Fallbeispiel PM Business Value – Was man mit gutem Projektmanagement sparen kann

Inhaltsverzeichnis

Henning Zeumer schildert mit einem Fallbeispiel, was passiert, wenn man den Grundsatz „Vorbeugen statt Sanieren“ missachtet. Das Fallbeispiel verdeutlicht den Business Value eines guten Projektmanagements in einer Sprache, die das Top- und Bereichsmanagement am besten versteht: in barem Geld. Am besten geht das, wenn man ein Fallbeispiel heranzieht und die Frage stellt: „Was wäre gewesen wenn…?“ Leider gibt es wenige „Vorher-Nachher“-Untersuchungen, aber das Fallbeispiel rechnet recht gut vor, wie viel Geld letztlich durch Ignoranz oft verschenkt wird.

In seiner Themenserie „Turnaround in Projekten und Unternehmen“ rechnet Projektsanierer und Projektmanagement-Experte Henning Zeumer heute vor, wie viel Geld man in den Sand setzen kann, wenn man an der falschen Ecke spart.

Ein Fallbeispiel aus der IT

Das Fallbeispiel: Ein Softwarehaus hatte ein Festpreisprojekt für die Implementierung eines Software-Systems verkauft und suchte nun mangels eigener, verfügbarer Kapazitäten einen Projektmanager für die „Auftragsabwicklung“. Ich hatte auf die Anfrage hin die Anforderungen und Komplexität der Aufgabe aufgenommen (Projekt-Profiling) und aus meinem Netzwerk PM-Professionals.eu einen qualifizierten Kollegen angeboten. Das Vorstellungsgespräch ergab einen „Perfect Fit“, nur beim Tagessatz konnte keine Übereinkunft erzielt werden, der für das Systemhaus „betriebswirtschaftlich darstellbar“ gewesen wäre. Im Ergebnis wurde ein Projektleiter für 150 Euro pro Tag weniger engagiert, wohl wissend, dass dessen Qualifikation geringer war.

Ich gab dem Geschäftsführer zu Bedenken, dass er wohl den PM-Aufwand zu gering kalkuliert habe und bot ihm an, nach einem halben Jahr Projektlaufzeit kostenlos einen Projekt-Gesundheits-Check auf dieses Projekt durchzuführen. Er hat nach einiger Zeit wohl lange mit sich gerungen, sich selbst und mir einzugestehen, wie richtig ich gelegen hatte. Aber die Projektlage zwang ihn schließlich, etwas zu tun, und er vertraute mir wohl genug, um mich noch einmal um Rat zu fragen.

Sechs Monate später

Mein Audit nach sechs Monaten ergab dann auch deutliche Verzögerungen des geplanten Projektfortschritts, weil der Geschäftsführer den Arbeitsaufwand bei der Programmierung unterschätzt hatte, Brüche in der Planung der Ressourcen und Beistellungen, unvorhergesehene Probleme bei den Schnittstellen auftrat und latenter, schlecht gelenkter Disput über die vereinbarten Lieferungen und Leistungen herrschte. Die Stimmung im Projekt war bereits dabei, sich auf Positionen zurückzuziehen und diese zu sichern. Weiterer Ärger stand mit dem näher kommenden Termin für einen ersten Testlauf des Gesamtsystems ins Haus, weil dieses noch nicht so weit fertiggestellt war.

In nackten Zahlen stellte es sich im Fallbeispiel so dar:

  • Einsparung Projektleiter 6 Monate x 20 Arbeitstage x 150 Euro billiger = 18.000 Euro
  • Verzug des Projekts ca. 6 Wochen x 6 Mitarbeiter-FTE à 600 Euro/Tag = 108.000 Euro
  • Vertragsstrafe bei Verpassen des Integrationstest-Meilensteins 100.000 Euro (Wahrscheinlichkeit ohne Sanierung ca. 80%) = Risikowert 80.000 Euro
  • Kalkulation Mehraufwand für Sanierung ca. 4 Wochen zusätzliche 4 FTE = 48.000 Euro plus mein Honorar 24.000 Euro.

Die Entscheidung, einen billigeren, aber nicht ausreichend qualifizierten Projektleiter zu engagieren, hatte das Unternehmen nach einem halben Jahr also bereits 90.000 Euro „Business Value“ gekostet. Hinzu kamen 72.000 Euro, um den harten Meilenstein halten zu können und die Vertragsstrafe von weiteren 100.000 Euro zu vermeiden, angesichts eines Risikowerts von 80.000 Euro und ohne Sanierung zu erwartende, weitere Verzögerungen eine betriebswirtschaftlich vertretbare Option. Insgesamt waren also Mehrkosten / Margenverlust durch unangebrachtes „Sparen“ am falschen Ende zu Projektbeginn von ca. 162.000 Euro entstanden! Ich habe nicht nachgefragt, wie viel Marge (also Business Value) sich das Systemhaus ursprünglich bei diesem Projekt erhofft hatte…

Fazit

Selten bekommt man die Gelegenheit, so ein Audit „mit Ansage“ durchführen zu dürfen, wie im geschilderten Fallbeispiel. Denn nur wenige Executives wollen sich die Blöße geben, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Aber das Fallbeispiel zeigt – nach meiner Erfahrung kein Einzelfall! – wie wenig gutes Projektmanagement immer noch wertgeschätzt und sein Business Value also erkannt wird. Ein guter Projektmanager kann gar nicht so viel kosten, wie ohne ihn Geld verbrannt wird. Und es gibt auch eine Ahnung davon, wieviel mehr noch es gekostet hätte, wenn der Geschäftsführer nicht statt auf „Bordmittel“ zu hoffen die Größe gehabt hätte, eine echte Lösung zu betreiben und um Hilfe zu bitten…

Ihr
Henning Zeumer

Henning Zeumer, Turnaround in Projekten, Projektmanagement, Run the Business, Change the Business
„Run the Business“ und/oder „Change the Business“? Mit dieser Frage und dem Beitrag von Projekten, setzt sich Henning Zeumer heute in seiner Themenserie auseinander (Bild: © Henning Zeumer)

Über Henning Zeumer

Henning Zeumer ist seit mehr als 25 Jahren freiberuflicher Programm- und Projektmanager, PMI-zertifizierter PMP®, PgMPSM und auch Certified Scrum Master (CSM®). Seine besondere Expertise ist die Begutachtung und Sanierung gefährdeter Projekte. Er ist dabei auch beratend tätig im Portfolio-, Programm- und Projektmanagement als Advisor zur Entwicklung von PM-Aufbau- und Ablauforganisationen und -Infrastruktur, sowie Coach für Operational Excellence in Projekten.

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