Grundlage für die richtige Gesprächsführung als Coach
Coaches gehen bei ihrer Arbeit von folgenden Annahmen aus:
- Jeder Mensch hat Ressourcen: (Gesunde) Menschen haben alles, was sie brauchen, um ihre Probleme zu lösen.
- Der Coachee ist der Experte. Ein Coach unterstützt seine Coachees nur beim Lösen ihrer „Probleme“ – unter anderem mittels Fragen, die ihnen helfen, ihre eigenen Lösungen zu finden und zu realisieren.
Diese Grundannahmen prägen das Gesprächsverhalten eines Coaches. Es ist lösungsorientiert, und dies zeigt sich unter anderem in folgenden Punkten:
- Anerkennen des Problems. Ein „guter“ Coach erkennt das Problem des Coachees einfach an statt lange mit ihm darüber zu diskutieren. Denn für das Coaching-Geschehen ist primär interessant, was der Coachee in Zukunft möchte.
- Positiver Fokus. Das Handeln eines „guten“ Coaches ist auf die (Problem-)Lösung und eine Veränderung in die gewünschte Richtung fokussiert. Er führt den Coachee von der Problemfixierung weg hin zur Lösungssuche.
Herausforderung: Lösungsorientierung durchhalten
Der Grundansatz der Lösungsorientierung klingt einfach. In Coaching-Ausbildungen ist er jedoch der Teil, dessen Etablierung im Gesprächsverhalten der angehenden Coaches am längsten dauert. Denn im Alltag sind wir es gewohnt, anderen Menschen Tipps und Ratschläge zu geben. Für viele angehende Coaches ist es deshalb eine echte Herausforderung, die eigenen Lösungswege hintenan zu stellen.
Eine weitere Herausforderung ist, den positiven Fokus in der Gesprächsführung beizubehalten. Dies ist wichtig, denn Worte spiegeln nicht nur unser Denken wider, sie beeinflussen auch unser Denken – und das anderer Menschen. Deshalb sollten Coaches ihre Worte so wählen, dass sie die gewünschte Wirkung erzielen.
Haben Coaches die genannten Grundhaltungen verinnerlicht, dann ist das Gelingen des Coaching-Prozesses sehr wahrscheinlich. Trotzdem folgen hier noch einige Tipps, worauf Sie in den verschiedenen Phasen eines Coaching-Prozesses für die richtige Gesprächsführung als Coach achten sollten.
Phase 1: Orientierung und Auftragsklärung
In dieser Phase steht unausgesprochen die Frage des Coachees im Raum: „Bin ich hier richtig?“. Der Coachee möchte sich also vergewissern, dass der vor ihm sitzende Coach die richtige Person für seine Fragestellung ist, und dieses Gefühl gilt es ihm zu vermitteln – unter anderem durch eine kurze, aussagekräftige Vorstellung des Coachs. Legen Sie in ihr Ihre Qualifikationen und Erfahrungen dar, die Sie befähigen, das Coaching in die richtige Richtung zu lenken. Verlieren Sie sich dabei aber nicht in Details.
Zielführend ist es auch, den Coachee zu fragen: „Warum kontaktieren Sie gerade mich als Coach?“. Denn diese Frage liefert Ihnen unter anderem Infos über die Erwartungen des Coachees an Sie als Coach. Es macht einen großen Unterschied, ob ein Coachee auf diese Frage erwidert: „Sie wurden mir als jemand empfohlen,
- … der bei Bedarf auch mal eine Viertelstunde überzieht, ohne dies gleich berechnen“ oder
- … der aufgrund seiner Erfahrung als Führungskraft ein Experte für das Thema Mitarbeiterführung ist.“
Bereits in der Startphase eines Coachings sollte über die Klärung des Anliegens, Ziels und Auftrags Ihre lösungs- und ressourcenorientierte Arbeitsweise als Coach zum Ausdruck kommen, damit der Coachee sanft, aber bestimmt an diese Art der Arbeit herangeführt wird.
Phase 2: Situationsanalyse und Zielarbeit
Die Frage nach dem Anliegen ist die Frage nach den Themen, die den Coachee beschäftigen und an denen er arbeiten möchte.
Durch aktives Zuhören den Prozess steuern
Der Coachee sollte ausreichend Gelegenheit haben, sein Problem zu schildern. Dabei gilt es jedoch zu beachten: Zu lange, detaillierte Problemschilderungen versetzen Coachees oft in eine Problemtrance, aus der sie nur schwer wieder heraus kommen.
„Überschriften“ für die Coachee-Anliegen finden
Lassen Sie den Coachee zu jedem seiner Anliegen eine Überschrift formulieren. Das erleichtert es Ihnen beiden im weiteren Coachingprozess, jeweils das Thema auszuwählen, an dem in der Coachingsitzung gearbeitet wird.
Visualisierungen für die Gesprächsführung nutzen
Es ist hilfreich, die Überschriften oder Headlines zum Beispiel auf einem Flipchart zu notieren. Sie können zudem in den Coachingvertrag übernommen werden.
Die „verborgenen“ Anliegen herausarbeiten
Oft verbirgt sich hinter dem vom Coachee präsentierten Problem dessen eigentliches Problem. Dieses kann zum Beispiel mit der Frage „Was ist anders, wenn Sie dieses Problem gelöst haben?“ herausgearbeitet werden.
Das Coaching-Ziel klären
Nachdem vereinbart wurde, in welcher Reihenfolge die Anliegen bearbeitet werden, gilt es, realistische Ziele für das weitere Coaching zu entwickeln. Manchmal wird die Zielklärung vernachlässigt, weil davon ausgegangen wird: Die Ziele gehen aus dem Anliegen hervor. Dies ist ein Irrtum. Zwar verbindet jede Person, die sich coachen lässt, damit Ziele, doch diese sind oft vage als Wünsche oder Hoffnungen oder negativ als „Weg-vom-Problem“ formuliert.
Eine exakte Zielklärung ist wichtig, denn ein Ziel lässt sich eher erreichen, wenn es
- konkret formuliert ist,
- selbst herbeiführbar ist,
- terminiert angestrebt wird und
- in einer „Hin-zu-etwas-Begrifflichkeit“ beschrieben wird.
Solche Ziele können Coachees, die sich in einem Problemzustand befinden, oft nicht formulieren. Also müssen Sie sie als Coach hierbei unterstützen. Fragen zur Zielformulierung können sein:
- „Welches Ziel haben Sie denn in dieser Situation?“
- „Was möchten Sie (idealerweise) erreichen?“
Diese sollten mit Fragen nach Erfolgskriterien für die Zielerreichung verknüpft werden:
- „Woran würden Sie erkennen, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?“
- „Wer außer Ihnen würde es noch erkennen und woran?“
Den Auftrag klären
Sind die Ziele formuliert, geht es um die Frage, welche Wünsche und Erwartungen der Coachee hat, wie Sie ihn bei der Zielerreichung unterstützen. Das heißt, Sie klären den konkreten Auftrag an Sie ab. Dies geschieht in der Regel mit den einfachen Fragen:
- „Wie kann ich Sie bestmöglich unterstützen?“
- „Was kann oder soll ich tun, damit Sie Ihr Ziel erreichen?“
Phase 3: Interventionsphase
In der eigentlichen Interventionsphase werden die spezifischen Methoden der Veränderungsarbeit eingesetzt. Diese können aus systemischen Fragetechniken oder Aktionsmethoden bestehen. Grundsätzlich sollten Interventionen geplant sein und nicht als „Hüftschuss“ erfolgen. Es erfordert Erfahrung, Intuition sowie ein ausreichend großes Repertoire an Techniken, um als Coach die für das jeweilige Anliegen und die jeweilige Person passende Intervention auszuwählen.
Wenn Coaches die lösungsorientierte Gesprächsführung verinnerlicht haben, sind sie mental auch frei, um im Gespräch die körpersprachlichen Signale des Coachees wahrzunehmen und darauf angemessen zu reagieren. Einen erfahrenen Coach zeichnet es unter anderem aus, dass er die körpersprachlichen Veränderungen bei einem Coachee, die zum Beispiel Überlegungsprozesse begleiten, registriert und gegebenenfalls zurückmeldet. Hierfür ein Beispiel: Angenommen die Augen des Coachees füllen sich mit Tränen. Dann kann der Coach diese Wahrnehmung mit den Worten zurückmelden: „Ich sehe, dass Sie das gerade emotional stark beschäftigt!“. Angenommen nun der Coachee erwidert hierauf nichts. Dann kann der Coach nach einer Weile nachfragen „Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?“
Phase 4: Abschluss
Sobald die Maßnahmenbildung abgeschlossen ist, also die nächsten Schritte in Richtung Ziel definiert sind, neigt sich das Coaching (beziehungsweise die Coachingsitzung) dem Ende entgegen. Im einem gemeinsamen Rückblick sollten nun die Veränderungen und Ergebnisse zusammengefasst werden – zum Beispiel mit Fragen wie
- „Wo stehen Sie nun im Hinblick auf Ihre Ziele?“
- „Wo besteht noch weiterer Handlungsbedarf?“
Nun ist es auch an der Zeit, auf der Metaebene den Coachingprozess zu evaluieren:
- „Wie haben Sie das Coaching empfunden?“
- „Was war hilfreich?“
- „Was war schwierig?“
Der Coach erhält so ein Feedback und kann hieraus Schlussfolgerungen für seine künftige Arbeit ziehen. Und der Coachee? Er kann wieder in das „Hier und Jetzt“ zurückkehren und sich gedanklich von der Arbeit mit dem Coach verabschieden. Der direkte Coachingprozess ist nun vorbei: Auf der Ebene der Gedanken, Gefühle und Handlungen des Coachees wird er jedoch noch lange nachwirken.
Über die Autorin
Die Wirtschaftspsychologin Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien, das unter anderem Coaches ausbildet. Sie ist unter anderem Autorin des im Junfermann Verlag erschienen Buchs „Coaching in der Praxis: Tipps, Übungen und Methoden für unterschiedliche Coaching-Anlässe“.