Wie Sie der E-Mail-Flut trotzen – Interview mit Thomas Kiefer

Kaum etwas hält so auf wie das Abarbeiten von E-Mails. Auch das ist ein weit verbreiteter Knackpunkt, an dem Thomas Kiefer ansetzt: Nachdem es im vorangegangen Interview um gutes Zeitmanagement ging, widmet sich das heutige Interview der Frage, was ein gutes E-Mail-Management ausmacht. Und auch hier gibt er Ihnen wieder konkrete Tipps und Tricks an die Hand, wie Sie Ihren Umgang mit E-Mails optimieren können und ein enorm unterschätztes Potenzial ausschöpfen: So bringen Sie mehr Gelassenheit in Ihren Arbeitsablauf und sparen sich Zeit und Nerven.

Inhaltsverzeichnis

Gutes E-Mail-Management lässt sich erlernen – Thomas Kiefer im Interview

Herr Kiefer, viele Fach- und Führungskräfte werden täglich regelrecht von einer Flut an E-Mails überschwemmt und verbringen nur mit dem Lesen und Beantworten von E-Mails ein bis zwei Stunden des Arbeitstages, wenn nicht sogar mehr. Welche Rolle spielt die klassische E-Mail in der internen und externen Unternehmenskommunikation?

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Thomas Kiefer gibt hilfreiche Tipps gegen Zeitfresser; besonders gut im Griff sollten Sie dafür Ihr E-Mail-Management haben. (Bild: © Thomas Kiefer)

In nahezu allen Banken, in denen ich viel unterwegs bin, aber auch in so gut wie allen Unternehmen anderer Branchen, die ich begleite, ist die E-Mail das zentrale Medium zur Kommunikation mit Kunden, ergänzend zum persönlichen Kundenkontakt. Die interne Unternehmenskommunikation, die nicht über Besprechungen läuft, läuft über die E-Mail.

Neuere Systeme wie die Kommunikation via Social Intranet sind nach meiner Beobachtung noch selten und erobern nur langsam die Banken und auch die KMUs unter meinen Kunden.

Wie gehen Mitarbeiter und Unternehmen mit dem Thema E-Mail und dessen Management um?

Ohne hier eine Pauschal-Aussage treffen zu wollen, ist es oft so, dass – ob ausgesprochen oder nicht – die Meinung vorherrscht: E-Mails bearbeiten, das kann ja jeder. Dazu brauchen wir keine Schulung und schon gar keine Regeln, wie wir diese nutzen. Klar, es gibt oft Regeln, die beispielsweise die private Nutzung geschäftlicher E-Mail-Accounts untersagen oder auch explizit erlauben; und das Verbot, sensible Informationen via E-Mail zu verschicken. Darüber hinaus wird es, was professionelle Nutzung, Regeln und Vereinbarungen angeht, jedoch oft dünn.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Defizite?

Das größte Defizit sehe ich in den sogenannten E-Mail-Gewohnheiten. Oft wird bei jeder (!) neu eingehenden E-Mail, die durch lautstarken auditiven und unübersehbaren visuellen Reiz dem Empfänger signalisiert: „Sie haben überlebenswichtige Post.“ gleich reagiert. Egal, an welchem Thema ich gerade arbeite oder wer mir gerade gegenübersitzt, ich unterbreche meine Arbeit und beantworte die E-Mail. Und wenn es nur die Antwort ist: „Bin in einer Besprechung und melde mich später.“

Oft gibt es im E-Mail-System wenig bis keine Ordnung und Struktur. Der E-Mail-Eingang enthält hunderte E-Mails, viele davon rot markiert, weil ungelesen. Einfache Kniffe zum zeitsparenden Umgang mit E-Mails sind oft nicht bekannt. Nach meiner Erfahrung wissen die wenigsten, dass ich in den meisten E-Mail-Programmen aus einer E-Mail mit wenigen Mausklicks eine Aufgabe oder einen Termin machen kann. E-Mail-Regeln zum automatischen Verschieben werden nicht genutzt. Sogenannte QuickSteps in Outlook oder Quick Rules in Lotus Notes finden kaum Anwendung.

Die meisten Unternehmen haben keine E-Mail-Regeln für die interne und die externe E-Mail-Kommunikation vereinbart. Auch die Etikette lässt zu wünschen übrig. Schließlich ist es im Business, von der rechtlichen Problematik einmal ganz abgesehen, ein No-Go, wenn Sie E-Mails bekommen, die anstatt mit einer ordentlichen Signatur nur mit „Von meinem iPad gesendet“ enden.

Würden Sie sagen, dass ein professionelles E-Mail-Management heutzutage ein Muss ist und warum?

Sie haben es zu Beginn unseres Interviews selbst gesagt: Oft werden für das Lesen und Beantworten von E-Mails ein bis zwei Stunden täglich aufgewendet. Wir reden bei einer Stunde täglich und 40 Wochenstunden von 12,5 Prozent der Arbeitszeit, und das so gut wie für jeden Mitarbeiter. 12,5 Prozent der Arbeitszeit, der Personalkosten, der Umsatzchancen und so weiter. Oft können hier Potenziale von einer Stunde täglich je Mitarbeiter auch gehoben werden. Solche gewaltigen Produktivitäts-Potenziale heben Sie normalerweise mit keinem Projekt zur Optimierung von Geschäftsprozessen.

Wie sollte ein effizientes E-Mail-Management aussehen?

Zuerst einmal geht es um den individuell passenden Workflow der E-Mail-Bearbeitung und um die Entwicklung zielführender Gewohnheiten, um diesen Workflow auch zu leben. Die wichtigste Frage ist: „Wie oft ist es in welcher Position und Funktion notwendig und sinnvoll, sich der E-Mail-Bearbeitung zu widmen?“

Gutes E-Mail-Management kann mit einigen wenigen Prinzipien organisiert sein. Ich möchte nur eine Handvoll Beispiele nennen. Erarbeiten Sie im Unternehmen gemeinsam klare und für alle verbindliche E-Mail-Regeln: Wann schicken wir eine E-Mail, wann greifen wir zum Telefon, wann gehören Themen in ein Jour fixe und was stellen wir besser ins Social Intranet? Wie hat eine gute E-Mail auszusehen: Sprechende Überschriften, empfängerorientierte, kurze und klare Sprache. Gutes E-Mail-Management nutzt auch die vielfältigen Automatisierungsmöglichkeiten der E-Mail-Software.

Ein Großteil der Problematik mit E-Mails liegt natürlich im Menschen selbst und seiner Verhaltensweise im Umgang mit E-Mails. Wie können Führungskräfte und Mitarbeiter Ihr Verhalten nachhaltig ändern, sodass Sie jeden Tag mehr Zeit für andere Dinge im Arbeitsalltag erhalten?

Der Schlüssel ist die Änderung der E-Mail-Gewohnheiten. Das gilt für jeden einzelnen Mitarbeiter genauso wie für das ganze Unternehmen. Reservieren Sie sich täglich ein oder zwei Zeitblöcke für die Hauptphasen der E-Mail-Bearbeitung und beschränken Sie Ihren Blick in den Posteingang weitgehend auf diese Zeitblöcke. Es hilft, wenn alle im Team gleichzeitig an der Änderung dieser Gewohnheiten arbeiten und die Führungskraft vorneweg läuft. Oft braucht es auch ein wenig Selbstbewusstsein und Mut, Nein zu sagen, gerade auch zum Vorgesetzten: „Wollen Sie, dass wir im Projekt xy weiterkommen, oder dass ich jede E-Mail von Ihnen gleich beantworte?“

Entwickeln Sie eine Zeitkultur, die dazu sensibilisiert, mit der Zeit der Kollegen und auch mit der eigenen Zeit ressourcenschonend und zielorientiert umzugehen.

Um Gewohnheiten, nicht nur zur E-Mail-Bearbeitung, nachhaltig zu ändern, ist es sinnvoll, dass sich Führungskräfte mit tieferliegenden Antreibern und Glaubenssätzen, aber auch mit ressourcenorientierter Selbststeuerung beschäftigen. Auch die Beschäftigung mit den Resilienzschlüsseln ist ein guter Weg, um aus dem alten Trott herauszukommen. Dabei geht es unter anderem darum, Unabänderliches wie Unterbrechungen von der Arbeit besser zu akzeptieren. Die Teilnehmer eines Resilienz-Trainings lassen die Opferrolle hinter sich, nehmen eine lösungsorientierte Perspektive ein und übernehmen mehr Selbstverantwortung für ihr Tun – und vor allem für ihre Zeit.

Heutzutage rufen Führungskräfte permanent ihre E-Mails ab, sei es am Arbeitsplatz, in Meetings oder auf Geschäftsreise sowie spät abends und früh morgens. Für viele Mitarbeiter ist die ständige Erreichbarkeit und der Druck, gleich antworten zu müssen, purer Stress. Wie sehen Sie dies und was kann man dagegen tun?

Muss ich als Mitarbeiter denn wirklich gleich antworten? Meiner Erfahrung nach kann ich meine Führungskraft, die von mir eine Antwort auch außerhalb der Arbeitszeit erwartet, ob ausgesprochen oder nicht, auch ein Stück weit erziehen. Ständige Erreichbarkeit und vor allem Reaktionszeiten rund um die Uhr korrelieren nicht unbedingt mit dem Unternehmenserfolg, im Gegenteil. Es gibt kein Richtig oder Falsch und schon gar keine Standard-Empfehlung; und es kommt auf die Position und Funktion im Unternehmen an.

Trotzdem braucht es Regeln oder auch die Anpassung von Regeln: E-Mails früh morgens, noch vor dem Frühstück und vor der Fahrt zur Arbeit und spät abends, zu Hause auf der Couch zu bearbeiten, halte ich für die allermeisten Funktionen nicht für richtig. Das ist langfristig nicht gesund – der Arbeitgeber hat auch eine Fürsorgepflicht – und es ist auch nicht wirtschaftlich. In Jobs, die tagsüber in Kundenterminen sind – denken Sie an Außendienstler oder Unternehmensberater – ist das, was Sie beschreiben (früh morgens und spät abends), oft gängige Praxis. Doch auch hier ist es entscheidend, das richtige Maß, einen vernünftigen Kompromiss zu finden.

Die E-Mail ist meiner Meinung nach kein Echtzeit-Medium, sondern eher wie die Papierpost zu sehen, die ich einmal täglich bearbeite. Wenn schnellere Reaktionen notwendig sind, ist ein Telefonat oder die Nutzung eines Messenger-Dienstes sinnvoller. Diese Medien sollten die E-Mail jedoch nicht ersetzen, sondern wirklich nur in wenigen dringenden Fällen genutzt werden. Dann ist das auch in Ordnung.

Wie haben Sie Ihr persönliches E-Mail-Management organisiert?

Zuerst einmal: Ja, auch ich schaue mehr als ein- bis zweimal täglich in meine E-Mails. Ich scanne am Morgen beim Start der Arbeit den E-Mail-Eingang. Gibt es etwas, zum Beispiel eine Kundenanfrage, auf die ich dringend reagieren muss? In dem Fall reagiere ich dann auch. Zeitaufwand dafür: nicht mehr als fünf Minuten am Morgen. Sofort danach jedoch widme ich meine Zeit meinen Kundenterminen oder Prio-A-Aufgaben und meine E-Mails haben Pause; in den meisten Fällen bis nach der Mittagspause. Nach der Mittagspause folgt der zweite Fünf-Minuten-E-Mail-Scan des Tages. Wenn erforderlich, reagiere ich gleich via Antwort-E-Mail oder telefonisch. Dann, am Ende des Arbeitstages, als letzte Tätigkeit, arbeite ich meine E-Mails im Stapel ab und folge damit zu 98 Prozent dem Prinzip des Nur-Einmal-Anfassens des jeweiligen E-Mail-Vorgangs.

Ziel ist die ZERO Inbox, das heißt, den E-Mail-Eingang möglichst täglich komplett zu leeren. Dazu brauche ich jeden Tag circa eine halbe Stunde. Die sogenannte Zwei-Minuten-Regel anwendend werden die meisten E-Mails sofort beantwortet. Für größere Themen erstelle ich mir einen Termin im Kalender oder eine Aufgabe in meiner elektronischen Aufgabenliste. Dazu wandle ich die E-Mail in einen Outlook-Termin oder eine elektronische Aufgabe um. In meinem E-Mail-Eingang landen nur „echte“ E-Mails, das heißt die Kommunikation mit Kunden, Interessenten, Lieferanten und Partnern. Newsletter beispielsweise landen via automatisierter E-Mail-Weiterleitung direkt in meinem Evernote-Account, wo ich diese im Rahmen eines dafür definierten Zeitblocks für mein „Info-Monitoring“ ein- bis zweimal die Woche im Überblick „scanne“ und für mich relevante Informationen weiterverarbeite.

Wenn ich mich nun dem Thema widme, mit welchen drei Punkten sollte ich bei der Optimierung meines E-Mail-Managements anfangen?

  1. Wann schreibe ich eine E-Mail:
    Zuerst einmal sollte ich, abhängig von den Rahmenbedingungen meines Arbeitgebers, für mich klar wissen, für welche Art von Kommunikation der Versand einer E-Mail für mich der richtige Weg ist. Welche Post leite ich besser über andere Wege? Wann ist ein Telefonat oder auch ein persönliches Gespräch sinnvoller? Gute Alternativen sind das Social Intranet und – in Ausnahmefällen – auch Messenger-Dienste.
  2. Einen für mich stimmigen E-Mail-Workflow aufsetzen:
    Dann sollte ich mir die Frage stellen, wie ich mein E-Mail-Management, abgestimmt auf meine Funktion im Unternehmen, auf meine persönliche tägliche Leistungskurve und auf meinen idealen Arbeitstag stimmig, das heißt möglichst zeitsparend und effizient in mein tägliches Tun integrieren kann. Ich sollte also für mich klären: Welche sind für mich sinnvolle tägliche E-Mail-Zeiten, die ich, immer flexibel bleibend, weitgehend einhalte? Und wenn ich hier für mich noch Entwicklungs- und Effizienz-Potenziale sehe: Was tue ich konkret, um meine Gewohnheiten im effizienten Umgang mit E-Mails zielführend zu beeinflussen – und wer kann mich dabei unterstützen?
  3. Auf die besten Werkzeuge setzen:
    Das E-Mail-Management ist stets im Kontext des gesamten Workflows zu sehen. Das heißt, die E-Mail-Software ist sinnvoll, synchron und mit guten Schnittstellen in meine Arbeitsumgebung, also Kalender, Aufgaben-Management, CRM, Office et cetera zu integrieren. Stellen Sie sich hier die Frage: Welche Schritte zur Optimierung fehlen mir noch und wie beziehungsweise mit wessen Hilfe kann ich diese möglichst schnell für mich umsetzen?

Vielen Dank für das interessante Gespräch und die hilfreichen Ansätze und Tricks, wie sich jeder für sich und im Unternehmen das E-Mail-Management verbessern kann – je nachdem, welche Funktion man einnimmt. Mit Ihren Tipps lässt sich der Stress mit E-Mails sicherlich für viele enorm reduzieren.

Das Interview mit Thomas Kiefer führte Oliver Foitzik, Herausgeber des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO und Geschäftsführer der FOMACO GmbH.

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Ihr Zeitmanagement bestimmt Ihr E-Mail-Management – nicht umgekehrt. (Bild: © Thomas Kiefer)

Über Thomas Kiefer:

Dass Sie Ihre Zeit weise nutzen, macht sich Thomas Kiefer  gern zur Aufgabe. Wenn Ihr Ressourcen-Einsatz nicht immer die gewünschten Ergebnisse bringt, Sie abends nicht zufrieden mit Ihrer Leistung sind und Sie daran etwas ändern möchten, sind Sie bei Thomas Kiefer richtig. Ob Unternehmen, Teams, Führungskräfte oder Privatpersonen: Nach seiner Tätigkeit als Banker und Unternehmensberater unterstützt er heute als Optimierer und Begleiter Sie dabei, den eigenen Weg zu finden und die dafür nötigen Ziele zu erreichen. Er zeigt Ihnen anhand seiner seit 20 Jahren bewährten Erfolgsprinzipien, wie Sie besser ins Tun kommen und wirksamer werden.

Mehr über Thomas Kiefer auf www.thomas-kiefer.de.

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