Ralf Hocke ist Geschäftsführer der spring Messe AG und damit Veranstalter der größten Personalfachmesse Europas – der Zukunft Personal, die am morgigen Dienstag beginnt. Das Schwerpunkt-Thema der Messe, „arbeiten 4.0“ und die Digitalisierung von HR sieht er als Zukunftsthema, in dem HR noch Nachholbedarf hat und das neue Herausforderungen mit sich bringt. Im Interview erklärt Ralf Hocke, wo er die Chancen und Herausforderungen für HR in Sachen Digitalisierung sieht.
„Die Digitalisierung fordert von HR neue Kompetenzen“
Hallo Herr Hocke. Mit dem Thema „Arbeiten 4.0“ hat die Zukunft Personal dieses Jahr ein Thema, das alle Unternehmensbereiche durchzieht. Inwiefern betrifft die Digitalisierung das HR-Management ganz besonders?
Mit dem Messemotto „arbeiten 4.0“ möchten wir darauf aufmerksam machen, dass die Arbeitswelt gerade vor einem radikalen Umbruch steht. Vernetztes Arbeiten unabhängig von Zeit und Ort, Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen – Stichwort Industrie 4.0 – und ein damit einhergehender Wertewandel der Mitarbeiter sind nur einige der Dinge, die dabei auf uns zukommen. Diese Entwicklung müssen auch Akteure im Personalmanagement aufgreifen und mit neuen innovativen Lösungen angehen. Da sind ganz neue Szenarien denkbar. HR muss sich dafür neu ausrichten. Mit Maßnahmen in der Organisations- und Personalentwicklung können HR-Manager dazu beitragen, dass Menschen so vernetzt sind und ständig so lernen, dass sie der neuen Komplexität gewachsen sind.
Gleichzeitig wird es auch in HR selbst nicht ohne weitere Digitalisierung und Self-Services der Mitarbeiter gehen. Damit gewinnen Personaler Freiräume für strategische Aufgaben, die wir dringend angehen müssen. Deshalb bin ich überzeugt, dass es für Personalmanager nicht mehr ohne digitales Know-how gehen wird. Doch in der HR-Szene ist diese Überzeugung keine Selbstverständlichkeit. Viele Personalverantwortliche nehmen die digitale Transformation bislang eher als neutrale Beobachter wahr – schließlich beschäftigen sie sich mit den Menschen in ihren Organisationen. Dass das eine das andere nicht ausschließt, ist nach meiner Beobachtung noch nicht bei allen angekommen.
Wo ist HR im Bereich Digitalisierung schon gut aufgestellt und wo besteht noch Aufholbedarf?
Bewerbermanagement, Talentmanagement und digitale Personalakte – bei diesen Anwendungen nimmt die Durchdringung in den Unternehmen stetig zu, auch wenn es selbstverständlich immer noch vor allem KMU gibt, die hier Nachholbedarf haben. Auch in der Weiterbildung setzt sich zunehmend ein Blended-Learning-Ansatz (mehr dazu im Interview über Design Thinking mit der Blended-Learning-Expertin Katrin Polon-Schulz) durch. Aufholen müssen viele Arbeitgeber noch bei mobilen Anwendungen – sei es für HR-Tools oder in Bezug auf die Bewerbungsprozesse.
Und Big Data ist für Personalmanager noch sehr neu. Wir haben dazu eine Trendstudie mit der Humboldt Universität zu Berlin und dem Institut IQP durchgeführt. Die Ergebnisse waren doch sehr ernüchternd. Zwar führen schon etwa 14 Prozent der Unternehmen HR-bezogene Big-Data-Projekte durch, davon wurden aber nur 9 Prozent aus den Personalabteilungen heraus betrieben. 44 Prozent der von uns befragten Unternehmensvertreter planen nichts in der Richtung. Es fehlt am Personal mit der entsprechenden Expertise, den Tools und den Budgets. Da ist noch viel Luft nach oben.
Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da, wenn es um digitalisiertes HR-Management geht?
Im Juli war ich auf dem Kongress der SHRM in Las Vegas und hatte dort schon den Eindruck, dass die allgemeine Wahrnehmung zutreffend ist: In Sachen Digitalisierung, Big Data und People Analytics tun wir uns in Europa und speziell in Deutschland schwer. Das Arbeitsrecht und der Einfluss des Betriebsrats sind hier stärker. Das heißt aber nicht, dass wir uns vor den Entwicklungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, verschließen sollten. Wir müssen bei diesen Themen unseren eigenen Weg finden. Und bei vielen HR-Disziplinen gibt es keinen Grund, sich im internationalen Vergleich hinten anzustellen.
Manche behaupten, HR werde wegen der Digitalisierung obsolet: Social Networks und freier Informationszugang über das Internet übernehmen schließlich Kernfunktionen der Personalabteilungen. Schließen Sie sich dieser Meinung an?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber dass sich einige Aufgaben verschieben und nicht mehr direkt in HR erledigt werden, das ist schon möglich. Es ist einfach effizienter, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte viele Dinge wie die Pflege der Personaldaten selbst übernehmen. Es kann durchaus auch sinnvoll sein, dass die Fachabteilung ihr Personal selbst auswählt – allerdings unter „Aufsicht“ von HR. Die Personalabteilung wird sich vermutlich in zwei Richtungen entwickeln: Zum einen könnte sie als eine Art Qualitätssicherung für Personalbeschaffung und Weiterbildung fungieren. Zum anderen könnte eine Personalabteilung, die wichtige Basisaufgaben wie die Personalverwaltung automatisiert hat, sich ganz neuen innovativen Ansätzen für das Personalmanagement widmen und so dabei mithelfen, die Arbeitswelt der Zukunft völlig neu zu erfinden. Ich hoffe, dass Personaler hier offen sind für neue Entwicklungen. Doch wer kann schon in die Zukunft schauen? Vermutlich wird es einige Unternehmen geben, die radikale Wege austesten und ich bin gespannt, welche Ansätze sich dabei bewähren.
Hat die Digitalisierung von Unternehmen auch Einfluss auf die Führungskultur?
Ja, indirekt schon. Die Digitalisierung ermöglicht es uns zumindest rein technisch, unabhängig von Zeit und Ort jederzeit zu arbeiten. Das bringt neue Anforderungen an Führung mit sich, etwa in Bezug auf virtuelle Teams oder Work-Life-Balance. Führungskräfte müssen stärker vorleben, wie man die „Always-on-Mentalität“ in einem gesunden Maß hält.
Es ist sicher auch kein Zufall, dass gerade Softwareunternehmen und Start-ups (mehr dazu im Interview mit spottster-Gründerin Freya Oehle) mit Ansätzen für eine neue Führungskultur Schlagzeilen machen – im Sinne von mehr Partizipation der Mitarbeiter und Demokratisierung von Unternehmen. Diese Unternehmen müssen den raren IT-Fachkräften etwas bieten – Mitbestimmung ist quasi die neue Währung im digitalen Zeitalter, gerade wenn Unternehmen keine exorbitanten Gehälter anbieten können. Gleichzeitig können die Betriebe so auch Prozesse verschlanken, wenn sie einige Hierarchie-Ebenen wegnehmen. So sind sie in der Lage, schneller auf Kundenanfragen zu reagieren und interne Abstimmungsprozesse abzukürzen. Doch man sollte sich vorher gut überlegen, ob flache Hierarchien zum eigenen Unternehmen passen. Wir werden in Sachen Führungskultur vermutlich in den nächsten Jahren sehr unterschiedliche Antworten auf die Herausforderungen der digitalen Transformation beobachten können.
Lieber Herr Hocke, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Zukunft Personal 2015.
Das Interview führte Dr. Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.
Über Ralf Hocke
Ralf Hocke ist seit September 2014 Geschäftsführer der spring Messe Management GmbH in Mannheim, einer Tochter der Deutschen Messe AG und Veranstalter von Fachmessen wie der Zukunft Personal, PERSONAL und Corporate Health Convention. Er kam von der Droege Group aus Düsseldorf, wo er eine Führungsposition im Bereich der Unternehmensberatung innehatte. Bereits seit 2012 ist er für die Deutsche Messe tätig.