Burn-out-Prävention: Ein Ausbrennen vermeiden

Immer mehr Berufstätige kämpfen mit psychischen Problemen – wegen des erhöhten Arbeitsdrucks in vielen Unternehmen. Meist liegen die Ursachen hierfür aber auch im persönlichen Bereich. Das gilt es bei der betrieblichen Gesundheitsprävention zu beachten. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie vielfältig die Belastungen wirklich sind, und was die Führungsebene in Unternehmen für die Burn-out-Prävention konkret umsetzen kann – und sollte.

Die Zahl der Arbeitnehmer mit psychischen Belastungen oder gar Erkrankungen steigt; ebenso der Zahl der Burn-out-Fälle. Diese Nachricht liest und hört man seit Jahren. Und meist lautet die Begründung: Die Arbeitsbelastung in den Betrieben steigt.

Das stimmt! In vielen Unternehmen geht es heute hektischer als früher zu. Zudem sind die Beschäftigungsverhältnisse oft fragiler – angefangen bei den gering Qualifizierten, die heute häufig nur noch Minijobs und Jobs bei Zeitarbeitsfirmen finden, bis hin zu den Hochqualifizierten, die in den ersten Berufsjahren häufig nur Zeitverträge erhalten.

Doch darin die alleinige Ursache der steigenden Belastung zu sehen, das greift zu kurz. Unser gesamtes Leben hat sich verändert. Heute wird von den Menschen zum Beispiel insgesamt erwartet, mehr Eigenverantwortung zu zeigen und „private Vorsorge“ zu betreiben. Auch das trägt zur steigenden Belastung bei. Doch noch entscheidender ist: Die Sozialstrukturen in unserer Gesellschaft haben sich verändert.

Unterstützungssystem fehlt oft

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Familien mit drei, vier Kindern gang und gäbe. Und wenn der Nachwuchs erwachsen war und eine eigene Familie gründete? Dann geschah dies meist in der Nähe des Elternhauses – wenn nicht gar am selben Ort. Entsprechend groß waren das familiäre Unterstützungssystem und der über Jahrzehnte gewachsene Freundeskreis, auf den man sich bei Bedarf stützen konnte.

Heute hingegen dominieren zumindest in den städtischen Ballungsräumen die Singlehaushalte – auch weil die (Liebes-)Beziehungen brüchiger wurden. Und die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie? Sie ist in den Großstädten fast schon die Ausnahme. An ihre Stelle sind die Alleinerziehenden mit Kindern und die Patchwork-Familien getreten. Und die Verwandten, auf die man im Bedarfsfall zurückgreifen kann? Sie existieren vielfach nicht mehr. Oder wohnen Hunderte von Kilometern entfernt.

Auch das erhöht den Druck, unter dem Berufstätige stehen. Denn wegen der fehlenden Unterstützungssysteme werden oft schon Kleinigkeiten zum Stress verursachenden Problem. Zum Beispiel das Paket, das bei der Post abgeholt werden muss. Oder der Besuch eines Handwerkers.

Viele Präventionskonzepte greifen zu kurz

Übereinstimmend betonen die Experten: Die veränderte Arbeitswelt ist nur einer von vielen Faktoren, warum heute mehr Berufstätige als früher unter einer großen psychischen Anspannung stehen. Deshalb greifen alle betrieblichen Work-Life-Balance-Konzepte zu kurz, die ihren Blick nur auf die Arbeitswelt richten. Ihr Ausgangspunkt sollte sein: Wie leben die Mitarbeiter heute und mit welchen Anforderungen sind sie aufgrund ihrer Lebenssituation konfrontiert?

Dasselbe gilt für die Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch sie greifen oft zu kurz, weil sie den Fokus primär auf Familien und Alleinerziehende mit Kindern richten. Dabei stehen Singles häufig „noch stärker unter Strom“ als stolze Väter und Mütter – unter anderem, weil sie mehr Zeit in die Pflege eines Freundes- und Bekanntenkreises investieren müssen, der sie emotional trägt.

Viele Berufstätige sind heute aufgrund des fehlenden privaten Unterstützungssystems sehr verletzlich. So lange im Leben alles glatt läuft, ist das meist kein Problem. Doch wehe die Liebesbeziehung oder Ehe bricht auseinander und die Person fällt in ein emotionales Loch. Oder sie erkrankt. Oder ein Elternteil wird zum Betreuungsfall. Dann geraten viele Berufstätige schnell an ihre Belastungsgrenze. Kommen dann noch berufliche Sorgen hinzu, wird die persönliche Krise akut.

Herausforderung: die Balance im Leben bewahren

Bei fast allen Burnout-Gefährdeten und -Geschädigten hat die Überlastung auch private oder persönliche Gründe. Da ist zum Beispiel die Controllerin, die seit Jahren unter Schlafstörungen leidet – auch weil sie nicht den gewünschten Lebenspartner findet. Oder da ist der Salesmanager und Vater zweier Kinder, der meist nur am Wochenende zuhause ist, weshalb es in seiner Ehe kriselt. Oder da ist die Lehrerin, deren Vater einen Schlaganfall erlitt und nun einer intensiven Pflege bedarf. Bei all diesen Personen hat die Überforderung auch berufliche Gründe, doch nicht nur.

Diesen Zusammenhang haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb bieten sie ihren Mitarbeitern immer mehr Unterstützungsmaßnahmen an, um ihr Leben in Balance zu halten. Und viele machen sich auch Gedanken darüber, wie sie ihre Mitarbeiter entlasten können – zum Beispiel, wenn ein Elternteil zum Betreuungsfall wird. Und ihre Weiterbildungsprogramme enthalten zunehmend neben den üblichen Stressmanagement-Seminaren auch Angebote, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit der Mitarbeiter zu stärken – und diese dafür zu sensibilisieren, wann ein „Gefordert-sein“ in ein „Überfordert-sein“ umschlägt.

Betriebe entwickeln ausgefeiltere Programme

Fakt ist: Zumindest in den meisten Großunternehmen tut sich etwas. Sie entwickeln stets ausgefeiltere Präventionsprogramme, auch weil sie wissen: Wenn ein Leistungsträger zum Beispiel wegen eines Burn-outs mehrere Monats ausfällt, entsteht uns ein enormer Schaden. Und: In den kommenden Jahren wird es für uns immer schwieriger werden, qualifizierte Arbeitskräfte, die ausfallen, zu ersetzen. Also investieren sie mehr Zeit und Geld in das Erhalten und Bewahren der Gesundheit ihrer Mitarbeiter – nicht nur zum Wohl der Mitarbeiter, sondern auch des Unternehmens.

Über die Autorin

Sibylle Brechtel ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens Brechtel Gesundheitscoaching, Diez (bei Limburg), das Unternehmen und beruflich oder privat stark engagierte Personen im Bereich Gesundheitsförderung und -prävention unterstützt.

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