Die wirtschaftliche Ungleichheit ist in Deutschland heute deutlich größer als Anfang der 1990er Jahre oder zur Jahrtausendwende. Laut Forschern des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) werden Atypische Beschäftigung, Kapitaleinkommen und weniger Ausgleich im Steuersystem die Einkommens-Ungleichheit weiter steigern. Dieser Umstand wird auch die Wirtschaft in Deutschland schwächen, so die Wissenschaftler.
Erhöhung der Mehrwertsteuer traf vor allem kleinere Einkommensgruppen
Angaben des IMK zufolge wuchs die Ungleichheit bei der Verteilung der bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1991 und 2010 um knapp 13 Prozent. Gründe dafür sind vor allem der langjährige Anstieg der atypischen Beschäftigung und höhere Kapitaleinkommen, die überwiegend Wohlhabenden zuflossen. Gleichzeitig sank die Ausgleichswirkung des Steuersystems, weil Steuersenkungen vor allem höhere Einkommen und Vermögen entlasteten. Hinzu kommt, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer Haushalte mit geringerem Einkommen überproportional betraf. Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt der jüngsten Zeit hat den Trend zu wachsender Ungleichheit aufgehalten, aber nicht umgekehrt.
Horn: Steigende Ungleichheit gefährdet gegenwärtige Stabilität
„Unsere Auswertung zeigt zweierlei“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. „Beschäftigungsaufbau und stärkere Lohnsteigerungen, wie wir sie in den letzten Jahren gesehen haben, wirken sich positiv auf die Einkommensverteilung aus. Aber das reicht nicht. Es ist noch eine Menge zu tun, um den langjährigen Negativtrend zu korrigieren.
Das wird nicht ohne mehr Ausgleich im Steuersystem und bessere Regeln auf dem Arbeitsmarkt gehen, um beispielsweise den Niedriglohnsektor einzudämmen. Solche Reformen nützen nicht nur den davon direkt betroffenen Arbeitnehmern. Die gegenwärtige Stabilität der deutschen Wirtschaft, der relativ kräftige private Konsum und die solide Einnahmesituation der Sozialkassen wären kaum denkbar, wenn die Ungleichheit weiter anstiege.“
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