„Fachkräfte muss man durch emotionale Bindung im Unternehmen halten“ – Josef Herzog im Interview

Josef Herzog redet nicht um den heißen Brei herum: Den demografischen Wandel als Erklärung für den Fachkräfte-Mangel heranzuziehen hält er zum einen für überstrapaziert, zum anderen für sinnlos: Schließlich ist diese Entwicklung keineswegs eine überraschende! Stattdessen rät er Firmen, in die langfristige emotionale Bindung der Fachkräfte und Mitarbeiter an das Unternehmen zu investieren. Nur so lassen sich Fachkräfte und ihr Know-how im Unternehmen halten. Große Defizite sieht er bislang auch in der Integration der Generation 50plus, die ebenfalls eine wichtige Ressource darstellt.

Auf der Zukunft Personal 2015 hält er am Dienstag, 15. September ab 15.10 Uhr einen Vortrag zum Thema „Herausforderung Demografie meistern: Mitarbeiter begeistern statt Humankapital verwalten“.

Hinweis der Redaktion: Für unsere AGITANO-Leser haben wir Freikarten. Hier können Sie sich diese „abholen“: Zukunft Personal – Größte Personalfachmesse in Europa – 15.-17.09.2015 (siehe Anmeldeformular am Ende des Beitrages).

 

„Fachkräfte fehlen vor allem in Dienstleistungs- und Ausbildungsberufen“

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Josef Herzog redet Klartext: Mit Firmenkunden und im Interview. (Bild: © Josef Herzog)

Hallo Herr Herzog. Der demografische Wandel wird gern als Erklärung für den Fachkräfte-Mangel und den „War for Talents“ herangezogen. Warum glauben Sie, dass das zu kurz gesprungen ist?

Im demografischen Wandel steckt doch kein Überraschungsmoment. Ich weiß seit über 53 Jahren auf den Tag genau, wann ich 65 werde – vielen anderen geht es ähnlich. Aber Spaß beiseite: Ich denke es geht vielen wie mir – das Thema ist überstrapaziert. Bei den Stichworten „Fachkräfte“ und „War for Talents“ denkt man an Raumfahrtingenieure und Mikrobiologen. Was aber ist mit dem Bäcker, Metzger, Schreiner, Mechatroniker und, und, und… . Was ich meine ist, dass unser Problem schon in der Schulzeit unserer Kinder entsteht. Ein Schulabschluss unterhalb des Abiturs wird von den meisten Eltern schon als Versagen angesehen. Wie steht es um den Status, das Ansehen eines Handwerkers? Wie steht es um die leistungsgerechte Bezahlung in vielen Dienstleistungsberufen?

Uns muss wieder mehr bewusst werden, dass 20 Architekten kein Haus bauen können. Fachkräfte fehlen uns vor allem im Bereich der Dienstleistung und in Ausbildungsberufen, die gemeinhin als wenig interessant und lukrativ gelten. Ganz nebenbei ist eventuell auch das Rechenmuster, nach dem der Fachkräfte-Bedarf bemessen wird, ohne Berücksichtigung von Prozessänderungen erstellt, bzw. mit der heißen Nadel gestrickt…

Überhaupt machen mir Entwicklungen bei der emotionalen Mitarbeiterbindung mehr sorgen. Kaum jemand sieht seinen Beruf noch als Berufung an! Wichtig ist die Identifikation der Mitarbeiter mit den Zielen des Unternehmens und der Führungskräfte. Hier liegt das eigentliche Problem, nicht im demografischen Wandel.

Nicht nur Employer Branding, auch Mitarbeiterbindung wird für Unternehmen immer wichtiger, wenn sie auf qualifziertes Personal zurückgreifen wollen und Fachkräfte im Unternehmen halten. Sind Incentives hier eine effektive Lösung?

Nur, wenn sie nicht nur regelmäßig auf ihre „Funktion“ hin überprüft, sondern auch regelmäßig kommuniziert werden. Die fehlende Kommunikation ist übrigens aus meiner Sicht der häufigste Grund dafür, dass – Sie nennen es Incentives, ich nenne es lieber Personalinstrumente – ihre Wirkung verfehlen. Daneben ist eine Verzahnung der Aktivitäten mindestens so wichtig wie die Erlebbarkeit. Versprechen in die Zukunft sind nicht out, zünden aber auch keinen emotionalen Turbo.

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Personalinstrumente müssen regelmäßig evaluiert werden, meint Josef Herzog. (Bild: © Josef Herzog)

Als Beispiel für die Notwendigkeit eines „Funktionstests“ nehme ich gerne meine geliebten 26,59 Euro – allen Personalverantwortlichen bestens bekannt als VWL. Dieser Betrag wird tapfer und monatlich noch heute sehr gerne in seiner Urform aus dem Gesetz von 1961 als „Incentive“ genutzt! Ich bin der Meinung: Eine Überprüfung, ob das heute noch sinnvoll ist und eine positive Wirkung erzielt, ist durchaus angebracht!

Personalinstrumente muss man individuell gestalten – wie auch die Unternehmen mit ihren verschiedenen Formen, Standorten und Anforderungen individuell sind. Hier ist auch die Politik gefragt: Sie muss dafür sorgen, dass diese Flexibilität gefördert wird und nicht nur Pauschallösungen am Muster von Großkonzernen möglich sind. Darin liegt meines Erachtens ein großes Problem auch beim sicher gut gemeinten Thema BGM.

Welche Rolle spielen ältere Arbeitnehmer und das Eingehen auf ihre besonderen Bedürfnisse bei diesen Entwicklungen?

Eine noch viel zu geringe – und das sage ich nicht, weil ich selbst zur Generation 50plus gehöre. Eine Flexibilisierung der letzten Jahre der Berufstätigkeit ist hier genauso wichtig, wie das rechtzeitige Kümmern um die Gesunderhaltung der Mitarbeiter. Der Chef und ich, wir sind künftig noch länger verheiratet – daran wird wohl niemand mehr zweifeln. Damit es aber eine gute Beziehung wird, sind Vorkehrungen zu treffen, die wir zur Zeit noch sehr halbherzig angehen.

Dabei muss man den Unternehmern besser klar machen, dass dazu Investitionen erforderlich sind, die aber einen hohen Return on Invest versprechen, weil die Erfahrung, die über längere Zeit an mehr Nachwuchs weitergegeben werden kann, sprichwörtlich unbezahlbar ist.

Sie haben einen Zusammenhang zwischen emotionaler Bindung an das Unternehmen und Produktivität identifiziert. Wie lässt sich diese emotionale Bindung aufbauen und stabilisieren?

In erster Linie über eine regelmäßige Kommunikation. Der Mitarbeiter muss wissen, wofür er sich jeden Tag engagiert, was für eine Rolle er spielt, welche Ziele das Unternehmen verfolgt. Er muss Freud und Leid mit dem Unternehmen sowie den Kolleginnen und Kollegen teilen. Natürlich muss sich das Unternehmen für seine Mitarbeiter interessieren. Regelmäßige Befragungen zur Zufriedenheit gehören hier ebenso dazu, wie das Reagieren auf veränderte Rahmenbedingungen. Die Kindererziehung teilen sich heute Mann und Frau, eine Altersversorgung ohne die Firma ist nicht realisierbar, eine Gesundheitsversorgung ohne private Ergänzung mangelhaft. Vorsorge und Fitness sind Grundvoraussetzungen für die längere Beziehung zwischen Chef und Arbeitnehmer.

Spürt der Arbeitnehmer, dass die Firma sich auf solche Veränderungen einstellt und vor allem sich stellt, wächst die Zufriedenheit, die emotionale Bindung. Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber aus seiner Firma eine Wellnessoase gestalten soll, sondern dass er die Produktivität über Zugehörigkeitsgefühl und Begeisterung wie Belohnung hoch hält bzw. steigert.

Was tut die Allianz in den Bereichen Employer Branding, BGM und Mitarbeiterbindung?

Das Haus Allianz beherrscht die aktuellen Systeme der Personalinstrumente aus meiner Sicht perfekt. Aber auch in unserem großen Konzern müssen wir uns immer wieder die Frage stellen, wie man zum Beispiel hochattraktive aber auch sehr aufwendige BGM-Maßnahmen gleichermaßen an allen Standorten und größenunabhängig attraktiv gestalten kann, ohne den erforderlichen Aufwand zu überziehen. Ein wichtiger Punkt, der das Thema BGM gerade in den KMU schwer umsetzbar macht.

Zu meinem wichtigen Thema der Kommunikation bieten wir eine Informationsplattform, die allen Arbeitnehmern alle Informationen rund um ihren persönlichen Arbeitsplatz vorstellt und zu jedem Thema Hilfestellung anbietet. Natürlich werden dort auch alle Personalinstrumente der Allianz dargestellt und der Zugang eröffnet. Darüber hinaus gehören klare Aussagen zu Unternehmenszielen ebenso zum Repertoire wie eine attraktive Altersversorgung und Unterstützung bei der Gesundheitsförderung oder die Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Lieber Herr Herzog, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und neue Erkenntnisse auf der Zukunft Personal!

Das Interview führte Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.

 

Hinweis der Redaktion

Die Zukunft Personal findet von 15. bis 17. September in der koelnmesse (Hallen 2.1, 2.2, 3.1 und 3.2) jeweils von 9 bis 17.30 Uhr statt. Auch unser AGITANO-Team ist vor Ort: Halle 2.1, Stand 34.B, bei FOMACO.

 

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Bild: © Josef Herzog

Über Josef Herzog

Josef Herzog ist seit 30 Jahren im Vertrieb unterwegs. Der 53-jährige Versicherungsfachwirt kennt also die Stärken, aber auch die Schwächen in der Beratung von Firmenkunden. Gerne auch in heftigen Diskussionen legt der Verfechter der stringenten Kommunikationspolitik den Finger in die Wunden von Personalverantwortlichen, indem er Sie auffordert, sich gegenüber Kostenverantwortlichen zu outen und überfällige Investitionen ins Personal einzufordern.

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