht ohne weiteres gleich als Frau bezeichnen, von einer Universität als Vortragsrednerin ausgeladen wurde:

»Just because you lop off your d**k and then wear a dress doesn’t make you a f***ing woman. I’ve asked my doctor to give me long ears and liver spots and I’m going to wear a brown coat but that doesn’t turn me into a f***ing cocker spaniel. A man who gets his d**k chopped off is actually inflicting an extraordinary act of violence on himself.«

Es werden spannende Zeiten, nicht nur im Club der alten Männer.

Ihr Ulrich B Wagner

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?