Geld oder Leben? Warum der innere Bezug zu Geld Sie eben nicht vor die Wahl stellt – Andreas Enrico Brell im Interview
Herr Brell, Geld und vor allem Geldsorgen sind ein schwieriges Thema: Kaum jemand redet offen über die eigenen Finanzen. Warum ist dies so?
Geld ist ein sehr emotionales Thema, obwohl kaum jemand dies vermutet. Hinter den Zahlen, Daten und Fakten stehen als Spiegel unsere Ängste und Sorgen und diese verstecken wir lieber. Die Gedanken und Gefühle, die wir adaptiert, gelernt oder erlebt haben, prägen unser heutiges Verhalten bei Geld. So wie Sex, Religion und Politik ist Geld ein Reizthema, es zeigt unsere gesellschaftlichen Unterschiede, zum Beispiel in Form von Arm und Reich, und bietet damit viel Konfliktpotential. Damit wir uns damit nicht beschäftigen müssen, machen wir einen „Deckel drauf“. Unter diesem Deckel verstecken wir vor allem unsere ungeklärten Beziehungen. Zu uns selbst, zu anderen, dem Leben und vor allem zu Geld.
Konflikte entstehen durch persönliche Emotionen, denn nichts macht das eigene Auto älter, als wenn der Nachbar sich ein Neues kauft. Wenn wir uns vergleichen entsteht Neid, Missgunst bis hin zu Hass. Wenn wir nicht mithalten können, fühlen wir uns sehr schnell schlecht. Um das zu vermeiden, schauen wir lieber weg und sperren das Thema Geld in den dunklen Keller – und sprechen erst gar nicht über unseren inneren Bezug zu Geld. Die positive Seite wird dabei völlig übersehen: Wenn wir offen über Geld sprechen, können wir mehr darüber lernen, welche Regeln das Spiel des Geldes hat. Denn nur wer die Spielregeln kennt, kann das Spiel gewinnen.
Was macht es so prekär, sich nicht offen mit den eigenen Finanzen zu befassen und sich mit anderen auszutauschen?
Es ist aus meiner Erfahrung deshalb dramatisch, weil wir uns damit selbst etwas nehmen. Was tun Menschen nicht alles, um eine künstliche Fassade aufrecht zu halten, statt sich nur auf sich selbst zu konzentrieren. Wenn Sie nur auf das Leben anderer schauen, kommen Sie selbst nicht weiter, es sei denn, es sind die Biographien erfolgreicher Menschen, die ein positives Vorbild für den Umgang mit Geld sind. Zudem ist es die teuerste Entscheidung, die Sie treffen können, keine Ahnung zu haben.
Denn was ist das Ergebnis, wenn Sie sich nicht um Ihr Geld kümmern? Jemand anders übernimmt das für Sie. Sie geben sinnlos Geld aus, Sie verschwenden es. Ihnen fehlen finanzmathematische Grundlagen, deren Kenntnisse Ihnen im Laufe des Lebens fünfstellige Ersparnisse bescheren würde. Sie investieren planlos und drehen sich als Folge Ihr Leben lang finanziell im Kreis und hoffen auf den reichen Onkel oder den Lottogewinn zur Erlösung. Es scheint kompliziert, schwierig, unangenehm und hat den Charme eines Kühlschranks, sich mit Geld zu beschäftigen. Es hat mich immer verwundert, denn wir verbringen den größten Teil unseres Lebens damit, Geld zu verdienen – und wollen doch nichts davon wissen. Genau diese Einstellung führt direkt in eine Sackgasse. Die gute Nachricht ist, dass es auch ganz anders geht, es kann Spaß machen und führt ganz nebenbei zu einer höheren Lebensqualität.
Was ist anders, wenn ich meinen inneren Bezug zu Geld verbessere? Welchen Einfluss kann dies beispielsweise auf die anderen Lebensbereiche haben?
Der innere Bezug zu Geld, also das „Mindset“, wie wir neudeutsch sagen, entscheidet über unsere Wahrnehmung und damit sabotieren wir uns selbst, ohne es zu bemerken. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie glauben daran, dass Geld nicht lange bleibt, sondern es immer schon weg ist, bevor es da ist. Und nun kündigt sich eine Steuernachzahlung an. Nicht wenige kaufen sich in dieser Erwartungshaltung eine neue Wohnzimmercouch und werden eiskalt erwischt, wenn dieser unerwartete Geldregen dann ausbleibt. Wenn Sie stattdessen die Vorfreude genießen und das Geld bei Eingang entsprechend Ihres Geld-Konzeptes verwenden, wird sich ein Gefühl einstellen, für das ich inzwischen in Beiträgen sogar einen Hashtag in den sozialen Medien mit einem Augenzwinkern verwende: #geldkannich.
Wenn Sie aber daran glauben, dass Geld Ihren Charakter verdirbt, werden Sie es vermeiden, viel davon anzuhäufen, denn wer möchte schon gern einen verdorbenen Charakter haben? Wir selektieren also, wir schauen durch eine selektive Brille. Zum richtigen praktischen Umgang mit Geld gehört also immer die richtige Einstellung. Der Einfluss auf andere Bereiche des Lebens entsteht durch den Effekt „was ich bei Geld kann, das kann ich auch woanders.“ Im Beruf, in Beziehungen, beim sinnvollen Einsatz der Lebenszeit oder bei der Gesundheit. Sie packen durch Ihren Erfolg bei Geld plötzlich auch andere Themen an, die Sie gern auf das nächste Level bringen wollen. Das Ergebnis: Ordnung, Sicherheit und Klarheit.
Wie kann es jedem auf einfache Art und Weise gelingen, den inneren Bezug zu Geld besser zu verstehen – und besser mit Geld umzugehen?
Unser Verhalten in Bezug auf Geld wird durch unsere Gedanken bestimmt. Um besser mit Geld umzugehen, ist also Klarheit auf dem Konto und im Kopf erforderlich. Ein wesentlicher Teil des besseren Verständnisses ist die Erfassung des heutigen Ist-Zustandes. Statt Ihr Geld einfach nur zu verwalten, gehen Sie dazu über, Ihr Geld modern zu managen und setzen dazu praktische Tools sinnvoll ein. Es ist ebenso spannend, für sich selbst die Ursachen für den heutigen Kontostand festzustellen und zu erkennen, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn Sie den von mir benannten „Deckel“ entfernen. Dieser unbewusste Virus auf Ihrer Festplatte ist das, was die meisten Menschen daran hindert, ihr Leben nachhaltig zu verändern. Neue Verhaltensregeln sind also schon die halbe Miete, das Ziel erreichen Sie jedoch nur, wenn Sie beginnen, Ihre Gedanken über Geld zu verändern.
Erkennen Sie also: „Wenn Geld Dein Problem ist, dann ist Geld nicht Dein Problem.“
Vielen Dank, Herr Brell, für die interessanten Ausführungen zur Herausforderung, wie der innere Bezug zu Geld aussehen sollte, und diesen gelungen Abschlusssatz. Mit Ihren Antworten haben Sie einige Denkanstöße gegeben, die sicherlich für viele die „Entscheidung“ zwischen „Geld oder Leben“ konstruktiv beeinflussen.
Das Interview mit Andreas Enrico Brell führte Oliver Foitzik, Herausgeber AGITANO.
Anmerkung der Redaktion: Dies ist Teil Zwei der dreiteiligen Interviewserie zum Thema modernes Geldmanagement. Aufbauend auf Teil Eins über den richtigen Umgang mit Geld und das Finden des richtigen Lebensstandards, führt die Reihe über den richtigen Bezug zu Geld zu Teil Drei, wie Sie Geldsorgen loswerden.
Über Andreas Enrico Brell
Andreas Enrico Brell ist Geldtrainer, Autor und Redner. Er unterstützt Menschen dabei, einen entspannten Umgang mit Geld und dem Leben an sich zu entwickeln. Mit seinem ganzheitlichen Konzept MORE THAN MONEY betrachtet er das Leben aus der Sicht von Geld. Das Ergebnis ist ein individueller Weg zu mehr Geld, mehr Lebensqualität und mehr Freiheit. Seine unkonventionelle und emotionale Art, Menschen neue Wege zu zeigen, unterstreicht er durch seine eigene Comicreihe und eigens komponierte und selbst gesungene Musik.
Mehr über Andreas Enrico Brell erfahren Sie auf www.andreas-enrico-brell.com.