Stellt euch aufeinander ein! – Missverständnisse klären – Julia Kamenik im Interview

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„Stellt euch aufeinander ein!“ So können Missverständnisse vermieden werden. (Bild: © Manfred Limbach)

Sie nörgelt: „Was ist denn los mit dir?“ – Er hatte nur einen anstrengenden Tag und antwortet „Nichts ist.“ Für ihn ist die Sache damit erledigt, aber sie „spürt“ganz deutlich, dass da etwas sein muss. So oder so ähnlich beginnen in vielen Haushalten die ersten Streitereien. Und auch im Job wird zwischen Männern und Frauen öfter mal aneinander vorbeigeredet. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Der eigentliche Grund? Kommunikation führt zu Missverständnissen. Das weiß auch Julia Kamenik und plädiert für eine ganz einfache Sache: „Stellt euch aufeinander ein!“ Wie das gelingen kann und warum Kommunikation zu Missverständnissen führt, erklärt sie im Interview. Auf dem Feminess-Kongress 2015 hält Julia Kamenik einen Vortrag mit dem Titel: „MISS Verständnis Kommunikation“.

 

Hinweis der Redaktion: Besuchen Sie uns auf dem Feminess-Kongress am 14. November am FOMACO / AGITANO-Stand! Wir freuen uns darauf, Sie persönlich kennenzulernen. Melden Sie sich an unter www.tickets/feminess-kongress.de

 

„Stellt euch aufeinander ein!“ – Missverständnisse zwischen Männern und Frauen

 

Hallo Frau Kamenik, der Buchtitel „Frauen sind von der Venus, Männer vom Mars“ ist mittlerweile ein geflügeltes Wort geworden. Wie zeigen sich Missverständnisse zwischen Männern und Frauen im (Berufs-)Alltag?

Als ich begonnen habe, mich mit dem Thema zu beschäftigen, war ich über die unglaubliche Breitenwirkung von John Gray und seinen Mars & Venus-Büchern erstaunt. Wussten Sie, dass weltweit über 40 Millionen Exemplare verkauft wurden? Von den anderen Bestsellerautoren, Allan und Barbara Pease (z.B. Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken), finden sich allein 5 Millionen Bücher in deutschen Regalen. Und die Botschaft ist immer dieselbe: Die Wurzel aller Unterschiede zwischen den Geschlechtern liegt in der Steinzeit bzw. bei Grey im Weltraum, was de facto dasselbe ist. Männer sind also aggressiv, machtbewusst und denken eindimensional, Frauen hingegen geschwätzig, unkonzentriert und verirren sich in fremden Städten. Wir erkennen uns hier und da in den netten Geschichten wieder und haben dazu ein amüsantes und leicht verständliches Lesevergnügen. Wow, was für eine Breitenwirkung!

Ich befürchte, dass diese populärwissenschaftlichen Bücher möglicherweise mehr zur Etablierung von geschlechtsspezifischen Klischees beigetragen haben, als Missverständnisse zwischen Mann und Frau aufzulösen. Zu Missverständnissen im allgemeinen Sinn kommt es zwischen Menschen dann, wenn sich der oder die andere nicht so verhält, wie wir selber es erwartet hätten. Da wir auf Basis unserer inneren Vorstellungen/Gefühle und nicht gemäß der Realität/Tatsachen reagieren, kommt es zu einer Kette von falschen Annahmen und oft negativen Emotionen, die wir gerne vereinfacht mit „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ erklären. Und das alles nur, weil wir uns nicht damit beschäftigen, wie unser Gegenüber wirklich tickt. Wir verlassen uns daher lieber auf unsere innere Vorstellung von ihm oder ihr. Viele Frauen sind wahre Spezialisten im Interpretieren, manchmal beinahe schon Hellsehen. Daher auch mein Wortspiel „MISSverständnis“. Wenn wir verstehen, wie wir selber im Oberstübchen funktionieren, wird das unsere eigene Kommunikation radikal verbessern und Missverständnisse in Zukunft verhindern.

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Kommunikation und gemeinsames Lachen ist wichtig zur Klärung von Missverständnissen. (Bild: © Manfred Limbach)

Kommunizieren Männer und Frauen verschieden? Inwiefern?

Ein klares und entschiedenes JEIN! Menschen kommunizieren auf eine Art und Weise, die wir aufgrund unserer eigenen Erfahrungen und unserem kulturellen Hintergrund als eher männlich oder weiblich bezeichnen. Männliches Kommunikationsverhalten ist für uns eher sach- und aufgabenbezogen. Es geht tendenziell mehr um Profilierung, Status und Einflussnahme. Weibliches Kommunikationsverhalten nach unserer gesellschaftlichen Definition ist beziehungs- und gefühlsorientiert und zeichnet sich dadurch aus, dass Konflikte eher vermieden werden. Frauen bevorzugen indirekte Botschaften, spielen ihre Autorität gerne herunter und lächeln viel, auch wenn es unangebracht ist. Das kann mitunter Missverständnisse verursachen.

Wo haben Frauen durch ihre Art zu kommunizieren Vorteile im Berufsleben – und wo Männer?

Frauen schaffen auch im Berufsleben Beziehungen durch viel Aufmerksamkeit auf Harmonie zwischen den Menschen, durch Einbeziehung aller Beteiligten in Diskussionen und durch unterstützende Minimalreaktionen, wie bestätigendes Nicken, „ja“ und „mmh“. Ist das Ziel beispielsweise die Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung in einem Team, so ist diese Taktik sehr erfolgreich. Geht es hingegen um Durchsetzung der eigenen Ideen gegenüber anderen, um quantitatives Sammeln möglichst vieler Ideen z.B. in einem Brainstorming und um die richtige Positionierung auf der Karriereleiter, so setzen sich traditionell eher die Männer durch. Sie profitieren darüber hinaus noch vom „Männerbonus“. Der besagt, dass Gesprächsbeiträge von Männern und Frauen nicht wertneutral, sondern geschlechtsabhängig eingestuft werden. Männliche Beiträge werden als kompetenter und wichtiger gesehen.

Was können wir tun, um die Missverständnisse zwischen den Geschlechtern zu vermeiden oder wenigstens auszuräumen?

Wenn wir ehrlich sind, findet Kommunikation eigentlich nicht vom ICH zum DU statt, sondern entsteht zwischen zwei ICHs. Deshalb führt kein Weg daran vorbei herauszufinden, wie dieses andere ICH kommuniziert um Missverständnisse zu vermeiden. Das ist zunächst einmal völlig unabhängig vom Geschlecht. Wenn wir akzeptieren, dass Menschen im Allgemeinen – und Männer und Frauen im Besonderen – unterschiedlich wahrnehmen und Informationen im Gehirn höchstwahrscheinlich auch unterschiedlich verarbeiten, so hat das zur Folge, dass wir uns auch unterschiedlich verhalten. Dies zu verstehen, kann uns zu mehr Toleranz dem anderen gegenüber verhelfen. Dann schaffen wir uns durch intensive Gespräche und gemeinsames Tun eine gemeinsame Sprache. Auch das ist Kommunikation! Wenn wir offen sind zu lernen, wie wir selbst und der/die Andere tickt, ist eine Horizonterweiterung garantiert und Missverständnisse können schneller ausgeräumt werden.

Wie lassen sich zementierte Rollenbilder über die Geschlechter verändern?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit diesen Rollenbildern geht. Mir persönlich begegnen die eigentlich gar nicht so häufig. Und wenn doch, dann muss ich meistens herzlich lachen. Außerdem sind Geschlechterrollen sowieso in mehrerer Hinsicht relativ, denn sie entstehen immer unter dem Blick der andern. Dass das Rollenverständnis der Geschlechter in Islamabad meist ein anderes ist, als etwa im Prenzlauer Berg in Berlin liegt wohl auf der Hand. Unsere Welt ist so vielfältig und bunt, wen interessieren da noch Geschlechterklischees aus den 90er Jahren.

Dennoch, für beide Geschlechter gilt: Stellt euch auf einander ein! Denn nur durch das Reden, das Verstehen und nicht zuletzt das Lachen über die tagtäglichen kleinen Unterschiede zwischen uns Menschen können wir unsere eigenen inneren Bilder und Ideen verändern und Missverständnisse vermeiden. Veränderte Konzepte aber bewirken schließlich langsam, aber sicher auch Verhaltensänderungen, die unsere Gesellschaft nachhaltig beeinflussen.

Sie sind auf dem Feminess-Kongress 2015 als Referentin mit dabei. Was erwartet die Teilnehmerinnen?

Vor allem geballte Frauen Power! Ich habe die Atmosphäre beim Feminess Kongress letzten Herbst in Frankfurt selbst miterlebt und war begeistert. Dieses Jahr nun live auf der Bühne dabei zu sein ist eine grandiose Herausforderung, der ich mich mit großem Vergnügen stelle. Ob Opernhaus oder Kongresszentrum, mir ist jede Bühne recht. Und mit dem Thema „MISSVerständnisse“ werden wir alle hoffentlich viel Spaß haben.

Frau Kamenik, herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen viele Gespräche ohne Missverständnisse auf dem Feminess Kongress im November!

 

Das Interview führte Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.

 

Hinweis der Redaktion: Besuchen Sie uns auf dem Feminess-Kongress am 14. November am FOMACO / AGITANO-Stand! Wir freuen uns darauf, Sie persönlich kennenzulernen. Melden Sie sich an unter www.tickets/feminess-kongress.de

 

Julia Kamenik, Missverständnisse, Kommunikation, Feminess
Julia Kamenik ist Trainerin, Coach und Opernsängerin (Bild: © Christoph Breneis)

Über Julia Kamenik

 

Die geborene Wienerin Julia Kamenik verfügt über eine spannende und ungewöhnliche Doppelqualifikation. Sie ist nicht nur Naturwissenschaftlerin (Diplomingenieurin der Technischen Chemie) mit Erfahrung in der Unternehmensberatung, sondern auch Opernsängerin mit 15-jähriger Bühnenpraxis. Diese beiden Karrieren hat sie vor knapp einem Jahr zu einem neuen Business vereint.
Mit STIMME & PERFORMANCE steht sie als Trainerin und Coach allen bei, die im großen und kleinen Rampenlicht überzeugen wollen. Gerade Frauen können von ihren Know-how rund um Auftritt, Ausstrahlung und Stimme profitieren. Sie lernen, in ihrem verbale und nonverbale Kommunikationsverhalten zu überzeugen und sich besonders in männlich dominierten Berufswelten zu behaupten.

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