In „Keynote-Speaker: Traum versus Realität“ wurde auf die unterschiedlichen Speaker-Typen, ihre jeweiligen Motive und Chancen auf dem Markt näher eingegangen. In „Keynote-Speaker brauchen einen langen Atem“ geht es um die Fähigkeiten, die ein Vortragsredner braucht, um den heiß begehrten „ein Experte für …“-Status zu erlangen. Im finalen, dritten Teil der Miniserie zum Thema „Keynote-Speaker werden, aber wie?“ wird die Frage beantwortet, warum Speaker beziehungsweise jene, die es werden wollen, für viele PR-Agenturen und ähnliche Dienstleister eine so lukrative Zielgruppe darstellen.
Mit Sprach-Rülpsern zu neuen Aufträgen?
Fragwürdig ist es, wenn der bereits in Teil 2 erwähnte und selbst ernannte Grande in der Speaker-Zunft verkündet: „Angehende Speaker sollten auf ihren Webseiten keineswegs mit seriösen Referenzen und langen Dankesschreiben für sich werben, sondern ausschließlich mit Exklamationen wie »spitze«, »Wow!« oder »super«“.
Mit solchen Sprach-Rülpsern kann man vielleicht erreichen, dass man mal auf einem Kreuzfahrtschiff einen Animations-Vortrag vor gelangweilten Touristen halten darf oder im Rahmen der Vortragsreihe einer regionalen Tageszeitung, die verzweifelt nach neuen Einnahmequellen sucht, mal auf der Bühne zu „Lieschen Müller und ihren Freunden“ sprechen darf. Doch die „üblichen 5.000 bis 6.000 Euro pro Auftritt“ erhält ein Redner hierfür nicht. Und der Industrie- oder Wirtschaftsverband, der sich durch solche sprachlichen Rülpser auf der Webseite eines Redners dazu motivieren ließe, diesen zu engagieren, der muss noch gegründet werden.
Möchte-gern-Speaker sind eine lukrative Zielgruppe
Trotzdem träumen viele Berater und Trainer den Traum „Ich möchte ein Top-Keynote-Speaker werden“ weiter. Und wenn man Menschen auf ihrer Wunschebene packt, dann kann man ihnen fast alles verkaufen. Das weiß jeder Verkäufer. Entsprechend viele Dienstleister versuchen inzwischen Trainer und Berater mit dem Tagtraum „Speaker werden“ als Kunden zu gewinnen, beispielweise mit Werbetexten wie: „In Deutschland teilen sich über 300.000 Trainer, Berater und Coaches den Markt. Mit individueller und intensiver Arbeit erzielen Berater laut BDU einen durchschnittlichen Tagessatz von 1.109 Euro, Coaches laut Coachingreport 1.245 Euro und Trainer 1.470 Euro … . Dem stehen wenige Experten gegenüber, die weniger arbeiten und dabei ein Einkommen zwischen 200.000 Euro und 1,5 Millionen Euro realisieren … . Erfahren Sie, wie Sie diese scheinbar widersprüchlichen Ziele erreichen, …“ Mit diesen Worten bewirbt der bereits erwähnte Grande der Speaker-Szene seinen „Top-Speaker-Day“ für Möchte-gern-Speaker.
Offeriert werden den Noch-nicht-Speakern neben allen möglichen Ausbildungen, Coachings und Zertifizierungen auch solche Leistungen wie bezahlte Einträge in irgendwelche Redner-Lexika, Top-Speaker-Kataloge und ähnliche „unverzichtbare Nachschlagewerke für Unternehmer, Geschäftsführer und Entscheider“. Diese Werke sind so unverzichtbar, dass man sie meist nicht einmal bei Amazon beziehen kann. Und wenn doch? Dann liegt ihr Verkaufsrang bei zirka einer Million. So gering ist die Nachfrage nach ihnen. Trotzdem werden vermutlich auch die nächsten Ausgaben dieser Lexika und Kataloge mit bezahlten Portraits von Möchte-gern-Rednern prall gefüllt sein – denn bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.
Träumen ja, doch nicht die Bodenhaftung verlieren
Dies soll kein Plädoyer dagegen sein, sich auf die Reise zum „Speaker sein“ zu begeben. Nein! Wer sich hierzu berufen fühlt, kann sich durchaus auf den Weg machen. Klar sollte aber allen Beratern, Trainern und Coaches, die sich hierfür entscheiden, sein: Die Reise zum Ziel „Speaker sein und davon gut leben können“ ist eine sehr, sehr lange und weite. Außerdem sollte ihnen bewusst sein: Selbst wenn sie das Ziel erreichen, werden sie vermutlich maximal sechs bis acht Mal pro Jahr ein Honorar von 5.000 Euro und mehr erzielen. Meist wird ihr Honorar deutlich niedriger sein. Und vermutlich müssen sie weiterhin einen großen Teil ihres Lebensunterhalts mit Trainings, Beratungen und Coachings verdienen. Aber was ist eigentlich so schlimm daran? Gerade in der Beraterbranche führte die Digitalisierung zu steigenden Umsätzen.
Jede andere Perspektive ist bei – sagen wir einmal – 98 Prozent der Trainer und Berater, die gern Speaker wären, unrealistisch; nicht weil sie schlechte Redner wären, sondern weil sie nicht die passenden Biografien haben – ganz egal, wie gute „Storyteller“ sie sind, das heißt, mit wie viel Prosa sie ihren Lebenslauf schmücken.
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Über Bernhard Kuntz:
Bernhard Kuntz ist Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Trainer, Berater und Coaches bei der Vermarktung ihrer Person und Organisation unterstützt. Er ist unter anderem Autor der Marketing- und PR-Ratgeber „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ sowie „Warum kennt den jeder?“.