Stephan Grabmeier – der Vorstandsflüsterer für die Digitale Transformation – über die Digitalisierung und ihre Herausforderungen
Schönen guten Tag Herr Grabmeier, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen. Sie sind Experte für Business Transformation und Innovation und einer der Vordenker im Umfeld New Work. Die Digitalisierung ist eines der großen Themen in der deutschen Wirtschaft. Was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen dabei?
Die größte Herausforderung ist die Komplexität zu meistern. Die Digitale Transformation hat sehr viele Facetten, wie zum Beispiel das technologische Upgrade von Wertschöpfungs- oder Produktionsprozessen, der Umgang mit neuen Smart Data und Smart Services, die neue Bewertung von Talent Management, die offene und transparente Nutzung von sozialen Medien, die Mehrgenerationen-Politik, neue Geschäftsmodelle und Wettbewerber, künstliche Intelligenz und Robotik, Wandel von Arbeitsplätzen, Diversity und gewollte Vielfalt, Future Work-Arbeitsplätze, user-zentrierte Technologie am Arbeitsplatz, agile und humanzentrierte Managementmethoden und vor allen Dingen der Wandel des Mindsets. Digitale Transformation ist in erster Linie soziale Transformation und damit radikaler Kulturwandel.
Wie verändert die Digitalisierung Unternehmen und somit auch den Arbeitsplatz der Zukunft?
Massiv! Die Arbeitswelt und somit der Arbeitsplatz der Zukunft wandeln sich in jeder erdenklichen Hinsicht. Die Veränderung wird vor allem in folgenden Schwerpunkten sichtbar:
- Die Architektur von Gebäuden und Arbeitsplätzen muss einer modernen Arbeitsplatztypologie einerseits und einer gesellschaftlichen Verantwortung andererseits dienen. Damit wird die beste technologische Basis für eine hohe soziale Interaktion und Dialog neben guten Umweltstandards sowie gesellschaftlichen Ansprüchen geschaffen.
- Bildung und Ausbildung müssen der Rationalisierung der Digitalisierung vorbeugen. Nicht der Wegfall von Arbeitsplätzen ist das Risiko, sondern die Ideenarmut in der Bildung und die Blindheit für neue Potenziale der Mitarbeiter durch die technische Rationalisierung.
- Tradierte Managementmethoden müssen modernen, agilen, human-zentrierten Methoden weichen. Dies bedingt einen radikalen Kulturwandel und in Teilen auch einen Wechsel der klassischen Babyboomer-Werte und -Haltungen.
- Die neue Form von Geschäftsmodellen erfordert flexible und „fließende“ Formen der Workforce – sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung. Unternehmen werden mehr und mehr zu fluiden Netzwerken mit Partnern, freien Mitarbeitern und anderen Unternehmen.
Wo stehen die Unternehmen heute in dieser Entwicklung?
Es gibt einige wenige, die diese Entwicklung effektiv für sich angenommen haben und damit bereits Erfolge feiern. Dazu zählen vor allem Unternehmen aus den Branchen, die der digitale Tornado schon früh erwischt hat, zum Beispiel Medien, Verlage, Musik oder Fernsehen. Gerade in diesen Zweigen gibt es schon seit Jahren tolle Beispiele gelungener Transformationen. Nicht zuletzt sind wir als Haufe eines der Best Practices für die Digitale Transformation. In den letzten 15 Jahren hat sich unser Portfolio von Printprodukten um über 60% in Digitale Geschäftsmodelle bei 6-fach höherem Umsatz gewandelt.
Sie begleiten eine Vielzahl an Transformationsprojekten im Umfeld der Digitalisierung und New Work in Unternehmen. Wie aktiv und offen gehen Führungskräfte und Mitarbeiter mit diesem Thema um?
Es wird langsam besser. Ich arbeite seit rund 18 Jahren an diesen Themen und merke, dass einige Vorreiter mutiger und vor allen Dingen konsequenter werden. An der Konsequenz scheitern die meisten Vorstände und Führungskräfte. Dies hängt mit der Angst der Unwissenheit und des Versagens zusammen, also die Angst vor Entmachtung sowie vor dem Verlust der Führungsrolle, Status, Geld und Ansehen. Führungskräfte aus der Generation der Babyboomer sind mit diesen Werten sozialisiert und tun teilweise einen Teufel, sich diametral zu ihren gewohnten Gepflogenheiten zu entwickeln.
Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden bei der Umsetzung von New Work-Ansätzen?
Die größte Hürde ist die Bereitschaft von Führungskräften und Mitarbeitern, die eigene Komfortzone zu verlassen, zu lernen, Dinge radikal in Frage zu stellen und – mit Ergebnisoffenheit – völlig neue Wege zu gehen. Es liegt nicht an der Technologie, sondern einzig und allein am Mindset und der Bereitschaft, den Kulturwandel zu leben. Sich an den Arbeitsplatz der Zukunft zu setzen, ist eine Aufgabe, die sich im Kopf abspielt.
Wo sollten Unternehmen bei New Work ansetzen, um hier eine gezielte Veränderung im eigenen Unternehmen zu erreichen?
An allem gleichzeitig. Das mag für manche verwirrend klingen, aber nur so erzielen Sie Wirkung. Die meisten Transformationen laufen falsch, weil sie zu eindimensional und nicht vernetzt gedacht werden. Digitale Transformation ist vielfältig und nicht einfältig. Daher muss ich die Dinge auch direkt mehrdimensional anpacken. Das spielt sich auf mindestens drei Ebenen ab:
- im Organisationsdesign
- in der Technologie
- am Verhalten.
Deswegen nenne ich das dreidimensionale Transformation. Denn nur dadurch erzeugen Sie vernetzte Wirkung.
Vielen Dank, Herr Grabmeier, für Ihre interessanten Ausführungen zum Thema Digitale Transformation und den Herausforderungen für Unternehmen. Im zweiten Interview geht es darum, wie der Arbeitsplatz der Zukunft für New Worker gestaltet werden kann und aussehen sollte.
Das Interview mit Stephan Grabmeier führte Oliver Foitzik, Herausgeber AGITANO und Geschäftsführer der FOMACO GmbH.
Machen Sie mit beim Voting zum Xing New Work Award! Wenn Sie Stephan Grabmeier Ihre Stimme geben wollen, können Sie dies hier machen. Sein Motto lautet: „Egal ob Start-up oder Traditionsunternehmen: Transformation ist immer.“
Über Stephan Grabmeier
Stephan Grabmeier ist Chief Innovation Evangelist und Mitglied der Geschäftsleitung der Haufe-umantis AG. Er verantwortet den Aufbau neuer Geschäftsfelder sowie den Wandel des Unternehmens von einer Software- zu einer Transformation Company. Grabmeier und seine Teams beraten Vorstände und Organisationen bei deren Digitalen Transformation und unterstützen sie dabei, schneller zu innovieren. Haufe gilt in Deutschland als Best Practice, die digitale Transformation bereits erfolgreich hinter sich gebracht haben – vom Fachverlag zum digitalen Lösungsanbieter. Seit über 18 Jahren transformiert Grabmeier Unternehmen, egal ob große Blue Chips oder innovative Start-Ups. Er wurde vielfach für seine Themen rund um Innovation und New Work ausgezeichnet, u.a. wurde er unter die „40 führenden Köpfen im Personalwesen“ in Deutschland gewählt.
Mehr zu Stephan Grabmeier erfahren Sie auf seinem Blog: www.stephangrabmeier.de.