Brennpunkt Arbeitskräftemangel! – Interview (2) mit Gerald Moser

Warum der eklatante Arbeitskräftemangel trotz aktueller Rezession ein Dauerthema bleibt und was Unternehmen wie Politik dagegen tun müssen. Dazu sprechen wir mit Gerald Moser, Unternehmensberater und Experte für robuste Unternehmensführung, in einer dreiteiligen Interviewreihe. Erfahren Sie im zweiten Interview, was die Politik tun kann und muss. Gleichzeitig haben auch die Unternehmen Möglichkeiten, die sie aktiv angehen müss(t)en. Genau darauf gehen wir in diesem Teil ein.

Arbeitskräftemangel: Politiker und Unternehmer müssen handeln

In Teil 1 dieser Interviewreihe haben wir ausführlich über die möglichen Ursachen des Arbeitskräftemangels gesprochen. Es steht also eindeutig fest, dass wir uns einer Gemengelage gegenübersehen, die es schwierig macht, eine einfache, geschweige denn eine schnelle Lösung zu finden. Sehe ich das richtig?

Ja, das ist leider korrekt! Ein so komplexes Problem kann nun einmal nicht durch einfache Maßnahmen gelöst werden. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer und auch ihre Interessensverbände reagieren darauf reflexartig mit einem lautstarken Ruf nach sofortiger Unterstützung durch die Politik, ohne sich selber Gedanken darüber zu machen, wie diese komplexe Situation zu lösen wäre.

Die Politik und Ihre Handlungsoptionen gegen den Arbeitskräftemangel

Was genau kann die Politik machen?

Die Frage sollte eigentlich lauten „Was KÖNNTE die Politik machen?“ Denn die Politik unternimmt derzeit nur wenig, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Zugegeben, das ist auch alles andere als einfach.

Ich möchte die Politik hier bei weitem nicht in Schutz nehmen. Sie sieht sich jedoch dieser Thematik betreffend zahlreichen verschiedenartigen Forderungen gegenüber, die sehr vehement adressiert werden:

  • Wir müssen die Zuwanderung erleichtern versus die Zuwanderung gehört gestoppt!
  • Wir müssen das Pensionsalter hinaufsetzen! Immer gefolgt von diesem Einwurf: „Ja, aber bitte nicht meines!
  • Wir müssen die Arbeitszeit verkürzen versus die Arbeitszeit gehört verlängert!
  • Wir brauchen ein bedingungsloses Grundeinkommen versus die Arbeitslosenunterstützung gehört gekürzt!

Diese Beispiele haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und entsprechen nur einigen der aktuellen Forderungen und Themen. Außerdem sind alle politischen Entscheidungsprozesse in der Regel äußerst kompliziert und langwierig!

Die derzeit herrschenden politischen Konstellationen in Österreich wie auch in Deutschland tragen außerdem sicher nicht zu einer Beschleunigung und Entscheidungsfindung bei. Dazu kommt, dass die diversen gesellschaftlichen Standpunkte immer kleinteiliger werden. Manche sprechen sogar schon von einer „Atomisierung der Gesellschaft“.

Dadurch wird es zunehmend schwieriger, über die unterschiedlichsten Gruppierungen hinweg einen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen. Diese verschiedenen Gruppierungen sind mehr und mehr mit sich selbst beschäftigt. Ein gesellschaftlicher Diskurs findet daher immer weniger Platz auf der Agenda. Dadurch ist es auch extrem schwierig, einen Konsens zu den oben genannten Themen zu erreichen, und der Politik fällt es immer schwerer, adäquate Lösungen zu finden.

Und damit komme ich zum eigentlichen Punkt: Den Unternehmerinnen und Unternehmern ist das all das sehr wohl bewusst. Und trotzdem stellen sie in einer Endlosschleife weiterhin ihre massiven Forderungen an die „hohe“ Politik. Dabei übersehen sie jedoch vollkommen, dass sie unternehmensintern selbst so einiges – schleppende Demokratie hin oder her – gegen den Arbeitskräftemangel tun könnten!

Unternehmer haben selbst Optionen gegen den Arbeitskräftemangel in der Hand

Das bedeutet also, dass die Unternehmen wieder einmal selbst das Heft in die Hand nehmen müssen?

Absolut! Um es drastisch zu formulieren: Erst wenn die Unternehmen ihre eigenen, internen Hausaufgaben erledigt haben, erhalten sie die Legitimation, sich zu beschweren, dramatisch die Politik anzurufen und Forderungen zu stellen!

Mir ist durchaus klar, dass Unternehmen dieses vielschichtige Problem nicht zur Gänze alleine auf sich gestellt lösen können. Da ist die Politik durchaus gefordert! Aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Unternehmen über sehr viel mehr Möglichkeiten verfügen, dieses Arbeitskräfte-Problem zumindest zu lindern, als sie selbst glauben.

Viele sind jedoch so in ihre eigenen Sorgen und Probleme verstrickt, dass sie die vorhandenen Handlungsoptionen schlicht nicht mehr wahrnehmen, die vielen, vielen „Bäume“ verstellen ihnen den Blick auf den Wald. Sie sehen also, dass einige der akuten Probleme durchaus auch hausgemacht sein können. Das muss jedoch nicht so bleiben.

Wenn wir als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Probleme selbst geschaffen haben, dann können wir sie grundsätzlich auch selbst lösen. Und das sollte rasch geschehen, denn der Hut brennt!

Oft leiden Unternehmen unter hausgemachten Problemen

Sie sind also überzeugt davon, dass es neben der herausfordernden demografischen Entwicklung und all den anderen Problemursachen einen „hausgemachten“ Anteil am Arbeitskräftemangel gibt. Woran machen Sie diesen fest?

Wenn wir den Blickwinkel von Konsumenten einnehmen, wird diese Tatsache an allen Ecken und Enden mehr als sichtbar.

Ihnen fallen ganz sicher Situationen ein, in denen Sie von scheinbar wenig kompetentem Personal bedient wurden, wenn Sie in einem Laden überhaupt jemanden gefunden haben, der Sie beraten hat.

Denken Sie an Situationen, bei denen Sie ein Geschäftslokal betreten haben und sofort das Gefühl hatten, dass der Zahn der Zeit massiv daran nagt und seit Jahren nichts modernisiert worden ist.

Kennen Sie die Momente, in denen Sie heilfroh waren, dass Sie endlich einen Handwerker aufgetrieben hatten, der sich um Ihr Problem kümmerte und sich später dann leider herausstellte, dass die Arbeit trotz einer exorbitant hohen Rechnung nicht adäquat durchgeführt wurde und Sie auf Nachbesserung bestehen mussten.

Diese und ähnliche Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Sobald Sie im Kreise Ihrer Freunde und Bekannten ein solcherart negatives Beispiel einen Dienstleister betreffend erzählen, werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass jeder aus der Runde mit einem ähnlich negativen Erlebnis aus der jüngeren Vergangenheit aufwarten kann.

Der massive Arbeitskräftemangel ist bereits eindeutig durch ein generelles Sinken der Qualität der Leistungen in vielen Branchen spürbar!

In manchen Unternehmen muss zuerst mal an der Basis gearbeitet werden

Sie benennen die fehlende Produktivität vieler Unternehmen als eine der Ursachen. Können Sie das näher erklären?

Bleiben wir zur näheren Illustration beim Beispiel eines Handwerkers. Bis endlich ein Handwerksbetrieb für Sie als Kunden Zeit findet, vergeht in der Regel enorm viel Zeit. Irgendwann gelingt es Ihnen, einen Termin zu vereinbaren, und ein vermeintlicher Profi erscheint und nimmt sich Ihres Problems an.

Wenn Sie Glück haben, wird die anstehende Arbeit innerhalb einer einigermaßen nachvollziehbaren Zeitspanne erledigt. Wenn Sie kein Glück haben, fehlt ein wichtiges Ersatzteil oder ein Werkzeug, und es muss ein neuerlicher Termin vereinbart werden. Aber sogar, wenn Ihnen erklärt wurde, dass Ihr Problem nun ganz sicher gelöst sei, stellen Sie, sobald der Handwerker Ihre Wohnung verlassen hat, trotzdem oft fest, dass das Problem keinesfalls behoben oder nicht wie gewünscht gelöst wurde. Der entsprechende Betrieb muss also noch einmal jemanden senden, um Ihr Problem nun hoffentlich endgültig zu lösen.

Bis Sie die Rechnung erhalten, vergeht in der Regel abermals sehr viel Zeit. Das ist zwar für Sie als Kunde grundsätzlich kein Nachteil. Trifft die Rechnung dann endlich ein, empfiehlt es sich, Riechsalz bereitzuhalten, um angesichts der exorbitanten Summe nicht in eine tiefe Ohnmacht zu sinken.

So oder ähnlich sieht es in der Praxis tatsächlich Arbeitswoche für Arbeitswoche aus! Ein Kunde, dem dergestalt mitgespielt wird, wird beim nächsten Problemfall ganz sicher ein anderes Unternehmen beauftragen.

Aus der Sicht des Unternehmens ist eine derartig schlampige Vorgehensweise ebenfalls dramatisch. Denn ein solcher Auftrag kann sich niemals vernünftig rechnen! Die Zeit, die für die Beschaffung des fehlenden Ersatzteiles benötigt wird, die Nacharbeit, die nicht verrechnet werden kann und die Kapazität, die dadurch für einen weiteren bezahlten Auftrag fehlt, gar nicht zu sprechen vom Imageschaden, das alles führt insgesamt zu einer klassischen Schadensmaximierung und zum Sinken jeglicher Produktivität.

Genau hier müssen Unternehmen, die weiterhin erfolgreich bleiben möchten, unbedingt proaktiv ansetzen!

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Ich will damit nicht ausdrücken, dass tatsächlich alle Handwerksbetriebe oder auch andere Unternehmen auf diese Weise arbeiten. Es werden jedoch vorwiegend die negativen Beispiele erzählt und derer gibt es leider ausreichend!

Herr Moser, Vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Das Interview mit Herrn Gerald Moser führte die AGITANO Redaktion.

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Whitepaper „Arbeitskräftemangel“

Wenn Sie am Thema interessiert sind, holen Sie sich das Whitepaper „Eklatanter Arbeitskräftemangel in aller Munde! Und was kleine und mittlere Unternehmen dagegen tun sollten.“ Es lohnt sich, auf alle Fälle zu lesen.

Über Gerald Moser

Gerald Moser ist Unternehmensberater und Experte für robuste Unternehmensführung. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck und erlangte einen MBA-Abschluss an der Universität Toronto. Zudem absolvierte er zahlreiche berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungen, unter anderem jene zum neurosystemischen Coach.

Seine Karriere startete in verschiedenen Führungspositionen von Großunternehmen und setzte sich als Geschäftsführer des Tochterunternehmens eines Konzerns fort. Dieses Unternehmen kaufte er und war 12 Jahre lang erfolgreich als Unternehmer tätig.

Als Unternehmer machte er alle Höhen und Tiefen eines unternehmerischen Lebens mit. Heute unterstützt er die Eigentümer kleinerer und mittlerer Unternehmen dabei, ihre Unternehmen robuster und krisensicherer aufzustellen.

Gerald Mosers fundierte Ausbildungen, seine persönliche Erfahrung als Unternehmer und seine Expertise und Freude an der Integration ALLER Aspekte des unternehmerischen Lebens zeichnen ihn und seine Arbeit aus.

Mehr erfahren Sie über Gerald Moser auf seiner Website.

Gerald Moser Profilbild
Gerald Moser ist Unternehmensberater und Experte für robuste Unternehmensführung. (Bild: © Astrid Bartl)

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