Buch „Reden wir, jetzt!“: Zwiegespräche und ihre Besonderheiten – Interview mit Paul Glaesener

In einer Welt, die von Lärm und Ablenkung geprägt ist, bietet Paul Glaeseners neuestes Werk, „Reden wir, jetzt!“, einen seltenen Zufluchtsort der Verständigung und des tiefgründigen Austauschs. Dieses Interview mit dem Autor taucht in die Kunst der Zwiegespräche ein, eine Form der Kommunikation, die in unserer heutigen Gesellschaft oft übersehen wird. Paul Glaesener beleuchtet die Nuancen und die Kraft des bewussten Zuhörens und Sprechens, indem er die Leserschaft in die Geheimnisse und den Wert von authentischen, offenen Dialogen einweiht. Durch seine Erörterungen zur „Speakers‘ Corner“ als Metapher für einen sicheren Raum, in dem offene Gespräche gedeihen können, lädt uns Paul Glaesener ein, die Bedeutung von Vertrauen, Raum und Zeit in unseren Interaktionen neu zu bewerten. Dieses 2. Interview mit AGITANO ist eine Einladung, die Art und Weise, wie wir kommunizieren, zu transformieren und zu vertiefen.

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Paul Glaesener über „Speakers‘ Corner“ und die Bedeutung für Zwiegespräche

Herr Glaesener, ein Kapitel Ihres Buches nennt sich „Speakers‘ Corner – Sicherheit, Vertrauen, Raum und Zeit“. Was ist mit „Speakers‘ Corner“ genau gemeint, und warum ist dies so bedeutsam, dass Sie diesem Thema ein gesamtes Kapitel gewidmet haben?

Betreffend den Raum der Sicherheit und des Vertrauens für unsere Zwiegespräche habe ich den Speakers’ Corner im Hyde Park in London als Beispiel herangezogen. Er gilt seit dem Jahr 1872 als weltweites Symbol für die Freiheit der Meinung und das Recht auf öffentliche Rede.

Ohne Voranmeldung darf hier jeder, in völliger ideologischer Freiheit, eine Rede zu fast jedem Thema halten. Am Speakers‘ Corner besteht für alle Menschen die Möglichkeit, auf eine mitgebrachte Kiste zu steigen, die als „Bühne“ dient, und die Gesellschaft in all ihren Facetten uneingeschränkt zu reflektieren. Es gehört viel Mut dazu, sich an einen öffentlichen Ort zu begeben und sich dort mit seinen Meinungen und inneren Überzeugungen rückhaltlos zu öffnen. In so einer Position ist man extrem exponiert, also angreifbar und verletzlich, aber auch ehrlich und dadurch stark.

Hier ist eine starke Analogie zu der bewussten Zwiegesprächssituation mit einem „Ganz-Ohr-Hasen“ zu erkennen. Denn auch sie bedarf eines geschützten Raumes, in dem man sich speziell gut aufgehoben fühlt. Besonders für Führungskräfte, die als Personen des öffentlichen Lebens oft losgelöst vom ursprünglichen Zusammenhang zitiert, angeprangert und medial zur Rechenschaft gezogen werden. Für sie ist es eine wahre Wohltat, sich in ihrer ganz persönlichen, individuellen und zutiefst vertraulichen Speakers‘ Corner wiederzufinden.

Ein Raum, in dem sie nicht einmal auf eine Kiste klettern müssen, um sich Gehör zu verschaffen, weil der „Ganz-Ohr-Hase“ mit seiner wunderbaren Fähigkeit, zuzuhören, sich ja mit in diesem Raum befindet. Er ist nur für die Führungskraft und ihre momentanen Themen da. Außerdem sind ihm alle Formalitäten völlig egal. Sie können also reden, wie es Ihnen gerade in den Sinn kommt und Ihnen guttut. Alles kann, nichts muss gesagt werden! Der „Ganz-Ohr-Hase“ beobachtet und reflektiert dabei nicht primär die Form, sondern den gehörten Inhalt in all seinen Dimension und richtet und urteilt niemals.

Sich auf diese Weise zu öffnen und sich preiszugeben bedarf für die meisten Führungskräfte einer gehörigen Portion beherzter Selbstüberwindung, die logischerweise nur im abgeschirmten Rahmen psychologischer Sicherheit funktionieren kann. Denn nur, wer sich emotional in Sicherheit wähnt, kann sich seinem Gesprächspartner ganz öffnen. Ob Sie diese emotionale Sicherheit verspüren, hängt zuallererst von Ihrem gewählten „Ganz-Ohr-Hasen“ ab, den Sie aber vermutlich nicht auserkoren hätten, wenn Sie sich in seiner Gegenwart nicht vollkommen sicher fühlen würden. Aber natürlich auch von dem Ort, an dem die Zwiegespräche stattfinden.

Vertrauter Ort ist essenziell für ein Zwiegespräch

Was sind Ihrer Ansicht nach ideale Orte für ein Zwiegespräch im Sinne der Speguloreflexologie?

Es steht also außer Frage, dass Zwiegespräche in einem geschützten Rahmen stattfinden müssen, in dem beide Gesprächspartner im tiefen gegenseitigen Vertrauen einander Dinge sagen können, die sie derart offen wahrscheinlich noch mit keinem anderen Menschen besprochen haben. Was diesen idealen Ort betrifft, kann es nicht um Allgemeingültigkeit, sondern immer nur um eine individuelle Wahl gehen.

Ich empfehle dafür einen vertrauten Ort mit Wohlfühlcharakter, der immer sehr bewusst gewählt werden sollte. Sich den „Ganz-Ohr-Hasen“ ins eigene Büro einzuladen, um direkt nach dem letzten Meeting am Abend ins Zwiegespräch überzugehen, ist dabei keine gute Idee. Man braucht unbedingt einen Dekorwechsel, um sich von den üblichen beruflichen Gedanken und Pfaden zu lösen und um den vollen Zauber des Zwiegesprächs wirken zu lassen.

In meiner Rolle als „Ganz-Ohr-Hase“ treffe ich einen meiner Gesprächspartner zum Beispiel oft in dessen Wochenenddomzil in einer Weingegend. Dazu gehörten dann auch lange, inspirierende Spaziergänge in den Weinbergen. Oft, jedoch nicht jedes Mal, denn ich lade meine Gesprächspartner auch dazu ein, je nach der zu besprechenden Thematik immer wieder neue, anregende Vertrauen und Sicherheit bietende Örtlichkeiten zu wählen. Das muss nicht immer ein Gebäude sein, auch ein Waldspaziergang kann die sehr stimmige Kulisse eines Zwiegesprächs darstellen.

Wichtig dabei: Den EINEN idealen Ort gibt es nicht, man darf und sollte sich auch in dieser Hinsicht ausbreiten und immer wieder verändern, in gegenseitiger Abstimmung zwischen den beiden Gesprächspartnern. Ich glaube in dieser Hinsicht sehr an die Wirkung, die manche Orte auf uns Menschen haben. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass auch Sie instinktiv spüren werden, wenn Sie an einem neuen Ort eintreffen, ob dieser für Ihr nächstes Zwiegespräch passend sein könnte oder nicht.

Reflektionsnetzwerk für Zwiegespräche aufbauen

Sie legen in Ihrem Buch dar, wie wichtig der Aufbau eines Reflektionsnetzwerks ist. Ist das so zu verstehen, dass man parallel mehrere Sparringspartner, also „Ganz-Ohr-Hasen“ haben kann oder sogar haben muss?

Unabhängig davon, wie viel Vertrauen Sie ihrem ersten „Ganz-Ohr-Hasen“ entgegenbringen, Sie benötigen darüber hinaus auf jeden Fall ein weiterführendes Netzwerk, auf das Sie bei Bedarf zurückgreifen können und das verschiedene Themenbereiche abdeckt. Wir brauchen für unser Zwiegespräch immer den gerade in diesem Moment richtigen und zur Situation passenden Gesprächspartner. Und es wird keine Person geben, die alles vollumfänglich abdecken kann.

Halten Sie daher einfach immer wieder einmal Ausschau, wer sich für diese Rolle eignen könnte, wenn Sie unterwegs sind und neue Menschen kennenlernen. Reflektions-Potentiale ergeben sich dabei oft auch aus dem täglichen Leben. Die Kassiererin im Supermarkt, zum Beispiel, macht vielleicht nebenbei eine zunächst unscheinbar klingende Bemerkung, die uns eventuell in weiterer Folge zu einer wichtigen Erkenntnis verhelfen kann. Wir müssen bloß jederzeit „ganz Ohr sein“, um diese Impulse auch aufzufangen!

Vollste Offenheit ist in Zwiegesprächen notwendig

Damit ein Zwiegespräch gelingen und auch nutzenbringend sein kann, ist von beiden Gesprächspartnern vollste Offenheit gefragt. Ist es nicht gerade für Führungskräfte sehr schwierig, diesen, sagen wir einmal, Mut zur Menschlichkeit aufzubringen, sozusagen alle Hüllen fallen zu lassen und sich mit ihren Sorgen und Problemen ihrem „Ganz-Ohr-Hasen“ völlig zu öffnen? Und führt diese neue Offenheit dann zu mehr Menschlichkeit in der Führung?

Das ist sogar sehr schwierig! Deswegen sind der geschützte Raum und das Vertrauen in einer Zwiegesprächssituation ja so wichtig. Dazu kommt aber noch: Wenn Sie als Führungskraft glaubwürdig bleiben wollen, können Sie nicht Leistungsbereitschaft und gleichzeitig auch Achtsamkeit, Respekt und Toleranz einfordern, ohne dies selbst zu leben.

In Ihrer Vorbildfunktion wird außerdem erwartet, dass Sie jederzeit bereit sind, Unmenschliches zu leisten und gleichzeitig trotzdem menschlich zu handeln. Das ist definitiv nicht einfach und kann zur wahren Zerreißprobe werden!

Die Gespräche mit Ihrem „Ganz-Ohr-Hasen“ bereitet Sie darauf vor, dass diese Übung gelingt. Denn Sie müssen sich zuallererst selbst reflektieren und Ihre Emotionen im Griff haben, bevor Sie sich auf Ihre Mitarbeiter verständnisvoll und wertschätzend einlassen können. Dazu gehört es auch, Ihre Mitarbeitenden ganzheitlich als Mensch wahrzunehmen und wertzuschätzen und diese nicht nur auf ihre Arbeitsleistungen zu reduzieren.

Der regelmäßige Austausch mit Ihrem ganz persönlichen „Ganz-Ohr-Hasen“ verschafft Ihnen in dieser Hinsicht wertvolle und mannigfaltige Möglichkeiten der Selbstreflektion. Je mehr Sie sich ihm öffnen, desto höher ist dann auch die Wahrscheinlichkeit der eigenen gedanklichen Neuordnung und der daraus resultierenden Offenheit und Menschlichkeit im humanen Führungsalltag.

In Zwiegesprächen wird alles besprochen

Das bedeutet aber auch, dass sich solche Zwiegespräche meist nicht nur um rein berufliche und unternehmerische Themen drehen, sondern dass auch viele private Belange besprochen werden, da ja nur ein holistischer Ansatz uns wirklich weiterbringen kann?

Absolut! Es kann bei einem echten und offenen Zwiegespräch nur um den holistischen Ansatz gehen. Eine gedankliche Trennung zwischen dem beruflichen und dem privaten Umfeld ist dabei vollkommen unmöglich, denn ein Mensch ist ja nie bloße Führungskraft, sondern ein menschliches Wesen in seiner Gesamtheit.

Ihr Reflektor aka „Ganz-Ohr-Hase“ beschäftigt sich daher nicht primär mit Ihrem Umfeld, sondern in erster Linie mit IHNEN selbst und dem, was Sie belastet, bewegt und inspiriert. In den Zwiegesprächen, die ich führe, bewegen wir uns immer wieder zwischen beruflichen und privaten Themen hin und her, den die einen bedingen die anderen. 

Die wichtigsten Punkte der Speguloreflexologie

Können Sie uns zum Abschluss zusammenfassend die fünf wichtigsten Attribute nennen, die die Speguloreflexologie für Führungskräfte, aber auch für alle anderen Menschen so wertvoll machen?

Die Speguloreflexologie ist universell einsetzbar, und, wenn man den Mechanismus erst einmal verstanden hat, sehr einfach umzusetzen. Es bedarf keines speziellen Studiums, außer dem des Lebens! Die erzielten Resultate sind gratis und doch unbeschreiblich wertvoll.

In einer Zeit des permanenten Wandels und der großen Unsicherheit wird es für Führungskräfte immer wichtiger, Klarheit zu finden und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Speguloreflexologie unterstützt sie durch regelmäßige Zwiegespräche in diesen Prozessen. 

Sehr viele Leser haben mir anvertraut, dass sie durch die Lektüre festgestellt haben, dass sie eigentlich bereits regelmäßig Zwiegespräche führen und ein paar verlässliche „Ganz-Ohr-Hasen“ in Ihrem Leben zum intensiven Austausch präsent haben. Es wird also von vielen Menschen scheinbar bereits intensiv „speguloreflektiert“, ohne sich dessen bewusst zu sein. Daher zum Abschluss die direkte Frage: Haben Sie eventuell auch schon einen „Ganz-Ohr-Hasen“?

Außerdem ist die Speguloreflexologie nicht nur für hochrangige Führungskräfte gedacht. Auch jeder Einzelunternehmer ist eine Führungskraft, so wie viele andere Menschen, die den Mumm haben, herauszutreten und Verantwortung zu übernehmen, in welcher Form und Konstellation auch immer.

Und bitte nicht vergessen: Es gibt „da draußen“ sehr viel mehr potentielle „Ganz-Ohr-Hasen“, als wir uns vorstellen. Sie können sich überall verstecken, aber es lohnt sich definitiv, sie zu identifizieren! Halten Sie also regelmäßig und neugierig Ausschau nach dieser hochinteressanten Spezies.

In diesem Sinne: Reden wir, jetzt! Dazu lade ich Sie ganz herzlich ein. Wenn Sie einen „Ganz-Ohr-Hasen“ an Ihrer Seite haben möchte, kommen Sie gerne auf mich zu.

Herr Glaesener, Vielen Dank für Ihre Ausführungen zu Zwiegesprächen. Das war eine wunderbare Ergänzung zum 1. Interview. Es war eine große Freude, mit Ihnen sprechen zu dürfen.

Das Interview mit Herrn Paul Glaesener führte die AGITANO Redaktion.

Lesen Sie gerne auch das 1. Interview zum Buch „Reden wir, jetzt!“ mit Paul Glaesener. Dieses wurde am 12. März 2024 veröffentlicht.

Über Paul Glaesener

Self-Made-Man, Geschäftsmann, Gründer, Künstler, Poet, Designer, Sammler, Musikliebhaber, Tontechniker, Bassist, Ex-Baustoffhändler, Ex-Kulturschaffender, Ex-Jazzclubbesitzer, Ex-Herausgeber eines Magazins, Privatier und Autor.

Er ist intensiv an Kunst und Kultur interessiert und versucht, in allem, was er tut, Mensch zu sein und zu bleiben, auf seinem Weg zu sich und zur Entdeckung dessen, was ihn im Innersten seines Kerns ausmacht. Als Begründer der „Speguloreflexologie“ ist er heute Gesprächspartner, Ideengeber, Visionär und vor allem achtsamer Zuhörer: „Ganz-Ohr-Hase“ wie er es augenzwinkernd nennt.

Paul Glaesener Profilfoto
Paul Glaesener (Bild: © Hans Tschida)

Der Vater von fünf Kindern lebt in Luxemburg, Österreich und im deutschen Voralpenland.

Mehr zu Paul Glaesener erfahren Sie auf seiner Website.

Über das Buch „Reden wir, jetzt!“

In einer Welt, die sich kontinuierlich verändert und mit Unsicherheiten konfrontiert ist, sehen sich Führungspersonen häufig vor die Herausforderung gestellt, Durchblick zu bewahren und adäquate Entscheidungen zu fassen. Ein weiteres Problem: Oft sind sie von einer selektiven Wahrnehmung ihres Umfelds umgeben, was zu einer Art Isolation an der Spitze führt.

Paul Glaesener adressiert diese Problematik und teilt mit seiner Leserschaft auf eine sehr persönliche Weise die Faszination und Effektivität des Dialogs auf gleicher Augenhöhe. Er spricht von der Bedeutung eines Dialogpartners, der als unabhängiger und kritischer Begleiter fungiert und durch direkte, wohlüberlegte Rückmeldungen zu einem unverzichtbaren „Spiegel“ wird.

Mit einem charmanten Zwinkern bezeichnet er diese Begleiter als „Ganz-Ohr-Hasen“, welche sich als Reflexionspartner in unterschiedlichen Diskussionsthemen anbieten. Glaesener führt den Begriff der Speguloreflexologie ein, der auf dieser tiefgehenden Kommunikationsform beruht.

In seinem Werk beschreibt er die Merkmale eines idealen „Ganz-Ohr-Hasen“, die Eigenschaften eines erfolgreichen Dialogs, die Bedeutung eines Reflexionsnetzwerks und die Vorzüge dieser Art der Kommunikation.

Buch "Reden wir, jetzt!" von Paul Glaesener
Buch „Reden wir, jetzt!“ von Paul Glaesener, erschienen im Goldegg Verlag

Das Buch motiviert Führungskräfte, sich Mut zur Offenheit und Menschlichkeit zu bewahren, ermuntert sie, Führungs- und Lebensfragen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, veranschaulicht, wie durch gezielte Dialoge Gedanken neu geordnet und Klarheit geschaffen werden kann, und unterstreicht die Bedeutung des bewussten Hörens und Sprechens auf eine praktische, verständliche, fundierte und sofort anwendbare Weise.

Das Buch „Reden wir, jetzt!“ können Sie bei Amazon kaufen.

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