Brennpunkt Arbeitskräftemangel! – Interview (3) mit Gerald Moser

Warum der eklatante Arbeitskräftemangel trotz aktueller Rezession ein Dauerthema bleibt und was Unternehmen wie Politik dagegen tun müssen. Dazu sprechen wir mit Gerald Moser, Unternehmensberater und Experte für robuste Unternehmensführung, in einer dreiteiligen Interviewreihe. Erfahren Sie im dritten Interview, welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken und diesen für sich zu minimieren.

Arbeitskräftemangel: Unternehmen haben zahlreiche Möglichkeiten, die sie ergreifen können

In den letzten beiden Interviews (Teil 1 & Teil 2) ging es darum, was die Ursachen des Arbeitskräftemangels sind. Da haben wir es auf der einen Seite mit einer komplizierten Situation zu tun, auf die die einzelnen Unternehmen kaum Einfluss haben. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Ursachen, auf die die Unternehmen selbst einwirken können. Sie haben auch klar aufgezeigt, dass eine der Ursachen die mangelnde Produktivität vieler Unternehmen ist. Wenn wir nun daran anknüpfen, was sind denn die Stellhebel, die Unternehmerinnen und Unternehmer angreifen können, wenn es um die Verbesserung ihrer Produktivität geht?

Das Beispiel, das ich am Ende des zweiten Teils dieser Interviewreihe gebracht habe, zeigt bereits den einen oder anderen Ansatzpunkt auf.

Es beginnt schon mit der präzisen Planung aller Arbeiten! Dass zum Beispiel ein Ersatzteil am Einsatzort fehlt, ist in den meisten Fällen wirklich nicht notwendig. In den Unternehmen liegen ausreichend Erfahrungswerte vor, um bei einer konzentrierten Vorbereitung einer bestimmten Arbeit alle dazu notwendigen Werkzeuge und Ersatzteile korrekt zu planen und auch an den Arbeitsort mitzunehmen.

Ein erster wichtiger Stellhebel ist also eine akribische Planung und Vorbereitung aller Projekte. Ein weiterer Stellhebel ist definitiv die entsprechende Schulung aller Mitarbeiter. „First time right“ sollte dabei die stete Devise sein!

Und ja, Fehler können passieren. Jedoch sollte es aus diesen unbedingt und jedes Mal gelernt werden. Dieses immerwährende Lernen findet in den Unternehmen meist nicht in ausreichendem Umfang statt.

Die beliebteste und häufigste Begründung ist es dann, dass zu wenig Zeit vorhanden ist, um nach den Fehlerursachen zu suchen. Innerhalb dieser Gedankenspirale und Vorgehensweise wird jedoch zwangsläufig sehr viel mehr Energie in das Nacharbeiten und Korrigieren, also in die Symptombekämpfung, gelegt, als in die Suche nach der wahren Fehlerursache und deren Beseitigung.

Auf diese Weise verschwenden viel zu viele Unternehmen wertvolle Ressourcen. Diese könnten sie anderweitig sehr viel gewinnbringender und effektiver einsetzen.

Falsches Preismanagement eine Ursache

In Ihrem Whitepaper nennen Sie das oft nicht ausreichend präzise Preismanagement als eine weitere Ursache, die die Problematik der Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden befeuert. Was hat der Preis denn mit dem Arbeitskräftemangel zu tun?

Glaubt man den öffentlich zugänglichen Gewinnstatistiken der Wirtschaftsforschungsinstitute und Banken, stellt man fest, dass die meisten Kleinst- und Kleinunternehmen über eine nur geringe Verdienstmarge verfügen. Beachtlich ist das vor allem vor dem Hintergrund, dass diese Statistiken aus der Zeit vor der Corona-Epidemie stammen. Also aus jenen Zeiten, in denen Vollauslastung herrschte und die Unternehmen in der Regel Probleme hatten, alle ihre Aufträge zu erfüllen. Denn eigentlich müssten die Unternehmen in solchen Zeiten ja hervorragende Gewinne schreiben!

Nun ist es jedoch so, dass es einen größeren Hebel zur Steigerung des Gewinnes gibt, als es die Kosten sind. Das ist der Preis, der für die Produkte und Dienstleistungen erzielt werden kann.

Hier ist in den Unternehmen oft die Meinung anzutreffen, dass die Produkte und Dienstleistungen nur über den günstigsten Preis verkauft werden können. Statt zu überlegen, welche Argumente gefunden werden können, damit vielleicht ein etwas höherer Preis als jener der Konkurrenz verlangt werden kann, orientieren sich fast alle Unternehmen an den Preisen der Konkurrenz. Als Beispiel kann hier die zügige Abwicklung eines Auftrages ohne Notwendigkeit der Nacharbeit angeführt werden. Somit wären wir wieder beim so wichtigen Prinzip von „first time right“.

Einer der gängigsten Irrtümer ist nämlich die Annahme, dass Kunden ausschließlich das Angebot mit dem günstigsten Preis wählen. Damit boykottieren viele Unternehmen ihre Gewinnmarge, und das oft, ohne es selbst zu bemerken.

Der richtige Preis ist wichtig

Warum kümmern sich viele Unternehmen denn nicht ausreichend um eine adäquate, für sie positive Preisgestaltung?

Das ist eine weit verbreitete, oft sogar fatale Problematik! Aus meiner Praxissicht fehlt vielen Unternehmerinnen und Unternehmern das tiefe Verständnis dafür, welche Auswirkungen ihre Preiserhöhungen und Preisnachlässe auf das finale Ergebnis ihrer Unternehmen haben! Alleine zu diesem Thema ließe sich ein ganzes Buch füllen.

Ich kann nur jeder Person, die mit der Gestaltung von Preisen zu tun hat, dringend anraten, einmal auszurechnen, wie stark eine Preisänderung von nur 5% oder 10%, einmal nach oben und einmal nach unten, den Gewinn verändert!

Für viele Unternehmer und Unternehmerinnen, die ich kenne, war diese Übung ein Augenöffner, der ihre zukünftigen Preiskalkulationen für immer verändert hat!

Mit dem richtigen Mitarbeiterumgang gegen den Arbeitskräftemangel wirken

Was können Unternehmen sonst noch tun, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken?

Der eigentliche und zentrale Punkt ist für mich der Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daher lautet mein expliziter Aufruf: Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter gut!

Ich kenne eine nennenswerte Anzahl von Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich immer wieder ausgiebig über ihre Mitarbeitenden beschweren. Auf den ersten Blick kann ich das auch teilweise verstehen. Aber: Es gibt Untersuchungen darüber, worunter die Produktivität eines Unternehmens in höchstem Ausmaß leidet. Aus der Einleitung meiner Antwort können Sie schon ahnen, worauf meine Argumentation hinausläuft.

In viel zu vielen Unternehmen werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unüberlegt eingeteilt. Ihre Arbeit wird ineffizient geplant. Sie bekommen nicht die geeigneten Werkzeuge zur Verfügung gestellt. Und suboptimale Arbeit wird einfach hingenommen. Das alles sind Faktoren, die der Produktivität definitiv nicht dienlich sind! Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs.

Viel schlimmer ist, dass die Mitarbeitenden daraufhin meist höchst frustriert reagieren und daher immer weniger bereit sind, sich zu engagieren, mitzudenken und ihre Arbeit auch korrekt zu Ende zu bringen.

Die nächste Steigerungsstufe setzt dann ein, wenn die Unternehmen sich durch diese Vorgehensweise gegenüber ihren Mitarbeitenden und deren Reaktion darauf den Ruf eines schlechten Arbeitgebers sprichwörtlich erarbeiten.

Ein nicht attraktiver Arbeitgeber zu sein, ist in Zeiten des galoppierenden Arbeitskräftemangels natürlich eine Katastrophe! Hat sich dieser Ruf innerhalb und auch außerhalb Ihrer Branche erst einmal etabliert, kann die Spirale unweigerlich nur weiter nach unten driften.

Daher an dieser Stelle noch einmal mein Appell an alle Unternehmer und Unternehmerinnen: Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter gut und arbeiten Sie daran, sich aus dieser Abwärtsspirale zu befreien!

Mit kürzerer Arbeitszeit gegen den Arbeitskräftemangel? Entgültiges Ergebnis noch offen

Was halten Sie von einer Verkürzung der Arbeitszeit, wie sie vielfach propagiert wird?

Um ehrlich zu sein: nichts! Ich muss jedoch einräumen, dass es noch zu wenige Erfahrungsberichte dazu gibt, um ein wirklich valides Urteil treffen zu können.

Jedoch gibt eseinige wenige Beispiele von Betrieben, die die verkürzte Arbeitszeit als ein Recruitingtool verwenden, die auch der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Dabei wurde berichtet, dass die Mitarbeiterzufriedenheit durch verkürzte Arbeitszeiten definitiv anstieg und es für diese Betriebe tatsächlich leichter wurde, neue Mitarbeitende zu rekrutieren. Das möchte ich auch gar nicht bezweifeln.

Ich frage mich aber schon, was aus diesem momentanen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt wird, wenn viele andere Unternehmen ebenso auf diesen Zug aufspringen. Damit stünde man weiterhin vor demselben Problem wie bisher!

Weiters wurde auch proklamiert, dass in den Unternehmen, die sich der Verkürzung verschrieben hatten, die Produktivität gestiegen sei. Die wenigen Zahlen, die ich dazu gesehen habe, bestätigen diese Tendenz jedoch ganz eindeutig nicht.

Aber wie gesagt, es gibt diese Thematik betreffend noch zu wenig evidenzbasierte Daten. Daher ist es zu früh, ein endgültiges Urteil zu bilden. Ich kann mir aber nur schwer vorstellen, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung einen Beitrag zur Reduzierung des Arbeitskräftemangels leisten kann und wird.

Unternehmen haben einige Hebel gegen den Arbeitskräftemangel selbst in der Hand

Können Unternehmen den Arbeitskräftemangel also alleine lösen?

Lassen Sie mich kurz noch einmal meinen gesamten Standpunkt zusammenfasen, bevor ich auf Ihre Frage konkret eingehe.

Wir sind mit einem massiven Arbeitskräftemangel konfrontiert. Eine wesentliche, aber nicht die einzige, Ursache dafür ist die demographische Entwicklung, die sich logischerweise nicht mehr umkehren lässt. Darauf haben die einzelnen Unternehmen also absolut keinen Einfluss.

Unternehmen können lediglich jene Faktoren gezielt beeinflussen, die im eigenen Unternehmen liegen. Ein wichtiger Hebel dabei ist es, die bestehende Mannschaft besser und zielgerichteter einzusetzen. Das funktioniert, indem die Produktivität des Unternehmens erhöht wird.

Der zweite große Hebel liegt im Preismanagement, was für viele nicht immer sofort offensichtlich ist. Höhere Preise stärken den Gewinn eines Unternehmens. Dadurch ist es diesem Unternehmen möglich, attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen und auch attraktivere Löhne zu bezahlen. Auf diese Weise wird das Unternehmen als Arbeitgeber interessanter, und es beginnt eine Positivspirale nach oben!

Auf weitere Maßnahmen wie zum Beispiel die Digitalisierung oder den Einsatz von künstlicher Intelligenz bin ich in diesem Zusammenhang bewusst nicht eingegangen. Das würde den Rahmen dieser Interviewreihe sprengen. Die Thematik verdient aber definitiv eine zukünftige intensive Betrachtungsweise!

Das sind – stringent zusammengefasst – die Tatsachen, mit denen Unternehmen heute bereits konfrontiert sind und dies in der Zukunft noch verstärkt sein werden.

Und um schlussendlich auf Ihre Frage zurückzukommen. Ich halte es für utopisch, dass Unternehmen die mit dem Arbeitskräftemangel verbundenen Herausforderungen alleine, ohne Zutun der Politik, meistern werden.

Aber all die Maßnahmen, die ich beschrieben habe, können einen wichtigen Beitrag in diese Richtung leisten und werden die Wettbewerbssituation der Unternehmen, die diese Hausaufgaben in Angriff nehmen, auf jeden Fall verbessern. Ohne klare und gezielte politische Maßnahmen wird es jedoch nicht gehen.

Trotzdem unterstreiche ich zum Abschluss noch einmal, dass Unternehmen jetzt einfach nicht mehr zuwarten dürfen, sondern im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten selbst so schnell wie möglich aktiv werden!

Herr Moser, Vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Das Interview mit Herrn Gerald Moser führte die AGITANO Redaktion.

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Whitepaper „Arbeitskräftemangel“

Wenn Sie am Thema interessiert sind, holen Sie sich das Whitepaper „Eklatanter Arbeitskräftemangel in aller Munde! Und was kleine und mittlere Unternehmen dagegen tun sollten.“ Es lohnt sich, auf alle Fälle zu lesen.

Über Gerald Moser

Gerald Moser ist Unternehmensberater und Experte für robuste Unternehmensführung. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck und erlangte einen MBA-Abschluss an der Universität Toronto. Zudem absolvierte er zahlreiche berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungen, unter anderem jene zum neurosystemischen Coach.

Seine Karriere startete in verschiedenen Führungspositionen von Großunternehmen und setzte sich als Geschäftsführer des Tochterunternehmens eines Konzerns fort. Dieses Unternehmen kaufte er und war 12 Jahre lang erfolgreich als Unternehmer tätig.

Als Unternehmer machte er alle Höhen und Tiefen eines unternehmerischen Lebens mit. Heute unterstützt er die Eigentümer kleinerer und mittlerer Unternehmen dabei, ihre Unternehmen robuster und krisensicherer aufzustellen.

Gerald Mosers fundierte Ausbildungen, seine persönliche Erfahrung als Unternehmer und seine Expertise und Freude an der Integration ALLER Aspekte des unternehmerischen Lebens zeichnen ihn und seine Arbeit aus.

Mehr erfahren Sie über Gerald Moser auf seiner Website.

Gerald Moser Profilbild
Gerald Moser ist Unternehmensberater und Experte für robuste Unternehmensführung. (Bild: © Astrid Bartl)

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