Unternehmensumbrüche planvoll lenken – Susanne Grätsch im Interview
Frau Grätsch, Sie werden meist gerufen, wenn es in einem Unternehmen schwierig wird. Suchen sich die Firmen in der Regel rechtzeitig Hilfe oder müssen Sie gelegentlich Feuerwehr spielen?
Hier gibt es unterschiedliche Herangehensweisen von Unternehmen. Es gibt die, die regelmäßig innehalten und sich fragen, was sie zur Steigerung ihres Erfolges oder der Beibehaltung/Verbesserung einer motivierenden, attraktiven Unternehmenskultur tun können. Das sind meist die Firmen, die schneller und stabiler wachsen. Dann gibt es die, die viel zu spät merken, dass sie wichtige Themen lange aus dem Fokus verloren haben. Es fällt ihnen auf, weil ihnen die Kunden oder die Mitarbeiter weglaufen oder weil die Margen ausbleiben. In diesen Fällen sollen wir oft mit ganz wenig Mitteln Großes leisten.
Wie wichtig ist ein externer Blick auf Unternehmensstrukturen und die Unternehmenskultur? Haben Sie viele Kunden, die Sie in regelmäßigen Abständen begleiten?
Da wir als Beratungsunternehmen sehr viele unterschiedliche Organisationen kennen und viel Erfahrung darin haben, Situationen zu beurteilen, erkennen wir schneller die Handlungsfelder, die ein Unternehmen hat. Wir spüren, was es braucht oder wenn etwas in eine Richtung läuft, die dem Unternehmen nicht guttut. Der Blick von außen ist hier sehr hilfreich. Und ja, die meisten unserer Kundenbeziehungen bestehen schon seit vielen Jahren. Vergleichen Sie das mit dem Gang ins Sportstudio – auch hier ist man nur erfolgreich, wenn man regelmäßig hingeht. Manche Kunden, wie zum Beispiel die Bayer AG, vormals Schering oder auch die Daimler AG, begleiten wir sogar schon seit fast 20 Jahren.
Um optimal unterstützen zu können, müssen Sie verschiedenste Unternehmen in kurzer Zeit verstehen. Gibt es Konstanten, die Ihnen dabei helfen?
Da wir ja nicht inhaltlich beraten, sondern auf die Menschen und die Prozesse schauen, ist es nicht so wichtig, was das Unternehmen genau anbietet und wie die Organisation genau aussieht. Was Menschen dazu bringt, voller Spaß für ihr Unternehmen alles zu geben, wie Führung geht oder wie Veränderungsprozesse am besten funktionieren, ist in den meisten Unternehmen ganz ähnlich. Es ist eher so, dass sich diese Themen über alle Unternehmen und Branchen mit der Digitalisierung langsam verändern.
Oft sind Veränderungen unangenehm und Mitarbeiter reagieren mit Widerstand. Wie gewinnen Sie die Belegschaft eines Unternehmens für Change Prozesse?
Tatsächlich wird von Unternehmen oft unterschätzt, wie wichtig ein gutes Change Management ist, um den nachhaltigen Erfolg zu generieren. Da der Mensch dazu neigt, das Gewohnte zu favorisieren und auf Veränderungen mit Unruhe, Unsicherheit oder Unwille zu reagieren, braucht es einen guten Dialog, bei dem Mitarbeiter die Chance haben, sich einzubringen und mitzugehen in dem Prozess. Der bekannte Slogan „Betroffene zu Beteiligten machen“ hat nach wie vor seine Gültigkeit und wird immer noch von vielen Unternehmen ignoriert.
Kommt es vor, dass Ihre Lösungskonzepte auf Widerstand in der Unternehmensleitung stoßen – und wenn ja, wie reagieren Sie dann?
Wir brauchen das Commitment von oben. Eine Veränderung ohne die Unterstützung der Unternehmensleitung voran treiben zu wollen, ist illusorisch, und dabei ist es gleich, ob es sich um Widerstand oder um Gleichgültigkeit handelt. Wir sprechen Klartext und konfrontieren die Führung eines Unternehmens mit dieser Notwendigkeit. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass wir uns aus einer Kundenbeziehung verabschiedet haben, weil wir gemerkt haben, dass unser Wirken ohne die Unterstützung von oben fruchtlos blieb. Auch uns macht es Spaß, sinnvolle Dinge zu tun.
Was sind nach Ihrer Erfahrung typische Unternehmensfehler, die einen Betrieb unterhalb seiner Möglichkeiten wirtschaften lassen?
Oh, da fallen mir viele ein. Alleine wenn man – laut einer Studie der Universität von St. Gallen – berücksichtigt, dass „Arbeitgeberattraktivität“ die Unternehmensleistung um 16 Prozent steigert und gleichzeitig die Innovationsfähigkeit, die Kundenbegeisterung und den Return on Investment jeweils um 12 Prozent erhöht, dann lohnt es sich, daran zu arbeiten. Die Wertschöpfung eines Unternehmens sinkt auch extrem durch schlechte Führung, fehlende Abstimmung sowie fehlende oder unpassende Prozesse. Auch Fehlbesetzungen sind ein großer Faktor für Minderleistung. Und das sind nur die ersten Punkte, die mir einfallen.
In welchem Verhältnis führen Eigenverantwortung und Leistungsvorgaben zu den besten Ergebnissen einer Belegschaft?
Das kann man so pauschal nicht sagen, denn das hängt natürlich auch vom Potenzial, der Erfahrung und der Motivation der Mitarbeiter bezüglich der Aufgabenstellung ab. Und: Je jünger und dynamischer ein Unternehmen auftritt, desto mehr wird sich der Schwerpunkt in Richtung Eigenverantwortung verschieben. Ist sich eine Führungskraft unsicher, so kann die Richtlinie angewandt werden, dass die Führung für Klarheit bezüglich der Ziele oder der Strategie sorgen sollte, also das „WAS“. Das „WIE“ sollte eher eigenverantwortlich von den Mitarbeitern kommen.
Die richtige Personalauswahl ist ein Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Wie erkennen Sie in kurzer Zeit, dass ein Mitarbeiter an der falschen Stelle sitzt oder woran das Betriebsklima leidet?
Neben unserer Erfahrung, die uns in Gesprächen mit Mitarbeitern oft dabei hilft, schnell die richtigen Themen zu identifizieren, setzen wir – insbesondere bei der Frage, ob der richtige Mensch an der richtigen Stelle sitzt – diagnostische Werkzeuge ein, die uns sehr zuverlässige Ergebnisse liefern, inwieweit eine Passung zwischen Mitarbeiter und Anforderung existiert. Diese Tools können im Betrieb, aber auch beim Recruiting sehr wirksam und effizient eingesetzt werden.
Sie rekrutieren auch passende Führungskräfte für Unternehmen. Warum gelingt Ihnen das besser als den Unternehmen selbst?
So würde ich das nicht sagen. Wir sind keine Headhunter. Wir unterstützen Unternehmen dabei, einen effizienten Recruiting Prozess aufzusetzen, mit dem sie schnell selbst besser werden. Dieser hilft ihnen, mit bis zu 50 Prozent weniger Zeit und Kosten deutlich bessere Ergebnisse zu produzieren. Eine attraktivere Ansprache, Active Sourcing und eine Potenzialanalyse als Bestandteil des automatisierten E-Recruiting-Prozesses führen dazu, dass Unternehmen jede offene Stelle schneller, besser und mit weniger Aufwand besetzen.
Trotz ihres Fokus auf Leistung und Unternehmenswachstum ist ihnen Humor und Anstand bei der Arbeit wichtig. Welche Qualitäten sollte nach Ihrer Meinung ein optimaler Chef besitzen?
Man hat herausgefunden, dass der Führungsstil nicht so wichtig ist, Hauptsache der Chef ist konsistent und verlässlich. Das meint, seine Reaktionen sollten vorhersehbar und nachvollziehbar sein, nicht den einen Tag so und den anderen ganz anders. Und er sollte meinen, was er sagt – und sagen, was er meint. Weiterhin ist Vertrauen eine der wichtigsten Eigenschaften. Wenn Sie das Gefühl haben, Sie fühlen sich wohl mit dem Grad des Vertrauens, den Sie Ihren Mitarbeitern entgegenbringen, dann ist es noch zu wenig.
Frau Grätsch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Das Interview mit Susanne Grätsch führte Oliver Foitzik, Herausgeber von AGITANO und Geschäftsführer der FOMACO GmbH.
Über berlinerteam.de
Das Ehepaar Oliver und Susanne Grätsch sowie Olivers Bruder Christian Grätsch sind gemeinsame Geschäftsführer der Berliner Unternehmensberatung berlinerteam.de. Der mittelständische Betrieb berät seit 20 Jahren Unternehmen beim erfolgreichen Change Management und beim Talent Management. Dabei sind sie in internationalen Konzernen wie im Mittelstand unterwegs.