Wie sich am Berliner Immobilienmarkt sozialpolitische Themen verlagern – Interview mit Matthias Dols
Herr Dols, die Berliner Durchschnittsmieten stiegen 2019 nur noch um 2,5 Prozent – halb so schnell wie vor zwei Jahren. Wie erklären Sie sich den gebremsten Mietenanstieg am Immobilienmarkt?
Der gebremste Anstieg der Mieten in Berlin um nur noch 2,5 Prozent ist damit zu erklären, dass die seit dem 1. Juni 2015 in Kraft befindliche Mietpreisbremse offenbar doch Wirkung zeigt. Seit dem Inkrafttreten der Mietpreisbremse ist es Vermietern bei einer Neuvermietung nicht mehr gestattet, eine Netto-Kalt-Miete zu vereinbaren, die mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Auch wenn vielfach versucht wird, die Mietpreisbremse zu umgehen, wirkt die Mietpreisbremse doch insbesondere bei den Neuvermietungen reduzierend; mit der Folge, dass auch die ortsüblichen Vergleichsmieten im Berliner Mietspiegel geringer gestiegen sind als in den Vorjahren.
In den vergangenen Monaten wurden sieben neue Milieuschutzgebiete durch die Senatsverwaltung ausgewiesen. Mittlerweile gibt es 57 in ganz Berlin. Dort besteht unter anderem eine Genehmigungspflicht, um Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Dennoch wurden im letzten Jahr fast alle Anträge auf Umwandlung genehmigt. Welche Rolle spielt die Privatisierung von Wohnraum für den angespannten Berliner Immobilienmarkt?
Grundsätzlich ist es zutreffend, dass die überwiegende Zahl von Umwandlungsanträgen genehmigt worden sind. Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, dass die Genehmigungen grundsätzlich nicht mehr ohne Auflagen erteilt werden. In aller Regel müssen sich Vermieter, die eine Umwandlung vornehmen wollen, gegenüber dem Bezirksamt verpflichten, für eine Zeitdauer von sieben Jahren die umgewandelten Wohnungen nur an Mieter zu verkaufen. Abgesehen davon gibt es nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen einen Anspruch darauf, dass die Umwandlung ohne Auflagen erteilt wird.
Durch die Privatisierung von Wohnraum wird der Druck auf den Immobilienmarkt erhöht, weil die umgewandelten Wohnungen häufig an Kapitalanleger verkauft werden. Deren Interesse richtet sich natürlich darauf, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Hierdurch steigen die Mieten und in vielen Fällen werden Eigentumswohnungen auch von den Eigentümern wegen Eigenbedarfs selbst beansprucht. Dieser Entwicklung soll durch die Einrichtung von Milieuschutzgebieten entgegengewirkt werden. So lange allerdings keine neuen Wohnungen in ausreichender Zahl gebaut werden, werden diese Maßnahmen nicht zu einer spürbaren Entspannung auf dem Wohnungsmarkt führen.
Berliner Immobilien sind als Zinshäuser auch für internationale Investoren interessant. Die Gewinnmargen haben sich dabei aber in den vergangenen zehn Jahren erheblich verringert. Erleben Sie einen ungebrochenen Optimismus bei den Investoren oder wird die künftige Amortisierung mittlerweile kritischer geprüft?
Derzeit erlebe ich bei internationalen Mandanten keineswegs mehr einen ungebrochenen Optimismus. Gründe dafür sind zum Beispiel die Einführung von Milieuschutzgebieten und die offensive Ausübung von Vorkaufsrechten durch die Bezirksämter bei Verkäufen von Zinshäusern, die in solchen Gebieten gelegen sind. Ein anderer ist die anhaltende Diskussion um Enteignungen von Immobilien und den Mietpreisdeckel. Dadurch werden gerade internationale Investoren zunehmend abgeschreckt und betrachten den Berliner Immobilienmarkt trotz der im internationalen Vergleich relativ günstigen Preise mittlerweile durchaus kritisch. Insofern halten sie sich mit Kaufentscheidungen zurück. Die Amortisation von Käufen wird angesichts der aktuellen politischen Diskussionen und bereits in Kraft getretenen und weiter angekündigten gesetzlichen Neuregelungen zunehmend kritisch geprüft. Es ist wohl zu erwarten, dass Investoren künftig ihr Geld in attraktivere Standorte investieren werden.
Die Neubauten können die anhaltende Nachfrage am Berliner Immobilienmarkt nicht decken, zudem wird überwiegend in anspruchsvolleres Wohneigentum investiert. Sehen Sie in Neubauten, etwa der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, eine Entlastung des Berliner Mietwohnungsmarktes?
Neubauten sind das einzige wirksame Mittel, um den angespannten Wohnungsmarkt in der Region Berlin zu entlasten. Allerdings sind die Anforderungen an Neubauten in Deutschland mittlerweile so hoch, dass die Kosten bei neu errichteten Wohnungen nur durch entsprechend hohe Mieten erwirtschaftet werden können. Für Normalverdiener sind diese Mieten kaum noch zu bezahlen. In dieser Situation könnten Neubauten von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, die zu deutlich günstigeren Konditionen vermietet werden, eine spürbare Entlastung bringen.
Hier wirkt dann allerdings der geplante Mietendeckel entgegen, da mit der Deckelung der Mieten den Wohnungsbaugesellschaften Kapital entzogen wird. Das wiederum kann dann natürlich nicht in Neubauten oder Modernisierungen investiert werden, sodass absehbar ist, dass die Bautätigkeit in den nächsten Jahren weiter stagnieren oder zurückgehen wird. Dementsprechend ist eine Besserung der Situation nicht zu erwarten.
Modernisierungsmaßnahmen führen immer wieder zu Streit zwischen Mietern und Vermietern. Wie weit geht dabei das Mitspracherecht der Mieter, was modernisiert werden darf?
Grundsätzlich haben Mieter kein Mitspracherecht bei der Frage, was modernisiert werden darf. Der Vermieter entscheidet allein, welche Maßnahmen er durchführt. Allerdings hat der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten der zweiten Stufe der sogenannten Mietpreisbremse dafür gesorgt, dass der Mietanstieg von 11 Prozent auf 8 Prozent der Modernisierungskoksten deutlich reduziert worden ist.
Umstritten sind insbesondere energetische Sanierungen, weil die versprochene Effizienz oft nicht erreicht wird und die Materialien unter ökologischen und Sicherheitsaspekten mitunter fragwürdig sind. Welche Möglichkeiten haben Mieter, sich dagegen zu wehren?
Der Vermieter benötigt zur Duldung der Modernisierung die Zustimmung der Mieter. Wenn eine Maßnahme überteuert oder unwirtschaftlich ist (Stichwort: Luxusmodernisierung) oder für den Mieter eine besondere Härte darstellt, kann der Mieter seine Zustimmung verweigern. In diesem Fall muss ein Vermieter seinen Anspruch auf Duldung gerichtlich durchsetzen und das Gericht prüft kritisch, ob die Voraussetzungen für die Zustimmung vorliegen. Gerade bei sogenannten Härtefällen, die in der Regel vorliegen, wenn nach der Modernisierung die Miete mehr als 33 Prozent des Haushaltseinkommens ausmacht, besteht eine hohe Erfolgsaussicht, dass sich der Mieter erfolgreich gegen die Modernisierungsmaßnahme zur Wehr setzen kann.
Bei Mietrechtsstreitigkeiten kann es schnell um erhebliche Summen gehen. Doch nicht jeder Rechtsstreit wird von Mieterschutzbund oder der Rechtsschutzversicherung übernommen. Wie sichern sich Mieter und Vermieter am verlässlichsten ab?
Hierauf kann man eigentlich nur die Antwort geben, dass es immer am besten ist, wenn man sich gar nicht erst streitet, sondern versucht, in jeder Situation einen Konsens zu finden. Dies ist insbesondere auch deshalb wichtig, weil es sich bei Mietverträgen um sogenannte Dauerschuldverhältnisse handelt, bei denen es wichtig ist, dass sie nicht durch unnötige Streitigkeiten belastet werden. Kommt es dennoch zu einem Streit, sollte man sich gerade als Mieter rechtsschutzversichern, da man nur so vor den hohen Kosten eines Rechtsstreits geschützt ist.
Der Verdrängungsprozess auf dem Berliner Immobilienmarkt hält weiter an. Dies führt auch zu zunehmenden Rechtsstreitigkeiten. Ist die Justiz dabei langfristig für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen eine Hilfe, oder verlagert sich hier nur ein sozialpolitisches Problem?
Die Justiz ist leider nur in wenigen Fällen eine Hilfe für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen. Die Berliner Justiz leidet bereits seit längerer Zeit an einer zu geringen personellen Ausstattung, insbesondere im Bereich des Zivilprozesses. Dadurch ziehen sich gerichtliche Verfahren häufig sehr lange hin, ehe eine Entscheidung fällt. Es kommt regelmäßig vor, dass gerichtliche Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung länger als zwei Jahre laufen. In dieser Zeit sind die Mieter, insbesondere wenn es um die Räumung ihrer Wohnung nach einer Kündigung des Mietverhältnisses geht, erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt und ziehen unter dem Druck resigniert aus ihren Wohnungen aus. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass sich hier ein sozialpolitisches Problem auf die Justiz verlagert, die es auszubaden hat, dass der Kampf auf dem Immobilienmarkt mit immer härteren Bandagen geführt wird.
Derzeit sind Fahrverbote auch für Berlin in aller Munde. Erwarten Sie künftig Prozesse um Wertminderungen von Immobilien durch den Straßenverkehr oder spielen solche Standortfragen für Investoren keine Rolle?
Da die angekündigten Fahrverbote bisher nicht in Kraft sind, lassen sich zurzeit die Auswirkungen auf die Wertentwicklung von Immobilien schlecht einschätzen. Es wird aber davon auszugehen sein, dass Immobilien in Gebieten, die von Fahrverboten betroffen sind, generell weniger attraktiv und damit preiswerter sein werden, als die übrigen Immobilien. Damit fließt dieses Thema bei der Standortwohl von Investoren ebenfalls mit ein. Solange allerdings die Nachfrage nach Wohnungen so hoch ist wie zurzeit, wird sich die Situation auf den Wert nur geringfügig auswirken.
Herr Dols, wir danken für Ihre interessanten Antworten.
Das Interview mit Matthias Dols führte Karin Kreuzer, Redakteurin bei AGITANO.
Über Matthias Dols
Matthias Dols arbeitet seit 25 Jahren als Rechtsanwalt und seit 18 Jahren als Notar in Berlin-Charlottenburg. Neben seinen notariellen Beurkundungen liegt sein Arbeitsschwerpunkt auf Wohnungseigentumsrecht, Mietrecht, Zwangsversteigerungsrecht und Insolvenzrecht. Aber auch in Handels- und Gesellschaftsrecht, im Erbrecht und im Familienrecht ist der renommierte Jurist notariell tätig.