Warum sich Unternehmen gerade jetzt auf eine Stagnation vorbereiten sollten

Exportüberschüsse, der DAX im Allzeithoch und solides Wachstum: Die deutsche Wirtschaft ist stabil wie schon lange nicht mehr. Warum sich Unternehmer gerade jetzt nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und wie sie sich auf eine Stagnation vorbereiten sollten, erklärt Andrea Mollenhauer, Partner der mmc AG.

Was gegen Stagnation hilft: „Man sollte nicht erst schwimmen lernen, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht“ – Interview mit Andrea Mollenhauer

Unsere Wirtschaft brummt. Warum raten Sie Unternehmen trotzdem dazu, sich jetzt auf eine Stagnation vorzubereiten?

VWL-Studenten lernen schon im ersten Semester, dass die Konjunktur in Phasen verläuft: Auf eine Wachstumsphase folgt der Boom, da sind wir jetzt gerade. Dann kommt es zum Abschwung: Das Wirtschaftswachstum stagniert und schrumpft eventuell sogar. Unternehmer, die denken, es gehe mit dem Wachstum immer so weiter, sind naiv und kurzsichtig. Gerade in wirtschaftlich starken Zeiten stehen die Mittel zur Verfügung, um für eine Stagnation und schrumpfende Marktanteile vorzusorgen.

Was sollten Unternehmen konkret tun?

An erster Stelle muss die Bildung von Rücklagen stehen. Nur mit einer soliden Kapitalbasis können Unternehmen eine Durststrecke von mehreren Monaten überwinden, ohne schrumpfen zu müssen. Damit die ersten Anzeichen einer Stagnation schnell erkannt werden, sollte ein Frühwarnsystem eingerichtet werden: Vertrieb und Zulieferer haben hierfür die notwendigen Kennzahlen. Nicht zuletzt gilt es auch, flexibel zu bleiben, was Produktausrichtung und Geschäftsmodell betrifft. Denn was einem die Kunden heute aus der Hand reißen, kann morgen schon von gestern sein.

Oft heißt es ja, dass Krisen auch eine Chance sind. Trifft das Ihrer Meinung nach auch auf Unternehmen zu?

Auf jeden Fall. Das A und O ist Vorsorge. Wer erst überlegt, was schiefläuft, wenn die Zahlen zurückgehen, der hat ein Problem: Denn jetzt fehlen zum einen die finanziellen und personellen Ressourcen, um eine Neuausrichtung zu planen und durchzuführen. Zum anderen wird die Zeit knapp: Man sollte nicht erst schwimmen lernen, wenn einem das Wasser schon bis zum Hals steht. Deshalb sollte in Bereiche wie F&E kontinuierlich Geld fließen. Wer gut aufgestellt ist und beständig in Innovationen investiert, der hat die Chance, in einer Krise Marktanteile von geschwächten Konkurrenten zu gewinnen. Dann ist eine Krise die Möglichkeit, zu wachsen und die Produktpallette neu aufzustellen.

Wenn ich z.B. an Apple denke, dann fällt mir auf, dass in den letzten 15 Jahren immer neue Produkte entwickelt wurden, die dann zum Bestseller wurden. 2000 war es der iPod – für den interessiert sich jetzt keiner mehr. Dafür gilt jetzt das iPhone als das Smartphone. Die Zukunft bringt – vielleicht – die Apple Watch oder das selbstfahrende Auto. Was können wir aus diesem Modell lernen?

Sie haben Recht, Apple ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Krisen meistern und trotz Stagnation wachsen kann. Dahinter steckt das so genannte 3-Horizonte-Modell: Horizont 1 beinhaltet das Tagesgeschäft – also den derzeitigen „Renner“ der Firma, der für den Cashflow sorgt. Horizont 2 und 3 sind Produkte, die noch fehlerbehaftet sind und im Prototyp-Stadium. Hier wird ausprobiert, gespielt und Neues entwickelt. Wichtig ist: Zu allen Zeiten fließen in alle drei Horizonte Ressourcen. Mut zu Innovationen ist essenziell für Unternehmer. Wichtig ist es, nicht kurzfristig „Es läuft doch alles prima“ zu denken, sondern immer auf der Hut zu sein. Nur wer langfristig denkt, ist auch langfristig erfolgreich.

Vielen Dank, Frau Mollenhauer für Ihre Ausführungen zum Thema Stagnation und was man tun muss, um diese zu durchbrechen.

 Das Interview mit Andrea Mollenhauer, Partner der mmc AG, führte Dr. Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.

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