Mittelmaß: Durchschnittlich glücklich

Oder: Wie unsere Normalität uns zufrieden durchs Leben gehen lässt

Mittelmaß – das ist kaum noch akzeptabel. In allen Bereichen des Lebens, privat und beruflich, sollen wir immer top und spitze sein. Aber: Das überfordert auch den Leistungsfähigsten unter uns auf die Dauer. Warum es uns oft glücklich und auf jeden Fall gelassener machen kann, wenn wir akzeptieren, dass wir „nur“ Mittelmaß sind, zeigt Nicola Fritze in ihrem heutigen Beitrag zur zweiwöchig erscheindenden Themenserie „Anders denken“.

Überall spitze

Wir leben in erstaunlichen Zeiten. Überall sollen wir spitze sein. Top motiviert im Job, immer leistungsbereit und flexibel. Im Privatleben die perfekten Eltern, eine ausgeglichene Partnerschaft und dazu noch der große Freundeskreis. Den Körper vergessen wir auch nicht, kochen selbst und machen mehrmals die Woche Sport. Ach, und dann kümmern wir uns noch um die alten Eltern, und manchmal besuchen wir den greisen Nachbarn nebenan. Ehrenamt auch, klar. Und bei all dem: topfit, gut gelaunt, und natürlich ausgeglichen. Mittelmaß hat keinen Platz.

Hmmm… merken Sie was? Das passt ja noch nicht mal in zwei Leben, geschweige denn in eins. Wir haben unsere Ansprüche an das Leben so weit in die Höhe geschraubt, dass auch viel nicht mehr genug ist. Da ist das schlechte Gewissen beinahe vorprogrammiert: Wer faul ist, denkt an den Sport, den er nicht treibt. Wer abends noch am Schreibtisch sitzt, macht sich Vorwürfe, weil er nicht zuhause ist. Wer allein mit dem Partner Zeit verbringt, fragt sich, wann die Freunde dran sind. Und im Ehrenamt kommt die Frage auf: Wo bleibe ICH eigentlich im Ganzen?!

Gesundes Mittelmaß statt unerreichbares Ideal

Tatsächlich beobachte ich häufig: Wir jagen einem Ideal hinterher, das keiner von uns einhalten kann. Wir messen uns an einem Maß, das niemand dauerhaft erreicht. Das ist gefährlich. Denn es macht unglücklich. Am Schluss sind wir eben nicht alle spitze, sondern wir sind in der Regel: Mittelmaß, Durchschnitt. Also Menschen, die manchmal gar nichts leisten wollen. Menschen, die manchmal unmotiviert und schlecht gelaunt sind. Menschen, die nach einem langen Arbeitstag keinen Halbmarathon mehr laufen wollen. Menschen, die für die Arbeit nicht alle Energie aufwenden wollen. Menschen also, die an mancher Stelle schlicht und ergreifend überfordert sind. Oder einfach mal sagen: Jetzt ist es mal gut.

Und genau diese Fähigkeit ist es, die Sie im Alltag brauchen. Mal fünfe gerade sein lassen. Merken, wenn es reicht. Mal Mittelmaß akzeptiern. Und zwar nicht gemessen am Ideal, sondern ausgehend von Ihrem Gefühl für sich selbst. Niemand weiß besser, was Sie brauchen als Ihr Bauch, Ihr Herz und Ihr Kopf. Ihre Intuition sagt Ihnen sehr genau, wann es reicht. Dazu müssen Sie aber hinhören. Und zwar genau. Denn unser gesellschaftliches Gespräch über Lebensglück, Entfaltung und Erfüllung übertönt das leise Flüstern Ihrer Intuition, wenn Sie nicht aufpassen.

Gelassen mit sich selbst und anderen umgehen

Das Finden des guten Maßes für sich selbst – das ist nicht nur mit Blick auf das eigene Leben wichtig. Es ist auch grundlegend, um fair und menschlich mit anderen umgehen zu können. Wir sollten von uns selbst nicht erwarten, immer strahlende Helden und perfekte Vorbilder sein zu müssen. Genauso wenig darf diese Erwartung unsere Mitmenschen unter Druck setzen: Unsere Familie, unsere Mitarbeiter und Kollegen. Am Schluss sind wir einfach alle nur Menschen. Also voller Fehler und Schwächen, in manchen Bereichen zwar spitze, in anderen aber nur Mittelmaß – oder darunter.

Umso wichtiger ist es, dass wir gut und liebevoll miteinander umgehen. Denn es sind diese kleinen Makel, die uns liebenswert und eigen machen. Wir wachsen als Menschen, wenn wir unsere eigenen Ängste und schlechten Angewohnheiten überwinden. Wir zeigen Größe, wo wir uns trotz aller Widerstände verändern. Wo wir menschlich bleiben, obwohl unsere Umwelt unmenschliche Leistung von uns erwartet.

Wenn wir uns als Durchschnitt akzeptieren, können wir uns selbst lieben, wie wir sind. Und unsere Mitmenschen gleich mit. Denn die sind auch nur normal. Sprich: Seien Sie Mittelmaß! Wir alle sind völlig in Ordnung, wenn wir einfach durchschnittlich sind. Wir müssen nicht erstklassig, super oder spitze sein. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir auch eher Liebe für die Teile unseres Lebens entwickeln, die „nur“ Mittelmaß sind. Unaufregend, vielleicht sogar ein wenig langweilig und manchmal traurig oder belastend. Diese Teile gehören dazu, sind genau so Teil unseres Selbst wie die Momente, in denen das Leben spannend, strahlend und herausragend ist.

Nicola Fritze / Motivation / Stress / Alltag, Egoismus, Aufschieberitis
Deutschlands Motivationsfrau und SHEnote-Speaker (© Bild: Nicola Fritze).

Ihre
Nicola Fritze

Über Nicola Fritze

Seit 2001 ist Nicola Fritze vielgefragte Rednerin und Trainerin zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung und Motivation. Ihre erfolgreichen Audio-Podcasts „Abenteuer Motivation“ und „Fritze-Blitz“ inspirieren seit 2006 regelmäßig über 30.000 Abonnenten. Sie gehören zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Hörsendungen zum Thema Persönlichkeitsentwicklung. Im Februar 2013 erschien ihr neues Buch „Motivier Dich selbst – sonst macht’s ja keiner!“ (SüdWest, 16,99 €). Darin zeigt Nicola Fritze 50 praxisnahe und effektive Methoden auf, wie Lebensfreude und Motivation langfristig zu steigern sind. Weitere Informationen sowie ihre beiden erfolgreichen Hörsendungen finden Sie auf www.nicolafritze.de.

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