Führungsriegen unterschätzen den Aufklärungsbedarf ihrer Mitarbeiter
Interview mit Anke van Beekhuis zum Thema Change Prozesse erfolgreich umsetzen
Frau Van Beekhuis, Sie begleiten Unternehmen seit langen Jahren mit Strukturberatung, bei Strategie- und Führungskräfteentwicklung und in Change Prozessen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, denen Unternehmen und ihre Führungskräfte heute gegenüberstehen?
Die größte Herausforderung ist aus meiner Erfahrung die Kommunikation. Das klingt sehr banal und ist es im Grunde auch. Die gesamte interne Kommunikation zwischen MitarbeiterInnen und Führungskräften – vor allem zu so brisanten Themen wie der Wandel im Unternehmen und was dabei kommunikativ zu beachten ist – ist ein wichtiges Kriterium auf dem Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen. Wenn Dinge oder Projekte scheitern, sind die Gründe nicht immer nur im Außen oder beim Marktgeschehen zu suchen, sondern sehr stark im Inneren. Die „alte“ Kommunikationsregel „intern vor extern“ kommt ja nicht von ungefähr. Wie klar und in die Tiefe gehend wird kommuniziert? Kennen alle Führungskräfte den gemeinsamen Weg? Wie wird dieser Weg beschritten? Was ist dabei wichtig?
Es geht vor allem darum, klare und strukturierte Rahmenbedingungen zu schaffen. Für MitarbeiterInnen wie auch Führungskräfte, damit alle jederzeit handlungs- und arbeitsfähig sind. Wird diese Struktur – zum Beispiel durch die richtige Kommunikation – nicht geschaffen, schweben viele in der Luft und wissen nicht genau, was jetzt ihre nächste Aufgabe oder Rolle ist. Genau da entstehen dann weiterführende Probleme. Sind die Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten in einem Unternehmen nicht klar dargelegt, werden immer wieder Fehler und Probleme entstehen.
Was ist aus Ihrer Erfahrung der häufigste Grund, warum Unternehmen in Change Prozessen scheitern beziehungsweise diese gar nicht erst richtig beginnen?
Es ist aus meiner Erfahrung immer die falsche Vorgehensweise, die Change Prozesse in Gefahr oder vollkommen zum Scheitern bringt. Change bedeutet im Grunde für jeden Menschen Schock, Wut, Angst und Trauer um das Bestehende. Die Unternehmensleitung vergisst sehr oft, dass sie sich selber mit dem Change Gedanken ja schon sehr lange beschäftigt. Denn es braucht ja intensive Vorbereitung, bevor die MitarbeiterInnen erfahren, was geplant ist. Dann erst wird der Wandel eingeleitet. Das erste Problem dabei ist meist die falsch angelegte Kommunikation. Das zweite Problem stellt die mangelnde Fähigkeit der Führungskräfte dar, mit den nun frei flutenden tiefen Emotionen der Belegschaften richtig umzugehen.
Wie Change Prozesse eingeleitet werden ist von hoher Bedeutung. Genau so wichtig ist auch der Umgang mit den Ängsten, der Wut und dem Ärger der MitarbeiterInnen bei größeren Change Prozessen. Starten wir mit der Kommunikation. Ehrlichkeit zählt hier sehr. Auch das Zulassen von Emotionen ist von Bedeutung. Wichtig ist auch das inhaltliche Erklären, warum der Change jetzt in dieser Form notwendig ist. Sehr viele Führungsriegen unterschätzen den diesbezüglichen Aufklärungsbedarf ihrer Mitarbeiter. Um einen Change Prozess zu einem unternehmensinternen Erfolg zu machen, ist es notwendig, auf die Zukunft einzugehen und klare Rahmenbedingungen und die geplante Vorgehensweise zu kommunizieren. Wer hier als Führung abwinkt und gewisse Fragen erst gar nicht zulässt, wird die Mitarbeiter verunsichern. Auch diffuse Aussagen wie „Details sagen wir Ihnen noch!“ sind eher nicht geeignet, Vertrauen zu bilden. Es braucht Klarheit für die MitarbeiterInnen und Verständnis für deren Ängste und Emotionen. Eine Hotline kann hier sehr gute Dienste leisten.
Dass Veränderung mit Emotionen und erhöhtem Kommunikationsbedarf einhergeht, ist vielen nicht klar. Veränderung wird teilweise als „technisches Hilfsmittel“ gesehen und wird auch gerne sehr technisch behandelt. Der Mensch kommt dabei zu kurz und wird oft alleine gelassen. Einige Mitarbeiter müssen gehen, die anderen dürfen bleiben. Die, die bleiben (dürfen) haben oft Jahre später noch damit zu kämpfen, weil sie das Gefühl nicht loswerden, die nächsten zu sein. Diese Ängste bleiben erhalten. Und dann kommt es zu unterschiedlichen Mechanismen und Verhaltensweisen im Unternehmen. Meine eindeutige Beobachtung ist, dass offene Kommunikation nicht mehr gelebt wird. Veränderungsfähigkeit ist in der Zukunft für jedes Unternehmen wichtig. Unternehmen können am Markt nur bestehen, wenn sie eine gewisse Entwicklungsfähigkeit haben und von Fehlern und dem Umgang damit immer wieder lernen. Menschen, die Ängste haben, sind nicht offen und schon gar nicht veränderungsbereit. Meine Empfehlung an Unternehmen ist es daher, im Rahmen eines Change Prozesses vorrangig diese Ängste zu adressieren und auszuräumen.
Sie sind eine klare Befürworterin einer Führungskultur, in der beide Geschlechter gleich starke Impulse setzen. Im deutschsprachigen Raum tun sich manche Unternehmen noch schwer mit diesem Richtungswechsel. Warum ist das aus Ihrer Sicht so, und was raten Sie Unternehmen, um diesen Entwicklungsschritt in Richtung geschlechterausgewogenes Management erfolgreich zu implementieren?
Unternehmen, die diese Richtung verpassen, verlieren mit Sicherheit Geld. Es geht hier nicht, um ein „nice to have“, sondern um die eindeutige Wertsteigerung des Unternehmens. Ich werde immer öfter zu Beratungsgesprächen in Unternehmen eingeladen, weil diese Unternehmen richtig Geld verlieren. Wenn zwei Männer bei wichtigen Projekten in einer Verhandlung einer Frau gegenübersitzen, die noch dazu die Klaviatur der Kommunikation und das richtige Geschlechterverhalten beherrscht, dann kommen diese Männer mit weniger Geld zurück. Darauf kann gewettet werden. Das sagen mir auch meine Kunden. Amerikanische Unternehmen haben diesen Mehrwert schon sehr gut erkannt. Es geht dabei auch um verschiedene Lösungsansätze. Da es einfach Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Herangehensweise an Probleme gibt, sind die Lösungsansätze ebenfalls andere, und genau das bringt ein Unternehmen Schritt für Schritt weiter. Geschlechterausgewogenes Management hat aus meiner Sicht nichts mit Feminismus zu tun, sondern mit nachhaltiger, langfristiger und stabiler Unternehmensführung, die gezielte Wertsteigerung herbeiführt.
Sie beraten Führungskräfte und Unternehmen dahingehend, zu entdecken, was richtig wichtig ist und die daraus gefundenen Erkenntnisse in der jeweiligen Unternehmenskultur dann auch entsprechend umzusetzen. Wie gehen Sie in diesen Prozess? Wie erkennen wir, was uns wirklich wichtig ist?
Viele Unternehmerinnen haben auf ihrem Weg die Erinnerung daran verloren, warum sie gestartet sind. Sie arbeiten sehr stark im operativen Bereich und nicht mehr in der Ebene der Sinnarbeit im Unternehmen. Und genau diese wichtige Ebene prägt natürlich die Unternehmenskultur. Zuerst gehe ich mit der Unternehmensleitung zusammen auf die Suche nach der Leidenschaft des Unternehmens und der Personen dahinter. Danach schauen wir, wie weit das Unternehmen in diese Richtung schon aufgestellt ist. Wir arbeiten daran, wieder einen gewinnbringenden Spirit ins Unternehmen zu bekommen. Das Unternehmen bekommt in diesem Prozess so etwas wie eine neue Vitalisierung und neuen Schub, um Dinge zum weiteren Wachsen zu bringen. Oft hat die Unternehmensleitung nach diesem Prozedere dann wieder mehr Lust und Spaß daran, das Unternehmen zu gestalten und zu entwickeln. Der alte Staub fällt wie nach einem intensiven Frühjahrsputz ab und der neue Spirit kann sich frisch und glänzend zeigen.
In einem Ihrer Vorträge sprechen Sie von den drei W: „W³ – Wertigkeit, Wichtigkeit & Wirklichkeit“. Was können sich unsere Leser darunter in der gelebten unternehmerischen Praxis vorstellen?
Wir haben teilweise in der Routine des Alltags verlernt oder vergessen, unseren wichtigen Dingen Wertigkeit zu geben. Nicht das, was wir im Rahmen unserer Tätigkeit tun müssen. Sondern die Wertigkeit unserer Wünsche, Ziele und Vorstellungen. Wir glauben oft, etwas tun zu müssen und verlieren uns dabei in Kleinigkeiten. Wertigkeit sollte bedeuten, die wirklich wichtigen Dinge für uns selber oder für das Unternehmen anzupacken und zu leben. Dazu muss man sich auf die Suche machen, um für sich herauszufinden, was denn jetzt im Moment wirklich wichtig ist. Das ist meist nicht einfach und braucht Zeit, aber es lohnt sich. Danach müssen wir unserer Wertigkeit auch die notwendige Wichtigkeit geben.
Kunden von mir überlegen zum Beispiel schon länger, noch eine weitere Ausbildung zu machen und das Management teilweise abzugeben. Sie haben das ganz sicher für sich beschlossen, wollen das tun, kommen aber trotzdem nicht dazu, in die reelle Umsetzung Zeit zu investieren. Deswegen ist es so wichtig, sich genug Zeit zu nehmen und diese auch präzise einzuplanen. Sonst geraten wir in die berühmte Spirale „nächstes Jahr ist sicher mehr Zeit, nächstes Jahr setze ich es dann um“. So können Jahre ins Land gehen und nichts ist passiert!
Wichtigkeit bedeutet, Wünsche und Ziele wirklich wichtig zu nehmen und sich bewusst darum zu kümmern, die Dinge in die Umsetzung zu bewegen. Also bedeutet Wichtigkeit nach der Wunscherkennung die Analyse der Ziele und Wünsche, um klarer zu sehen und zu entdecken, wie wichtig sind sie wirklich und bis wann müssen sie erfüllt sein. Danach geht es in die Wirklichkeit. Wie schaffen wir es, das ganze real werden zu lassen? So funktioniert der gezielte Plan, um Wertigkeiten auch tatsächlich leben zu lassen.
Verraten Sie uns Ihre fünf wichtigsten Tipps auf dem Weg zur persönlichen und unternehmerischen Zielerreichung?
- Nehmen Sie sich einmal im Jahr Zeit, sich bewusst zu werden, was Ihnen wirklich wichtig ist im Leben, im Unternehmen, im Jahr. Überlegen Sie sich dies auch unter der Perspektive, wie Ihr Leben in fünf Jahren aussehen soll.
- Lassen Sie sich von Ihren Wünschen und Zielen nicht abbringen. Nie, es gibt immer einen Weg!
- Teilen Sie Ihren Weg mit den wirklich wichtigen Menschen. Suchen Sie sich Verbündete.
- Seien Sie bereit zum Scheitern auf diesem Weg zu Ihren Zielen. Sollte das passieren, stehen Sie einfach wieder auf. Fehler passieren jedem.
- Denken Sie jeden Tag an das, was Sie wirklich wollen und formen Sie so Ihre Zukunft. Führen Sie dazu am besten ein Ziel/ Wunsch/ Erfolgstagebuch.
Frau Van Beekhuis, herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Insbesondere für die Einblicke, warum so viele Unternehmen so oft an den für sie wichtigen Change Prozessen scheitern – und wie ihre Führungskräfte genau das verhindern können.—
Das Interview führte Oliver Foitzik, Herausgeber des Wirtschafts- und Mittelstandsmagazins AGITANO sowie Geschäftsführer der FOMACO GmbH.—
Über Anke van Beekhuis
Als Beraterin und Vortragende begleitet Anke van Beekhuis Unternehmen bei der Strukturberatung, Strategie- und Führungskräfteentwicklung und in Change-Prozessen im In- und Ausland. Über tausend Führungskräfte und Vorstände haben von ihrem Fachwissen in Form von Vorträgen, Workshops, Lehrgängen und persönlicher Beratung profitiert.
Mehr über Anke van Beekhuis erfahren Sie auf www.ankevanbeekhuis.at.