Hallo Frau Ihm. Marke – das ist ein Begriff, den wir oft verwenden, von dem wir aber nur selten eine klare Vorstellung haben. Was macht für Sie eine Marke aus?
Marke ist das, was in den Köpfen und Herzen der Menschen entsteht. Es sind die Assoziationen und Emotionen, das Wissen, das Gehörte, Gelesene und Erlebte – also all das, was wir mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder einem Unternehmen verbinden.
Eine Marke muss Relevanz haben und ihrer Zielgruppe einen funktionalen und emotionalen Nutzen bieten. Dadurch hinterlässt sie ein unverwechselbares Image mit hoher Anziehungskraft. Die Marke wird so zu einem Werkzeug, um Vertrauen aufzubauen und Orientierung zu geben. Gleichzeitig schafft sie durch ihren Wiedererkennungswert entscheidende Wettbewerbsvorteile. Da Menschen Marken machen, sind es die Mitarbeiter, die eine Marke schlussendlich zum Leben erwecken und ihr ein Gesicht geben.
Mitarbeiter prägen den Ruf eines Unternehmens als Arbeitgeber. Seit dem Aufkommen von Social Media wird es immer schwieriger zu kontrollieren, was da alles kommuniziert wird. Müssen Unternehmen und Manager sich jetzt fürchten?
In einer digital vernetzten Welt ist jede Marke öffentlich und es sind immer mehr spontane Aktivitäten möglich. Die einseitige Kommunikation hat heute ausgedient. Markenführung geschieht in Echtzeit, denn gerade die sozialen Medien bieten viele Möglichkeiten, authentische Einblicke in die fachliche und menschliche Arbeitswelt zu geben.
Richtig ist, dass man Marken heute nicht mehr wie früher steuern, planen und kontrollieren kann. Daher wird es immer wichtiger, eine klare Markenidentität nach innen und nach außen zu sichern, denn es gilt für Marken wie für Menschen: Nur wer ein klares Bild von sich hat, kann ein klares Bild nach außen vermitteln.
Eine profilierte und konsistente Markenführung ist daher der Weg, sich erfolgreich in den Köpfen der Menschen zu verankern. Das Wichtigste bei der Umsetzung der Markenstrategie ist, das Markenversprechen und die Unternehmenswerte glaubwürdig und wiederholt an allen Markenkontaktpunkten zu erfüllen. Nur so gestalten sie ein ganzheitliches Markenerlebnis bei ihren Stakeholdern. Wenn Mitarbeiter sich als überzeugte Markenbotschafter engagieren sollen, ist es für Unternehmen Grundvoraussetzung, ihnen ein Umfeld zu bieten, auf das sie stolz sind, mit dem sie sich identifizieren und über das sie gerne berichten. Wenn solch eine Unternehmenskultur gelebt wird, gibt es keinen Grund für Unternehmer und Manager sich zu fürchten.
Wie schaffen es Unternehmen, dass Mitarbeiter sich in ihrem privaten Umfeld positiv über den Arbeitgeber äußern und so als Markenbotschafter agieren?
Die wichtigste Regel ist: innen vor außen. Die Markenidentität muss zunächst nach innen vermittelt werden, bevor sie authentisch nach außen wirken kann. Anderenfalls ist die Gefahr groß, dass das kommunizierte Nutzenversprechen sich nicht mit dem tatsächlichen Verhalten der Mitarbeiter deckt. Und Kunden registrieren auf Anhieb, ob Mitarbeiter mit ihrer Person die Marke vertreten oder nur auswendig gelernte Marketing-Floskeln wiedergeben. Diese Erfahrungen aus dem direkten Kontakt mit den Mitarbeitern prägen die Kaufbereitschaft und Kundenbindung. Gute und nachhaltige Kundenbeziehungen funktionieren also nur mit Mitarbeitern, die als aktive Botschafter für die Marke agieren. Deswegen ist es wichtig, dass die Mitarbeiter wissen, wofür sie im Unternehmenskontext stehen und wie sie die Marke nach außen transportieren sollen. Voraussetzung für ein Verhalten im Sinne der Unternehmensmarke ist zum einen intellektuelles Verständnis dafür, wie sich eine Marke zusammensetzt, auf welchen Ebenen und Kanälen sie wirkt, und zum anderen die emotionale Verbundenheit mit der Marke und ihren Werten.
Sollten Unternehmen dazu auch die Ausbildung interner Strukturen in Betracht ziehen? Wie könnten die aussehen?
Die Ausbildung interner Strukturen ist auf jeden Fall durchzuführen, denn Maßnahmen zur Implementierung der Marke gehören als Dauerthema auf die Unternehmensagenda! Einmaliger Aktionismus reicht nicht aus. Ich empfehle, individuell auf das Unternehmen angepasst, unterschiedliche Tools zur internen Markenverankerung einzusetzen. Hier sind Ideen keine Grenzen gesetzt. Das kann von der Willkommenstüte für neue Mitarbeiter über einen Markenvortrag in der Einführungsveranstaltung bis zum Markenbereich im Intranet oder der regelmäßigen Berichterstattung in der Mitarbeiterzeitung und bei Mitarbeiterveranstaltungen reichen. Als konkrete Maßnahme unterstützt zum Beispiel eine firmeninterne Markenakademie jeden Mitarbeiter dabei, die Marke kennenzulernen, in Bezug auf die eigene Aufgabe im Unternehmen zu verstehen und ihre Botschaft kognitiv und emotional zu verinnerlichen. Mitarbeiter erhalten hier die Chance zum Mitwirken. Eine Markenakademie ist für jedes Unternehmen sinnvoll, egal ob für Klein-, Mittel- oder Großbetriebe, und branchenunabhängig, denn qualifizierte und motivierte Mitarbeiter sind ein entscheidender Faktor für den Erfolg und die Reputation jedes Unternehmens. Diejenigen, die mehr zur Implementierung einer Markenakademie im Unternehmen wissen möchten, empfehle ich die Lektüre meines Autorenbeitrages „Die Markenakademie: Wie Mitarbeiter zu Botschaftern für das Arbeitgeberimage werden“. Der Beitrag ist im Sommer 2015 in der HAUFE-Publikation Employer Reputation. Das Konzept „Arbeitgebermarke“ neu denken erschienen. Interessierten Lesern und Leserinnen sende ich meinen Buchbeitrag gerne kostenfrei zu, wenn sie eine Anfrage an ihm@ihmotion.de senden.
Worin besteht der Vorteil für Unternehmen, wenn einzelne Mitarbeiter als Markenbotschafter agieren? Schließlich könnten sie ja auch einfach ihre Marketing-Abteilung dafür nutzen.
Mitteilungen von Mitarbeitern wird grundsätzlich eine höhere Glaubwürdigkeit und Authentizität zugeschrieben als Unternehmensmeldungen, die aus der Marketing-Abteilung kommen. Was bringt es, wenn über das Unternehmenserscheinungsbild und die Unternehmenskommunikation ein attraktives Markenversprechen formuliert wird und dieses nicht jeden Tag aufs Neue durch die Mitarbeiter eingelöst wird? Deshalb ist es wichtig, den Mitarbeitern zu vermitteln, wie ihr Verhalten zur Markenbildung beiträgt. Denn insbesondere bei Unternehmensmarken ist der Mitarbeiter der wichtigste Kanal, über den das Unternehmen mit seinen Kunden kommuniziert. Besonders im B2B-Bereich wird ein reales Erleben der Marke erst in der Interaktion mit den Mitarbeitern möglich. Nur wenn die Mitarbeiter wissen, wonach sie ihr Handeln ausrichten können, sind sie in der Lage, das Versprechen der Marke nach außen einzulösen. Unternehmen sollten sich jederzeit bewusst sein, dass sämtliche Aktivitäten das Bild nach Außen prägen. Die Markenidentität eines Unternehmens manifestiert sich auf allen Kommunikationsebenen und an allen Kontaktpunkten. Das macht das Markenthema so komplex. Der einheitliche Markenauftritt ist nicht allein Ergebnis von Maßnahmen der Marketing-Abteilung, sondern vielmehr Folge einer konsequenten Haltung im Unternehmen. Starke Marken brauchen starke Menschen: Mitarbeiter, die Verantwortung übernehmen und unternehmerisch denken. Durch eine klar formulierte Unternehmensstrategie und Vision als Leitstern können Mitarbeiter aktiviert werden. Nach der Strategie ist die wichtigste Aufgabe der Führung, eine Vertrauenskultur im Unternehmen zu schaffen: Das heißt, selbst vorleben, zuhören und verstehen, Wissen teilen, inspirieren und Freiräume gewähren. Regelmäßig informierte Mitarbeiter identifizieren sich stärker mit ihrem Arbeitgeber, sind motivierter, loyaler, leistungsbereiter, fehlen seltener und tragen vor allem ein positives Bild nach außen – aus echter Überzeugung! Sie bringen eine höhere Leistung und realisieren somit eine höhere Qualität in kürzerer Zeit. Kosteneffizienz und Produktivitätssteigerung sind damit gesichert.
Wie können Klein- und Kleinstunternehmer diese Tipps für sich nutzen?
Auch für Klein- und Kleinstunternehmer gilt: Sorge für ein positives Erlebnis, wenn Menschen in Kontakt mit deinem Unternehmen, deinen Produkten und Dienstleistungen und vor allem deinen Mitarbeitern treten. Jede positive Erfahrung zahlt auf das Markenkonto ein. Wenn Mitarbeiter die Markenbotschaft kennen, verstehen und nach außen leben ist, bietet dies die Chance für Unternehmen, sich am Markt zu profilieren und vom Wettbewerb zu differenzieren. Unabhängig von der Firmengröße ist festzuhalten, dass die Relevanz der Mitarbeiter als Markenbotschafter insbesondere für Unternehmen sehr hoch ist, die erklärungsbedürftige Produkte und/oder Leistungen mit einem hohen Grad an Service anbieten. Mit zunehmendem Dienstleistungsanteil, höherem Involvement von Kunden und Investitionsrisiko, sowie zunehmender Komplexität der Leistung eines Unternehmens steigt die Bedeutung der Mitarbeiter als Markenbotschafter. Es lohnt sich also, Menschen als Schlüssel zur Marke zu verstehen. Nur eine „gelebte Marke“ ist eine „starke Marke“, und starke Marken entstehen in der Praxis, indem sie über lange Zeit konsequent entwickelt und vor allem von den Mitarbeitern verstanden und wirklich gelebt werden.
Frau Ihm, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.
Das Interview führte Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.
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Über Isabel Ihm:
Beratung · Coaching · Training für Marken & Persönlichkeiten. Isabel Ihm ist Inhaberin von ihmotion und Expertin für Markenidentität. Unternehmen und Menschen im Business profitieren von ihrer 20-jährigen Erfahrung in der Positionierung und Kommunikation von Marken.
Sie ist langjährig erfahrene Führungskraft, Autorin, zertifizierte Business-Trainerin und Business-Coach, NLP-Lehrtrainerin (DVNLP) sowie wingwave®-Coach. Mehr über Isabel Ihm im Internet. Zum Beispiel auf: www.ihmotion.de