Ohne Kampfkunst geht gar nichts
Friedliche Abschlüsse funktionieren nur dann, wenn beide Seiten bereit sind, ihre Ziele zugunsten der gemeinsamen Lösung zu verändern. Das ist meist nicht der Fall. Der nächste notwendige Schritt wäre also der strategische Kampf. Diese Machtkämpfe haben – wie viele irrtümlich glauben – mit Verkaufstools oder -techniken nicht das Geringste zu tun. Es geht vielmehr darum, wer sich strategisch am besten positioniert und dann seine Machtkompetenzen am raffiniertesten einsetzt. Erstellen Sie eine Strategie – Ihren individuellen „Kampfplan“ für die Verkaufsfront. In diesem legen Sie fest, welche Taktik Sie anwenden. Sobald dies erledigt ist, sollten Sie gut aufgestellt sein und können beginnen, Ihre Strategie umzusetzen.
Emotionen kontrollieren
Um einen Kampf zu gewinnen, muss er kontrolliert geführt werden. Das heißt, die Emotionen im Griff zu haben. Es geht ja vorrangig nicht ums Kämpfen. Es geht um das Gewinnen! Der Kampf als gezieltes Mittel zur Durchsetzung von Interessen. Wenn Sie dies gekonnt in Ihren Verkaufsgesprächen anwenden, werden Sie spektakuläre Erfolge feiern können.
Haben Sie den Kampf gewonnen, geht es dann nicht um Bestrafung oder das Starten des eigenen Rachefeldzuges. Auch hier gilt: Emotionen weglassen und schnellstmöglich zurück zur fairen Verhandlung um den Interessenskonflikt zu beenden und den Schaden so gering wie möglich zu halten. Auf dem Weg zur Kampfkunst ist das hoch emotionale Waffenarsenal – Technik, Kapital, Verhandlungsgeschick oder Beeinflussungsmethoden – meist erst der allerletzte Schritt. Und dieser ergibt sich von alleine, weil Sie dann wahrscheinlich schon mit dem Rücken zur Wand stehen.
Wie ein Elefant im Porzellanladen
Mit dem Rücken zur Wand wird der Kampf meist unkontrolliert geführt – beide Parteien agieren dann oft wie der Elefant im Porzellanladen. Irgendwann wirft eine Partei die Nerven weg und verliert die Selbstbeherrschung. Die Situation gerät völlig außer Kontrolle und man möchte, auch wenn unbewusst, nur mehr verletzen oder zerstören. Gerät ein Verkäufer erst einmal in so einen Zustand, ist meist schon Hopfen und Malz verloren und der Auftrag geht den Bach hinunter. Im schlimmsten Fall ist auch an eine spätere Versöhnung nicht mehr zu denken und mögliches Nachfolgegeschäft ist ebenfalls verloren. Um dies zu vermeiden, ist es notwendig, ab und zu innezuhalten und zu checken, wo genau die Verhandlung gerade steht.
Innehalten und Zwischenergebnisse prüfen
Am besten funktioniert dies, wenn es mehrere Verhandlungstermine gibt und dazwischen Pausen stattfinden. Es gilt, in diesen Pausen zu reflektieren und zu schauen, wie weit man dem Ziel näher gekommen ist. Passt die Strategie noch? Oder hat Sie Ihr Gegenüber schon zu weit davon abgebracht? Hören Sie in diesen Pausen auf Ihren „Bauch.“ Fühlen Sie nach: Inwieweit hatten Sie in den Verkaufsgesprächen Ihre Gefühle gut im Griff? Oder gab es Stimmungsschwankungen? In welcher Phase waren Sie vielleicht sogar hilflos? Nehmen Sie sich diese Zeit. Sie gibt Ihnen sicherlich gute und hilfreiche Aufschlüsse, ob nun bereits ein höherer Gang der Macht angesagt ist oder nicht. Diesen Moment richtig zu erkennen, ist die wahre Crux bei der Anwendung der kämpferischen Machtformen im Verkauf.
Blind, blöd oder doch böse? – Machen Sie den „Reality-Check“
Setzen Sie Ihre diversen Machtinstrumente zu schnell ein, lässt sich dies später kaum mehr wettmachen. Daher sollten sich vor allem Verkaufs-Führungskräfte zu Beginn von Verkaufsgesprächen ganz bewusst emotional herausnehmen und überprüfen, was die Absichten des Gegenübers sind. Auch, wenn es vorab schon eine Agenda gab und die Dinge eigentlich klar sein sollten. Überprüfen Sie das auf jeden Fall noch einmal in einem Reality Check. Dafür ist ein kleiner Small-Talk dienlich. Überlassen Sie zu Beginn bewusst Ihrem Gegenüber das Wort, hören Sie zu und saugen Sie die allgemeine Stimmung rund um sich auf.
Lassen Sie sich dann in der Verhandlung auf keinen Fall gleich zu Beginn aufgrund eines engen Zeitfensters in die Enge treiben, das kann durchaus eine taktische Strategie Ihres Gegenübers sein um Sie ins gezückte Messer laufen zu lassen. Denn dann passiert das, was einem geschickten Verhandler niemals passieren sollte: Es kommt zur „urwüchsigen“ Ausübung der Macht. Das heißt, der Verkäufer erliegt seinen Gefühlen oder dem Zufall. Beides ist schlecht. Was Sie hingegen tun sollten, ist, strategisch jene Maßnahmen schrittweise zum Einsatz bringen, die gerade gefragt sind. Dadurch haben Sie auch immer wieder ein neues Zeitfenster für bewusste Entscheidungen. Mit diesem strategischen Verhalten können Sie auch Ihren Werten treu bleiben.
Ihr Reality-Check kann aber auch feststellen: Halt, da ist ja eindeutig hinterhältiges oder böse-absichtsvolles Benehmen am Werk. Das ist dann der Moment, Ihre Macht kraftvoll einzusetzen! Aber trotzdem gilt gerade in dieser Situation: „Ruhig Blut“. Hastige Entscheidungen bringen hier kaum etwas. Strategie jedoch alles. Die Asiaten gehen in solchen Momenten sehr bedacht vor und sind ein gutes Vorbild. Bevor sie Macht einsetzen, stellen sie fest, ob jemand „blind, blöd oder böse“ ist. Denn, der erste Angriff kann eine Unachtsamkeit sein. Der zweite Angriff kann ein „Nichtwissen“ als Ursache haben. Erst bei der dritten Attacke treten Sie in machtvolle Aktion, denn dann steckt mit Sicherheit eine „böswillige Absicht“ dahinter. Wenn das der Fall ist, dann ist es wirklich sinnvoll, machtvolle Maßnahmen in Angriff zu nehmen um die eigenen Interessen durchzusetzen.
Das „Waffenarsenal“ der Macht
Es gibt drei Kategorien an Waffen im Verkauf. Die erste Kategorie besteht aus den offenen Waffen, wie zum Beispiel: Beschimpfung, Demütigung, Provokation oder auch Konfrontation. Die zweite Kategorie sind die passiven Waffen wie: Leiden, Tarnen oder auch Schweigen (besonders perfide und effizient). Die dritte Kategorie besteht aus den verdeckten Waffen wie: Intrige, Manipulation, Verunsicherung oder auch Kontrolle. In jeder dieser Kategorien gibt es eine Vielzahl an Techniken, die frei wählbar einsetzbar sind.
Kommt es nun zum Kampf, setzen Sie als erstes jene Waffe ein, die den geringsten Schaden bei bestmöglicher Zielerreichung erbringt. Natürlich beginnt man mit den friedlicheren Formen und erst, wenn die alle nichts bringen, dann wird der echte, beinharte Kampf als letzter Schritt eingesetzt. Wichtig ist, dass wir lernen, uns in jeder Situation zu schützen. Die Facetten der Machtspiele sind derart vielfältig, dass wir oftmals gar nicht auf den ersten Blick erkennen, was denn gerade so abläuft. Viele Verhandlungspartner beteuern immer noch zu verhandeln, sind aber insgeheim bereits in einen verdeckten Kampf übergegangen und wollen uns mit allen Mitteln fertigmachen. Es wird versucht, den Gegner so lange wie möglich im Glauben zu lassen, dass noch sanft verhandelt wird. Dabei wird man bereits über den Tisch gezogen. Das passiert, wenn der Verhandlungspartner die Waffen Überrumplung, Täuschung oder auch Tarnung einsetzt.
Natürlich ist jeder Verhandler hin und wieder gezwungen, eine verdeckte Waffe einzusetzen, da ihm für den offenen Kampf vielleicht gerade die Ressourcen fehlen. Das kann eine strategische Notwendigkeit sein. Welche Waffen wir aus unserem Waffenarsenal zum Einsatz bringen, hängt schwerpunktmäßig von unserer Erziehung und vom eigenen Temperament ab. Jetzt werden manche vielleicht sagen, sie besäßen gar kein Waffenarsenal. Das ist ein Trugschluss. Jeder besitzt so etwas. Der eine hat mehr davon, der andere weniger.
Mit verdeckten Kampftechniken wie List, Betrug oder Intrigen wollen die meisten Menschen nichts zu tun haben, da dies einen frontalen Angriff auf ihre Werte darstellt. Es ist richtig, diese Machtmittel gehören bereits zum Machtmissbrauch und sind abzulehnen. Leider können wir uns im beinharten Business aber nicht immer aussuchen, ob wir nicht doch damit konfrontiert werden. Hin und wieder trifft man, im Verkaufsleben wie auch privat, auf Menschen, die mit allen (schmutzigen) Wassern gewaschen sind. Wer dann über keine Machtkompetenz verfügt und kein sofort einsetzbares Waffenarsenal besitzt, der wird, trotz eines tollen Wertesystems, eine schwere Niederlage einstecken müssen.
Haben Sie gelernt, Ihr Potenzial in Ihrer Waffenkammer positiv einzusetzen um Ihre Ziele besser durchzusetzen, dann steigt auch automatisch Ihr Selbstbewusstsein und Ihr Selbstwert. Das stellt im Verkauf eine erfolgsunterstützende Ressource dar. Ist Ihr Waffenarsenal erst mal auf Vordermann gebracht, werden Sie erkennen, wie hilfreich das in Ihrer Tätigkeit als Verkäufer ist. Ihre Abschlussquote wird sich deutlich verbessern, unfaire Manöver der Gegenseite werden Sie sofort erkennen und rechtzeitig gegensteuern!
Im nächsten und letzten Beitrag sehen wir uns die Powerquellen der Macht an und warum die Macht immer mit Ihnen ist.
Über Richard Gappmayer
Richard Gappmayer ist einer der renommiertesten Selbstführungs-Experten in Österreich. Der Vortragsredner, Autor, Führungskräfte-Coach, Wirtschaftstrainer und Organisationsberater war mehr als 20 Jahre im nationalen und internationalen Top-Management mit Schwerpunkt Verkauf, Vertrieb und Marketing tätig. Als hochrangige Führungskraft führte er zahlreiche Produkte zur Marktführerschaft.
Trotz des Wissens um seine starke Agoraphobie bestieg er den Kilimandscharo und beschloss noch am Berg, sein Leben neu auszurichten. Er verließ seine hochrangige Managementposition und machte sich mit dem Zentrum für Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung selbständig. Heute unterstützt er Top-Führungskräfte und bringt diesen seine Ansätze zur Kunst der Führung nahe. In seinem Buch „Der Kilimandscharo-Effekt – Steigen Sie auf und gehen Sie in Führung“ erfahren Leser, wie sie in Führung gehen und bleiben!
Mehr Infos finden Sie unter www.richard-gappmayer.at.