Lächeln verboten…! Über die Rettung des Glücks in den Gärten des Gedächtnisses

Ein Lächeln, von Bekannten oder Unbekannten, macht uns froh und hebt unsere Laune. Trotzdem gibt es tatsächlich eine Initiative, die das Lächeln von Frauen als „strukturelle Gewalt“ erachtet. Man sieht: Auch ein simples Lächeln lässt sich mit Bedeutung aufladen, die kaum jemals zuvor intendiert war. Dabei ist ein Lächeln ein Zeichen des Glücks, das wir genießen sollten.

Zum Auftakt des Wonnemonats Mai philosophiert Ulrich B Wagner heute in „QUERGEDACHT & QUERGEWORTET“ über das Lächeln und die Bedeutung, die man ihm beimisst.

„Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.“

Erasmus von Rotterdam

„Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück als Glück.“

Chinesisches Sprichwort

Lächle und sei froh…

Du musst lächeln habe ich Dir gesagt … . Naja, oder so ähnlich. Doch der Reihe nach.

Lächeln ist die Waffe der Schweigsamen, sprang es mir heute morgen beim Kaffeemachen aus den Weiten meines Sprüchekalenders, den ich mir Anfang des Jahres in sentimentaler Anwandlung an die Wand gehängt habe, in meinen noch leicht schläfrigen Kopf.

Lachen verboten!

Lächeln und Glück
„Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück als Glück.“ (Foto: © Ulrich B Wagner & Alistair Duncan / alistairduncan.de)

Lächeln? War da nicht irgendwas? Lächeln gehört schlicht und einfach verboten. Der Türke an sich war da natürlich schon deutlich schneller als wir, die wir immer noch so naiv sind zu glauben, dass es im Leben darum geht, eine gewisse Leichtigkeit im Leben zu entwickeln und am Ende des Tages auch noch glauben, das Glück für uns finden zu können, wenn nicht sogar es als Recht für alle Menschen dieser Erde fordern zu können. Müsste ich jeden Tag das Gesicht von Erdogan ertragen, würde mir ehrlich gesagt auch das Lachen im Halse stecken bleiben. Vor diesem Hintergrund kann ich die Äußerungen des türkischen Vizepremiers Bülent Arincs nur nachvollziehen, der bereits im Sommer des vergangenen Jahres den türkischen Frauen neben so einigen anderen Dingen (Lesen Sie dazu auch meinen Beitrag Lachen verboten… oder: Die spinnen die Türken) die Heiterkeit in der Öffentlichkeit verbieten wollte. Warum sollte es anderen Menschen auch besser gehen als einem selbst? Wenn er Recht hat, hat er Recht, der Oberhüter der Ernsthaftigkeit. Angesagt ist Tugendhaftigkeit und Griesgrämigkeit.

Tugend voran!

Schlimm wird es meines Erachtens jedoch dann, wenn die Unlust im vermeintlichen Namen des mit Sicherheit hehren Kampfes gegen Frauenfeindlichkeit und Intoleranz in der Mitte unseres Lebens Einzug hält. Im Pilotbezirk Friedrichshain-Kreuzberg war es nunmehr soweit. Nachdem eine Reihe von klugen Menschen eine Arbeitsgruppe unter Mithilfe von Experten von Terre des Femmes und dem Frauennachtcafé Wildwasser einen Plan entwickelt hatten, wenigstens schon einmal Teile unserer Hauptstadt zu einer sexistischen „No-go-Area“ zu verwandeln.

Nach dem Willen der „Keller-Spaßvögel“ soll jede Werbung unterbunden werden, in der Frauen als „(willens)schwach, hysterisch, dumm, unzurechnungsfähig, naiv“ dargestellt werden. Frauen dürfen auch nicht „ohne Anlass lächelnd inszeniert“ sein oder „zu körperbetont bekleidet“ gezeigt werden. Also all das, was irgendwie vermitteln könnte, „dass Frauen hilfsbedürftig, fürsorglich, mit großer Freude im Haushalt beschäftigt, konsumsüchtig, abhängig, verführerisch, schön“ sind, ist ebenso tabu wie jede Abbildung, die dem Betrachter nahelegt, dass es besser ist, wenn man weniger wiegt oder eine glattere Haut hat. Wenn man nicht wirklich weiß, was man will, bringt es auch nichts, wenn man das Kind mit dem Bade ausschüttet, hätte meine Oma, Gott hab sie selig, wohl hierzu gesagt.

Mit „Lächeln verboten“ gegen die Diskriminierung?

Lächeln verboten und Tugend voran!
Frauen, die lächeln. Dumm, willensschwach und naiv? (Foto: © Ulrich B Wagner & Alistair Duncan / alistairduncan.de)

Ich für meine Person will einfach nur glücklich sein und wünsche es allen anderen von Herzen auch. Diskriminierung jeder Art ist mit Sicherheit verabscheuungswürdig. Doch ob es hierfür sinnvoll sein kann, sich wieder hinter Verboten, Zensuren und sonstiger Bilderstürmerei zu verbarrikadieren, möchte ich an dieser Stelle doch stark in Frage stellen. Die meisten Frauen, die ich kenne, kostet der ganze Kram eh nur ein müdes Lächeln. Und um Lächeln gar als „strukturelle Gewalt“ bezeichnen zu können, folgt man hierbei, nur so am Rande, der einschlägigen Definition des norwegischen Friedensforscher Johann Galtung, in der strukturelle Gewalt als die vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist, schließt man mit dem moralinen Betonmischer alles aus, was das Leben am Ende des Tages wirklich lebenswert macht.

Leiden wir vielleicht in unserer Zeit unter einer kollektiven Angst davor, glücklich sein zu können? Verbieten wir uns das Glück, und damit auch das Recht, am Ende des Tages nach seiner eigenen Façon glücklich zu werden?

Geschichten vom Glück aus dem Land des Lächelns

Ich fand daher die Geschichte im Rahmen DER SPIEGEL Serie „Das schönste Gefühl der Welt“ mehr als bezeichnend: Irgendwo in Peking: Die Luft ist klebrig. Geräusche klingen erstickt. Sonne oder blauen Himmel gibt es nicht. Und doch tanzt eine Mittfünfzigerin in Leggins mit einem Lächeln im Gesicht. Inmitten des grauen Trübsals der Smog-Metropole hat sie in einem Park ihren Ghettoblaster aufgestellt, der ohrenbetäubend laut Discomusik abspielt. Die Frau wiederholt immer wieder die selben Schrittfolgen. Die Welt um sie herum scheint nicht zu existieren. Ein paar Hundert Meter weiter steht ein Rentner mit Cowboyhut an einer achtspurigen Hauptstraße. Seelenruhig und verträumt guckt er seinem bunten Drachen hinterher, den er sanft über den Autos hin und her ziehen lässt. Auch er hat ein Lächeln auf den Lippen. (Geld, Freiheit, Sex: Acht Chinesen erzählen, was sie glücklich macht.)

Ich liebe Schönheit und Leichtigkeit!

Ich liebe das Lächeln von Menschen, auch von wildfremden. Ich liebe schöne Dinge, Menschen eingeschlossen, ich liebe die Leichtigkeit und das Unverkrampfte, das Regel- und Zügellose, die Welt in ihrer Buntheit und Vielfalt. Ich will glücklich sein. Auch wenn es niemals das Glück, genauso wenig wie „die“ Schönheit per se geben wird. Und Regeln, Maßregeln und Vorschreiben, wie es für jeden auszusehen und sich bitte schön anzufühlen hat, schon gar nicht.

Es ist und bleibt eine ganz und gar persönliche Angelegenheit, denn der Schlüssel zum Paradies der Leichtigkeit ist eine schwere Frage: Was willst du wirklich?

Das Alte in neuem Licht sehen, das Alte anders an- und einordnen, auch sich verkehrt zu erinnern gehört hierzu. Orhan Pamuk bezeichnete einmal das Gedächtnis als einen Garten, der zum Träumen und Flanieren und mit ein wenig kindlicher Neugierde und Leichtigkeit auch zum Finden und Wiederfinden des Glücks einlädt.

In diesem Sinne, wünsche ich uns allen sonnige und kreative Spaziergänge zum ersten Mai durch unsere Gärten des Gedächtnisses.

Ihr

Ulrich B Wagner

Über Ulrich B Wagner

Ulrich B Wagner, irrsinn, das positive denken
(Foto: © Ulrich B. Wagner)

Ulrich B Wagner (Jahrgang 1967) ist Diplom-Soziologe, Psychologe, Schriftsteller und Kolumnist. Sein Studium der Soziologie, Psychologie & Rechtswissenschaften absolvierte er an der Johann Wolfgang von Goethe Universität, Frankfurt am Main. Zusammen mit Professor Karl-Otto Hondrich arbeitete er am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an einer Reihe von Forschungsprojekten zum Thema „Sozialer und kultureller Wandel“.

Ulrich B Wagner ist Dozent an der european school of design in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt  Kommunikationstheorie, Werbe- und Konsumentenpsychologie, sowie Soziologie und kultureller Wandel und arbeitet als Berater sowie systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikation und Konzeptentwicklung, Begleitung von
Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Mail ulrich@ulrichbwagner.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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