Arbeitszeiterfassung: Wann wird sie Pflicht – oder ist sie es bereits?

In vielen Unternehmen stellen Überstunden einen festen Bestandteil des Arbeitsalltags dar. Vielleicht ist das dringende Projekt noch nicht fertig oder eine Präsentation muss unbedingt vor Feierabend an den Kunden oder die Kundin geschickt werden, sodass die Mittagspause kurzerhand ausfallen muss. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die Statistik und was Gesetze und aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Zeiterfassung sagen.

Kurz vorab: Das sagt die Statistik zu Überstunden und Mehrarbeit

Umfragen zeigen immer wieder, dass mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer:innen länger arbeitet als ihr Arbeitsvertrag eigentlich vorsieht. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) gehören überlange Überstunden für 30,3 Prozent der Erwerbstätigen in Vollzeit zum üblichen Pensum: Sie leisten mehr als 48 Stunden pro Woche. Dabei ist jedoch fraglich, inwiefern fehlende Pausen einen positiven Beitrag zur Produktivität leisten.

Der korrekte Umgang mit Mehrarbeit

Doch auch eine präzise Dokumentation dieser Mehrarbeit erfolgt dabei nicht in allen Fällen. Für die vollständige Erfassung der täglichen Arbeitsstunden der Mitarbeitenden fehlen in vielen Unternehmen schlicht und ergreifend die entsprechenden Prozesse. Durch den Europäischen Gerichtshof wurde allerdings im Mai des Jahres 2019 entschieden, dass die Aufzeichnung der Zeit, die täglich in Unternehmen von den Mitarbeitenden gearbeitet wird, inklusive der Pausenzeiten, rechtlich verpflichtend ist. Um dies zu gewährleisten, ist eine spezielle Zeiterfassungssoftware nötig.

Ein etabliertes System für die Erfassung der Arbeitszeit dient dabei nicht nur den Mitarbeitenden und ihrer Absicherung. Auch für die jeweiligen Aufsichtsbehörden ist jeweils essenziell, dass diese erkennen können, ob

  • die vorgeschriebenen Ruhezeiten eingehalten werden.
  • die Höchstarbeitszeit von wöchentlich 48 Stunden auch nicht überschritten werden.

System zur Arbeitszeiterfassung: Verpflichtend – oder?

Jedoch wurde bis es bislang nicht abschließend und eindeutig geklärt, ob sich deutsche Unternehmen an diese Vorgabe bereits halten müssen, da EU-Richtlinien stets an alle Mitgliedsstaaten gerichtet sind. Um die Arbeitgeber konkret zur Umsetzung zu verpflichten, steht noch der Schritt aus, dass der nationale Gesetzgeber die EU-weiten Richtlinien in nationales Recht überträgt und die Unternehmen dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden nachvollziehbar zu dokumentieren.

Diese Anpassungen wurden im deutschen Arbeitszeitrecht jedoch noch nicht vorgenommen. Verschiedene Jurist:innen vertreten daher die Meinung, dass eine grundlegende Pflicht für die Erfassung der Arbeitszeit heute in Deutschland noch nicht herrscht. Ausgenommen davon sind jedoch bestimmte Branchen, wie etwa die Gastronomie und der Mindestlohnbereich.

Rechtlich verpflichtet sind Arbeitgeber heute somit nur an Sonn- und Feiertagen und ab der achten Arbeitsstunde der Mitarbeitenden, eine Erfassung der Arbeitszeit vorzunehmen. Dies wird durch das aktuell geltende Arbeitszeitrecht beziehungsweise das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorgegeben.

Bislang unklare Rechtslage zur Arbeitszeiterfassung

Allerdings gibt es auch einige Gerichte, die dies anders sehen. Im Jahr 2020 erfolgten durch das Arbeitsgericht Emden so etwa zwei relevante Urteile. Laut diesen sind die Arbeitgeber bereits heute dazu verpflichtet, zugängliche und verlässliche Zeiterfassungssysteme zu nutzen. Grund dafür ist die unmittelbare Anwendung der Grundrecht-Charta der EU.

Insofern ist es noch lange nicht ausgeschlossen, dass eine gesetzliche Bestätigung der Auffassung des Arbeitsgerichts erfolgen wird. Aus diesem Grund ist es für Unternehmen ratsam, die Entscheidung des Europäische Gerichtshofes aus dem Jahr 2019 in ihrem Betrieb bereits heute umzusetzen.

Reduzierung von unbezahlten Überstunden durch Arbeitszeiterfassung

Doch warum ist eigentlich ein zusätzliches System nötig, um die vollständige Arbeitszeit der Mitarbeitenden aufzuzeichnen, wenn eine Erfassung ab der achten Arbeitsstunde ohnehin bereits vorgeschrieben ist? Der Grund besteht darin, dass die aktuelle Regelung auf einer gewissen Prämisse basiert. Diese besteht darin, dass die Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten an den Tag legen. Dieses beinhaltet, sämtliche Überstunden ihrer Mitarbeitenden detailliert zu dokumentieren. Allerdings sieht die Realität in der Praxis häufig anders aus, etwa weil

  • die Mehrarbeit auch in vermeintlichen Pausenzeiten geleistet wird.
  • etwa Ergänzungen auch nach Feierabend und von zu Hause aus vorgenommen werden, sodass auch physische Stempelsysteme die Arbeitszeit gar nicht erfassen können.
  • dazu bislang kein Unternehmensprozess definiert wurde.

Durch umfassendere Aufzeichnungen lassen sich die Arbeitszeiten jedoch präzise überprüfen. Ein Verschweigen der geleisteten Mehrarbeiter der Mitarbeitenden durch den Arbeitgeber ist so kaum noch möglich, es sei denn, er liefert vorsätzlich falsche Daten. Dies soll auf das grundlegende Ziel einzahlen, unbezahlte Überstunden maßgeblich zu reduzieren.

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