Selbstbalance als Erfolgsfaktor (3): Erfüllende Beziehungen

Der dritte Lebensbereich, der für Ihre Selbstbalance eine wesentliche Rolle spielt, sind Ihre Beziehungen. Täglich kommen wir mit anderen Menschen in Kontakt. Kein Mensch kann ohne andere Menschen überleben. Das wertvollste Geschenk, das in der Bindung zu anderen Menschen steckt, ist die Chance, dass wir uns immer weiter über uns selbst bewusst werden. Das wesentliche Ziel zwischenmenschlicher Beziehungen liegt in gemeinsamen Erfahrungen und Entwicklungen, nicht im dauerhaften Glück. Streben wir dieses Ziel an und verbinden es mit Mitgefühl, entsteht Glück dabei von ganz allein.

Wie wir Beziehungen sehen (sollten)

Es entsteht ein einmaliger Raum, den wir nirgendwo anders finden können. Jede zwischenmenschliche Erfahrung ist ein Spiegel für uns selbst. Wir erfahren, wer wir sein wollen und wer wir nicht sein wollen, welche versteckten wunden Punkte wir in uns tragen, wo unsere alltäglichen Übungsfelder liegen, welche Ängste in uns verankert sind, wie wir unsere Rollen verstehen und was wir in einer Beziehung schaffen und ausdrücken wollen.

Sie können sich nur selbst erfahren, durch das, was Sie nicht sind.

Unser Ego benennt Menschen und Verhaltensweisen mit gut oder schlecht, richtig oder falsch. Doch die Weisheit in uns weiß, dass alles wertfrei so ist, wie es ist und sich unterscheiden muss, damit der Mensch sich erkennt. Schätzen Sie deshalb alle Begegnungen wert, weil sie wichtige Trainer und Lehrer Ihrer eigenen Bewusstheit sind. Jede schmerzhafte oder komplizierte zwischenmenschliche Erfahrung, die Sie an Ihre Grenzen bringt oder sogar darüber hinausgeht, kann Ihr inneres Wachstum besonders beschleunigen, wenn Sie die Lernaufgabe annehmen und Sie sich die richtige Frage dazu stellen:

Was sagt das über mich aus? Wo bin ich noch nicht achtsam genug? Was kann ich tun, damit es sich bessert? Was kann ich aus dieser Begegnung über mich erfahren?

Und nicht: Was hat der andere falsch gemacht? Wo ist die Unzulänglichkeit des anderen? Was stört mich am anderen?

Die Grundeinstellung macht den Unterschied

Wie erfüllend Ihre wichtigsten Beziehungen sein können, hängt besonders davon ab, mit welcher Grundeinstellung Sie diese eingehen und welche Verbindung Sie aufbauen möchten. Suchen Sie eine Beziehung um ausschließlich den Erwartungen Ihres Egos von Partnerschaft, Freundschaft oder Elternschaft nachzugehen, oder möchten Sie echte Tiefe und innere Verbundenheit erleben?

Sehr häufig sind menschliche Beziehungen ein Zusammenschluss zweier Egos und spiegeln dazu passende Resultate wieder:

  • Das Streben nach Glück durch den Partner, gefolgt von Frust, Enttäuschung, Unzufriedenheit, Streit, Vorwürfen, Missgunst, Nutzenorientierung (Wie kann ich den anderen für mich nutzen?), oberflächliche Kommunikation und wenig echtes Interesse für den anderen
  • Das Gefühl von mangelnder Anerkennung, Machtkämpfe, Gefühle investieren anstatt zu verschenken, hohe Erwartungshaltungen, Abwertung, Unehrlichkeit, Verletzung, Betrug, Missbrauch, Selbstdarstellung
  • Verlustängste, Unterdrückung, Eifersucht, Abhängigkeit, Misstrauen, Streben nach neuer Beschäftigung, Aktivitäten, Input oder Langeweile.

All das können Sie auflösen, indem Sie in der Bindung ein emotionales Risiko der Intimität und aufrichtigen, wertschätzenden Kommunikation eingehen.

Es wird Ihnen außerdem viel Kraft schenken, sich in die Nähe von Menschen zu begeben, die Ihr Streben verstehen und die vielleicht schon dort sind, wo Sie hinkommen möchten, anstatt sich immer wieder bei denen zu rechtfertigen, die Ihre Absichten nicht teilen.

Es gibt nichts Wertvolleres als eine Freundschaft oder intime Beziehung, die durchlässig für das höchste Gefühl ist: bedingungslose Liebe!

Es gibt kein Wort, das in Beziehungen häufiger missbraucht oder fehlgedeutet wird als das Wort Liebe. Den Unterschied zwischen dem, was Ihr Ego unter Liebe versteht, und dem bedingungslosen Seinsgefühl. Liebe bedeutet nicht, dass Sie dem anderen keine Grenzen setzen dürfen und ständig gestatten, was sie oder er will. Zum Schutze für Sie selbst und die andere Person ist ein Nein mit hoher Qualität und Klarheit manchmal genauso notwendig wie ein aufrichtiges Feedback oder das Ansprechen von Störgefühlen. Sie übernehmen dadurch viel mehr Verantwortung für die Beziehung und für alles, was innerhalb dieser Verbindung entsteht, als wenn Sie alles unter den Teppich kehren. Manchmal kann auch das Beenden einer Beziehung ein Akt der Liebe und Fürsorge sein.

Eine erfüllende Liebesbeziehung braucht ein paar Tugenden, damit sie gelingen kann. Wenn das geschieht, kann dort etwas ganz Besonderes wachsen, das erhaben über die Höhen und Tiefen des Alltags ist.

Tugenden für erwachte Liebesbeziehungen

Die Basis für alles ist, dass beide Dimensionen des Menschseins (Oberfläche und Tiefe) miteinander erlebt werden. Genießen Sie und gestalten Sie die Oberfläche, setzen Sie sich zusammen Ziele und entwickeln Sie gemeinsame Interessen. Teilen Sie aber auch das stille SEIN, anstatt sich im Lärm des Alltags zu verlieren. Qualität geht vor Quantität. Schweigen Sie miteinander und fühlen Sie sich ohne Worte. Lösen Sie sich von dem Irrtum, dass Stille langweilig oder leer ist. Sie ist der Raum des höchsten Potenzials.

Hören Sie sich wirklich zu, anstatt nur hinzuhören und derweil mit Ihren eigenen Gedanken und Urteilen beschäftigt zu sein. Andernfalls pflegen Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Ego, aber nicht zu Ihrem Partner. Unterstützen Sie sich darin, das Beste zum Ausdruck bringen zu können.

Vertrauen anstatt Kontrolle und Naivität

In Ihrem alltäglichen Miteinander werden Sie immer wieder Situationen erleben, die sich durch Nichtwissen auszeichnen. Unser Ego reagiert auf diese Unsicherheit gerne mit Misstrauen und Kontrolle. Kontrolle zerstört Vertrauen und verhindert Freiheit. Naivität hingegen erscheint zwar unwissend und unschuldig, ist aber oft ein Nicht-wahrhaben-Wollen der Wahrheit – also Flucht. Beides sind Feinde des Vertrauens. Vertrauen beinhaltet den Aspekt des Sich-Anvertrauens und der eigenen Vertrauenswürdigkeit. Vertrauen löst Distanz auf und schafft eine lebendige Verbundenheit.

Vergebung anstatt Hartherzigkeit und Intoleranz

Wer vergeben kann, ist nicht nachtragend und kann sich von der Vergangenheit befreien. Sie können akzeptieren, wie es war und damit abschließen, ohne Ihre Wahrnehmung des anderen mit Gedanken oder Emotionen immer wieder aus dem vergangenen Erleben einzufärben. Nur, wenn es in Ihrer Beziehung Vergebung gibt, kann es auch Wahrheit geben. Jeder Mensch, der spürt, dass seine Aufrichtigkeit böse bestraft wird, wird sich in einer neuen Situation höchstwahrscheinlich dagegen entscheiden. Gestehen Sie sich Fehler und Unzulänglichkeiten zu. Betrachten Sie das Große und Ganze und sezieren Sie nicht jede einzelne Welle auf der Oberfläche.

Die eigene Fülle entdecken, anstatt zu erwarten, dass der andere Sie glücklich machen muss

Niemand kann diesem Anspruch gerecht werden. Selbst, wenn es in der ersten Phase der Verliebtheit so erscheint, kommt jede Liebesbeziehung in eine nächste Phase, die diese Vorstellung wieder zerstört. Unsere Verliebtheit galt einem Idealbild, das Sie sich vom Anderen gemacht haben. Verwechseln wir diese Illusion mit der Wahrheit, werden wir sehr enttäuscht sein und uns wieder trennen unter der Fehlannahme, dass der andere sich zum Negativen verändert hat. Leider werden wir dann die gleiche Erfahrung immer und immer wieder machen mit neuen Partnern. Ist die Verliebtheit vorbei, sind wir enttäuscht. Die Wahrheit ist, dass sie oder er immer schon so war, doch Ihre Vorstellung das alles ausgeblendet hat.

Echte Liebe löst sich von einer Vorstellung und ist frei für das, was entsteht. Wenn Sie in sich selbst keine Stabilität erfahren, wird Ihnen das Ihre Liebesbeziehung immer widerspiegeln. Fragen Sie sich bei einem Mangelgefühl immer wieder: Welchen Aspekt meiner Fülle lebe ich noch nicht? Lösen Sie sich davon, es Ihrem Partner vorzuwerfen. Keine Rolle der Welt, kein Mensch, kann Sie erfüllen. Je mehr eine Rolle zu Ihrem Ersatz-Ich wird, desto schneller werden Sie leiden. Selbst Ihre Funktion als Mutter oder Vater ist nicht dazu da, um an diese Rolle anzuhaften und sich ausschließlich dadurch zu definieren. Kinder sind Gäste und erhalten das Geschenk der Liebe. Elternschaft ist ein sehr intensives Erfahrungsfeld, aber keine Rettung für Leere in sich selbst oder in Ihrer Liebesbeziehung.

Offen sein für die Welt des anderen, anstatt sich in Vorstellungen festzubeißen

Lassen Sie die starre Vorstellung los, Recht haben zu müssen. Überzeugungen sind Geschichten unseres Egos, aus denen es seine Identität bezieht – nicht mehr und nicht weniger. Fragen Sie sich immer wieder neu, ob Sie Ihre Geschichte retten wollen oder ob Sie an einer erfüllenden Beziehung interessiert sind. Was vergeben Sie sich, wenn Sie den anderen Standpunkt einfach so stehen lassen und den ersten Schritt zur Versöhnung machen?

Die Beziehung schützen, anstatt in der Schmerzwolke Bindungen zu zerstören und den anderen zu verletzen

Es ist Übungssache, sich im Streit nicht zu verlieren, und es erfordert Achtsamkeit und innere Stärke. Zynismus und Boshaftigkeit sind einfacher als Liebe und kein Zeichen von Stärke. Auseinandersetzungen können stärken und zusammenschweißen, wenn Sie nicht sofort alles über Bord werfen und die ganze Beziehung infrage stellen. Arbeiten Sie zusammen gemeinsam an den Themen, die im Raum stehen, und respektieren Sie die Gefühle und Bedürfnisse des anderen. Leider sind Beziehungen auf der Oberfläche in unserer Gesellschaft sehr schnell austauschbar geworden. Wenn Sie heute eine Beziehung beenden, können Sie morgen schon mit dem nächsten Date aus dem Internet beim Italiener sitzen. Doch ist das wirklich erfüllend?

Offene Kommunikation anstatt Distanz

Brigitta C. Kemner, Business Coach, Personal Coach, Unternehmer, Veränderung, Selbstbalance, Beziehungen
Brigitta C. Kemner ist Personal Coach, Business Coach und Rednerin (Bild: © jennifer fey, jennifer fey photography)

Sprechen Sie über Ihre Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse und versuchen Sie nicht, sie zu verbergen. Suchen Sie das Gespräch, wenn Sie etwas beschäftigt, und versuchen Sie in Ruhe zu vermitteln, was in Ihnen vorgeht. Auch, wenn Ihr Ego lieber beleidigt oder ausweichend reagiert – springen Sie über Ihren Schatten und öffnen Sie sich schonungslos. Oft sind es Missverständnisse, die sich zu großen Streitigkeiten entwickeln. Wie kann der andere Sie lieben, wie Sie wirklich sind, wenn er gar nicht weiß, wer das ist, weil Sie nicht zeigen, wer Sie wirklich sind?

All das sind Anregungen für eine erfüllende Beziehungsbalance. Nichts davon muss sofort und perfekt funktionieren. Bleiben Sie wachsam und rufen Sie sich die Punkte immer wieder ins Gedächtnis. Es wird immer besser funktionieren.

Im nächsten Beitrag geht es um den so wichtigen persönlichen Freiraum.

Über Brigitta C. Kemner

Brigitta C. Kemner ist Personal Coach, Business Coach und Rednerin und begleitet seit 2003 Führungskräfte, Manager, Geschäftsführer, Unternehmer, Selbstständige und Privatpersonen bei persönlichen und beruflichen Veränderungen. Dabei liegen ihre Schwerpunkte besonders bei den Themen Selbstbalance, Selbstführung, Menschenführung, Potenzialentwicklung und Kommunikation. Ein neues Bewusstsein, innere Freiheit, Gelassenheit, Empathie und Selbstverantwortung sind ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit mit Menschen und für die Aktivierung von inneren Ressourcen.

Mehr über Brigitta C. Kemner erfahren Sie auf www.brigitta-kemner.com.

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