„Gehen Sie bei der Verhandlung immer vom Maximalziel aus“ – Kurt-Georg Scheible im Interview

Die Einstellung ist die eine Sache: Da sollte man von Anfang an Siegeswillen zeigen, hat uns Kurt-Georg Scheible in Teil eins seines Interviews vom Dienstag erklärt. Aber wenn die Verhandlung dann losgeht, dann stellen sich ganz konkrete Anforderungen, die man als Verhandler in der Praxis bewältigen muss.

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„Meine schwierigste Verhandlung war eine versuchte Erpressung“

Am Dienstag haben Sie uns erklärt, wie wichtig die mentale Einstellung vor der Verhandlung ist. Wenn es dann losgeht: Welche Phasen durchläuft eine Verhandlung?

Ich sehe neun Phasen einer Verhandlung, die kreisförmig im von mir entwickelten Verhandlungsgrid angeordnet sind und sich immer wieder wiederholen:

  1. Briefing

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    Diese Phasen durchläuft eine Verhandlung. (Bild: © Kurt-Georg Scheible / Klaus Scheible)

  2. Analyse
  3. Recherche
  4. Ziel und Strategie
  5. Training
  6. Coaching
  7. Simulation
  8. Verhandlung
  9. Nachbearbeitung

Wichtig ist, dass der Schwerpunkt von Verhandlung zu Verhandlung, von Gegner zu Gegner unterschiedlich gesetzt werden kann und muss. So gibt es Verhandlungen bei denen man (fast) ohne Training auskommt, man dafür aber mehr Coaching braucht. Auch das ist wie im Sport. Ein sehr guter Tennisspieler holt durch weiteres stumpfes Training oft nicht mehr so furchtbar viel heraus – ganz im Gegensatz durch ein wirkungsvolles Coaching speziell im Hinblick auf den nächsten Gegner.

Wie wichtig ist dabei die Vorbereitung und worauf kommt es dabei an?

Entscheidend ist die richtige Vorbereitung. Und da stelle ich fest, dass sich sehr viele Verhandler fast ausschließlich auf die Sache konzentrieren – und dabei ganz die Menschen, mit denen sie verhandeln, vergessen. Lassen Sie mich auch das am Beispiel eines Tennisspielers erklären, der nochmal genau sein ganzes Schlagrepertoire übt und sich kein einziges Match seines nächsten Gegners anschaut. Doch genau dadurch wird er die Eigenarten, Stärken und auch Schwachstellen seines Gegners erkennen.

Wie lege ich meine (Verhandlungs-)Ziele richtig und angemessen fest?

Gehen Sie immer vom Maximalziel aus. Also was ist grundsätzlich theoretisch erreichbar? Viele Verhandler bremsen sich bei den Zielen zu sehr selbst ein. Sie wollen sich nicht lächerlich machen, nicht unseriös wirken und sich nicht erklären müssen, wenn sie ihre Ziele nicht erreicht haben. Also bremsen sie sich durch zu viel Realitätssinn selbst ein. Hinzu kommt häufig eine extreme Vorwegnahme der schlimmsten Befürchtungen. Also werden Ziele runtergeschraubt und am Ende bleibt man hinter seinen Möglichkeiten. Also werden statt einer Preiserhöhung von sechs Prozent eben von Anfang an nur drei Prozent gefordert.

Das ist, als ob unser Tennisspieler zum Turnier fährt, mit dem Ziel, diesmal nur Vierter zu werden. Die Sportler, die ich kenne, wollen siegen und Erster werden – und zwar jedesmal.

Sie empfehlen die Simulation des Verhandlungsgesprächs im Vorfeld der Verhandlung. Was meinen Sie damit und was soll das bewirken?

Das ist ganz einfach. Wenn unser Tennisspieler seinen nächsten Gegner analysiert hat, dann sollte er zur Vorbereitung einige harte Spiele gegen einen Spieler mit ähnlichem Profil und Stärke führen. Wenn der nächste Gegner zum Beispiel Linkshänder ist, dann würde ich einige Spiele gegen einen Linkshänder führen. Wenn der nächste Gegner extrem groß ist und eine große Reichweite besitzt, dann lohnt es sich einen Sparringspartner mit ähnlicher Spannweite zu suchen.

Und so analysiere ich die zukünftigen Verhandlungsgegner mit meinen Klienten zusammen sehr genau, erstelle ein Profil der Gegner und sorge für eine extrem realistische Simulation – bis hin zum Aufbau des Verhandlungszimmers in externen Gebäuden – gerne auch an dem Ort, an dem die Verhandlung dann stattfinden wird, der Tisch- und Stuhlordnung, den Getränken und der Kleidung meiner Klienten, die sie am Tag der Verhandlung tragen werden.

Worauf kommt es bei der eigentlichen Verhandlung an?

Das wichtigste sind die richtige Einstellung und mentale Stärke. Auch das kann man lernen und trainieren. So lasse ich zum Beispiel Studierende meiner Vorlesungen bei einer speziellen Verhandlungsübung mindestens zehn „Nein“ einkassieren, und zwar von Ausstellern von Märkten, am besten sind da Weihnachtsmärkte. Das härtet ab und die Studierenden lernen, mit einem „Nein“ umzugehen. Bei einer anderen Aufgabe sollen sie handeln, wo klar ist, dass man nicht handeln kann, zum Beispiel im Supermarkt – oder so wie heute auf dem Cannstatter Wasen. Das Ziel ist, mit Ablehnung umgehen zu können.

Was ist der häufigste Fehler in einer Verhandlung?

Da fallen mir spontan zwei gravierende Fehler ein. Der erste ist, ohne Entscheidung in eine Verhandlung zu gehen – oder in der Verhandlung nicht bei der zuvor getroffenen Entscheidung zu bleiben.

Der zweite schwere und häufige Fehler ist zu schnell „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Damit ist die Verhandlung, zumindest für den Moment, beendet. Eine Wiederaufnahme der Verhandlung ist dann teuer, schwierig und häufig mit einem Gesichtsverlust verbunden.

Was war Ihre schwierigste Verhandlung und wie haben Sie diese erfolgreich gemeistert?

In meinem Leben gab es eine ganze Reihe schwieriger Verhandlungen, und nicht alle konnte ich erfolgreich abschließen.

Die wohl schwierigste Situation war jedoch, als ich in einer Verhandlung erkennen musste, dass es sich um gar keine Verhandlung handelt, sondern um eine versuchte Erpressung. Da hilft dann auch keine faire Verhandlungsführung mehr.

Was geben Sie Entscheidern mit auf den Weg, um Verhandlungen als Sieger zu verlassen?

Gute Entscheider verhandeln nicht selbst, sondern lassen verhandeln. Deshalb empfehlen wir dringend, Entscheidung und Verhandlung zu trennen, auch in der Person. Dann gibt es einen oder mehrere Verhandler und einen oder mehrere Entscheider – und die haben den Verhandlungstisch zu meiden.

Wenn das nicht geht, dann ist es absolut notwendig, dass sich der Mensch darüber im Klaren ist, welche Rolle er jetzt gerade innehat. Das bedeutet: Vor der Verhandlung ist er Entscheider, während der Verhandlung ist er nur und ausschließlich Verhandler und darf keinesfalls in der heißen Phase der Verhandlung irgendwelche Entscheidungen treffen. Auch das kann man lernen, zum Beispiel in unserem Training „Verhandeln oder Nicht-Verhandeln“ für Top-Entscheider.

Wohin wird sich die Verhandlungsführung entwickeln und was dürfen wir von Ihnen als nächstes erwarten?

In die Betriebe rücken junge, sehr gut ausgebildete und analytisch starke Verhandler nach. Die Hochschulen haben den Bedarf erkannt und bieten ihren Studierenden Vorlesungen wie Entscheidungsfindung, Verhandeln und Verkaufen an. Ich habe Lehraufträge an mehreren Hochschulen zu diesen Themen und diese Vorlesungen sind voll, häufig zur Verwunderung der Professoren.

Mit meinem Bruder fasse ich die neuesten Entwicklungen in unserem gemeinsamen Buch „Verhandeln. Wie David Goliath besiegt“, das im Dezember erscheint, zusammen.

Und im Frühjahr erscheint dann mein Buch „Ausgereizt. Wie wir uns gegenseitig die Butter vom Brot nehmen“ in dem ich auf die Auswirkungen des „Immer billiger“ und „Immer mehr“ eingehe.

Herr Scheible, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.

Das Interview mit Kurt-Georg Scheible führte Oliver Foitzik, Herausgeber AGITANO und HCC-Magazin und selbst Verleger.

 

Hinweis der Redaktion

Verhandeln Sie erfolgreicher! Nehmen Sie noch bis morgen, Freitag, 9. Oktober, an der Buchverlosung teil – wir verlosen drei Exemplare von Kurt-Georg Scheibles Buch „Verhandeln, um zu siegen“.

 

Über Kurt-Georg Scheible

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Kurt-Georg Scheible ist Unternehmer, Topmanager, Keynote Speaker, Berater, Coach, Dozent, Autor von Businessratgebern und Fachbeiträgen . (Bild: © Kurt-Georg Scheible)

Unternehmer, Topmanager, Keynote Speaker, Berater, Coach, Dozent, Autor von Businessratgebern und Fachbeiträgen sowie seine über 25-jährige Berufserfahrung machen Kurt-Georg Scheible zu dem Erfolgsverhandler. Über 24.000 Teilnehmer seiner rund 3.400 Vorträge, Seminare und Coachings, davon allein 411 Veranstaltungen in 2014, sind eindeutige Fakten, die seinen erfolgreichen Zuspruch untermauern. Hinzu kommen mehr als 100 Vorlesungen an Hochschulen und Business-Schools. Der international tätige Unternehmer-Berater bereiste 29 Länder. Er verantwortete 19 Firmenübergaben, -übernahmen und Unternehmensgründungen, hält derzeit Beteiligungen an zehn Unternehmen und ist Wagniskapitalgeber an 5 Start-Ups. Scheibles Büro ist in der Landeshauptstadt Stuttgart. Der 180 cm große und charismatische Verhandlungsprofi lebt unweit davon im Vorland der Schwäbischen Alb. Die Leidenschaft für Ökonomie prägt seine Profession. Kurt-Georg Scheibles Publikationen, Vorträge, Seminare und Interviews sind sachlich, aktuell, mal provokant und mit Humor. Ihm ist das „gute Gefühl“ aller Beteiligten wichtig.

 

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