Mythos Work-Life-Balance… aus der Themenserie „BurnOn – So funktioniert Brennen statt Ausbrennen“

… aus der wöchentlichen Themenserie „BurnOn – Die neue Management-Denke – So funktioniert Brennen statt Ausbrennen“ von Dr. Christiane Nill-Theobald. Heute, Teil 2: Mythos Work-Life-Balance

Work-Life-Balance. Allein das Wort klingt nach mehr. Der Begriff der „Balance“ impliziert das Bild der Waage, wobei es gilt, die Lebenssphären Arbeit und Privatleben ausgeglichen, beziehungsweise ausbalanciert zu halten. Die Gegenüberstellung von Work und Life erscheint allerdings problematisch. Denn dadurch wird suggeriert, „dass (Berufs-)Arbeit („work“) etwas anderes sei und abseits passiere vom Leben („life“). Anders ausgedrückt: das eigentliche Leben, in dem Personen Sinnerfüllung, Freude und Selbstverwirklichung suchen, würde nur außerhalb der (Erwerbs-)Arbeit stattfinden. Und bei der Zahl an Seminaren, Ratgebern und Workshops zu dem Begriff kann schnell der Eindruck entstehen, es handle sich dabei um ein großes und komplexes Themengebiet. Doch der Begriff ist irreführend und falsch, denn ihm liegt ein überholtes Verständnis von Arbeit zu Grunde.

Konfuzius hat in einem seiner bekannten Zitate die wünschenswerte Haltung wunderbar auf den Punkt gebracht “Wenn du liebst, was du tust, wirst du nie wieder arbeiten”. Kurz gesagt: Work-Life-Balance gibt es gar nicht, sie ist ein Mythos.

Die Schöne und das Biest

Der Begriff der Work-Life-Balance polarisiert wie im Märchen: die Schöne (Privatleben) und das Biest (Arbeit). Und selbstverständlich ist Arbeit immer der negative Gegenpol zu einem positiv besetzten Privatleben. Und wenn dann zu viel Arbeit existiert, nimmt das Biest überhand, oder wie ist das zu verstehen? Doch das ist schlicht und ergreifend falsch. Was machen wir denn mit den fröhlichen Vielarbeitern? Und was mit den Menschen, deren Privatleben geradezu einem „Kriegsschauplatz“ gleicht? Soll es ja geben.

Viel problematischer ist jedoch das überholte Verständnis von Arbeit. Wir arbeiten doch nicht mehr auf die Rente hin! Die neue Generation „Y“ fordert – anders als meine Generation – von vornherein bei den Einstellungsgesprächen Freizeit, die Möglichkeit von Sabbaticals und überhaupt versteht es sich von selbst, dass man den Feierabend (der ab 18 Uhr beginnt) mit dem Partner/der Partnerin verbringt.

Ein Gegenpol wozu?

Dreh- und Angelpunkt ist doch vielmehr, wie wir auf Dinge blicken: Wenn wir generell „Arbeit“ als Belastung empfinden, brauchen wir natürlich einen Gegenpol. Aber genau das ist die falsche Herangehensweise, denn Arbeit kann Erfüllung sein, mit Leidenschaft ausgeführt werden und sehr hohe Zufriedenheit bringen. Wie sonst kann es sein, dass Arbeitslosigkeit massive negative Effekte auf die Gesundheit von Menschen hat? Wenn Arbeit wirklich so schlecht wäre, müssten diese Menschen doch vor Gesundheit nur so strotzen, oder?

Und überhaupt schon der Begriff – schauen wir uns diesen mal genauer an: Balance heißt, etwas auszugleichen. Viel besser ist doch aber der Gedanke zu harmonisieren. „Balancieren“ ist Arbeit – ich denke da nur an meine „Schwebebalken-Karriere“ im Grundschulalter – „nicht-die-balance-halten-können“ war schwierig und schmerzhaft. Arbeits- und Lebensziele müssen harmonisiert werden. Wir müssen versuchen, auf eine Art und Weise zu leben und zu arbeiten, die mehr Ganzheitlichkeit mit sich bringt. Und wir müssen lernen, was wir fürchten und was uns das Gefühl gibt, überfordert zu sein. Wir brauchen einen Job, der sich im Einklang mit uns als Person befindet.

Erkennen der Realität einer Situation

Außerdem überzeugen mich die weit verbreiteten Ansätze zur Work-Life-Balance nicht. All die Diskussionen über flexible Arbeitszeiten oder lockere Freitage oder Elternzeit dienen nur dazu, dass Kernthema zu verdecken. In Wirklichkeit haben wir gar keine Eigenverantwortung. Es handelt sich lediglich um eine zivilisierte Form von Kontrolle. Außerdem sind bestimmte Arbeits- und Karrieremöglichkeiten grundsätzlich unvereinbar mit einem lebendigen Familienleben mit Kindern. Nun besteht der erste Schritt zur Lösung eines Problems darin, die Realität der Situation anzuerkennen, in der man sich befindet. Und die Realität der Gesellschaft, in der wir leben, ist die, dass es Tausende und Abertausende von Menschen da draußen gibt, die lange, harte Stunden in verhassten Jobs arbeiten, um Dinge kaufen können, die sie nicht brauchen, um Menschen zu beeindrucken, die sie nicht mögen.

Wir sind selber verantwortlich

Auch sollten wir uns der Wahrheit stellen, dass nicht Regierungen und Unternehmen das Problem für uns lösen werden. Unsere Bundesarbeitsministerin, Ursula von der Leyen, will sich für geschützte Ruhezeiten im Unternehmen stark machen. Unternehmen sollen klare Regeln dazu haben, wann Beschäftigte erreichbar sein sollen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert sogar, dass man das Arbeitsschutzgesetz durch eine Anti-Stress-Verordnung ergänzen soll. Hand aufs Herz: Macht das Sinn? Soll man bei etwaigen Verstößen klagen? Herzlich Willkommen in der Stressspirale…

Aber kommen wir zum Punkt: Wenn Sie Freude und Zufriedenheit durch Ihre Arbeit erleben, benötigen Sie keine Work-Life-Balance. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich braucht es ein Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung. Ohne dieses Gleichgewicht werden Sie auch in Ihrem absoluten Traumjob irgendwann in die Überlastung – und vielleicht den BurnOut – kommen, keine Frage. Doch dieses Gleichgewicht ist nie statisch sondern immer im Fluss.

Und hier kommt wieder Konfuzius ins Spiel “Wenn Du liebst, was Du tust, wirst Du nie wieder arbeiten”. Bleibt deshalb die Frage: Lieben Sie, was Sie tun?

Bis zum nächsten Mal,

Ihre Christiane-Nill Theobald

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Über Dr. Christiane Nill-Theobald:

Dr. Christiane Nill-Theobald ist Speaker, Management-Beraterin und Führungskräftecoach. Die promovierte Juristin weist eine erfolgreiche langjährige Karriere in der freien Wirtschaft auf. In leitender Funktion baute sie verschiedene Institutionen auf. Unter anderem war sie Verlagsleiterin eines Medienunternehmens der Energiewirtschaft und Partner und Mitglied der Geschäftsleitung einer energiewirtschaftlichen Unternehmensberatung. 2008 gründete sie das Beratungsunternehmen TheobaldConsulting. Darauf erfolgte die Ausbildung zum zertifizierten Business Coach. Heute coacht die Managementexpertin hochrangige Führungskräfte. Als Professional Speaker bringt Sie in fundierten, mitreißenden Vorträgen ihrem Publikum das Thema „BurnOn“ nahe. Sie ist Verfasserin zahlreicher Fachpublikationen sowie Herausgeberin einschlägiger Schriftenreihen. Dr. Christiane Nill-Theobald ist Mitglied der German Speakers Association e.V. (GSA) und des Deutschen Fachjournalistenverbandes e.V. (DFJV). Mehr unter www.nill-theobald.de

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Die weiteren Beiträge der Themenserie:

Teil 1: BurnOn-Management statt BurnOut-Prävention

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