Schluss mit Bullsh*it-Innovationen: Was echte Innovation ausmacht – Interview mit Bianca Prommer

Erfolgreich Innovieren: Wie schaffen es Unternehmen, wirklichen Innovationsgeist zu etablieren? Denn häufig ist das Gegenteil der Fall, und wertvolle Ideen und Ansätze werden bereits im Keim erstickt. Innovationsexpertin Bianca Prommer erläutert im Interview, was die Voraussetzungen für wahre Innovation sind. Zudem zeigt sie auf, woran es bei vielen Unternehmen dennoch hapert und wie eine dermaßen hohe Floprate bei deutschen und österreichischen Unternehmen und ihren Innovationsprojekten zustande kommen kann.

Echte Innovation geht über Optimierungsbemühungen weit hinaus – Innovationsexpertin Bianca Prommer im Interview

Anmerkung der Redaktion: Aktuell verlost AGITANO drei Exemplare zum neuen Buch von Bianca Prommer. Nehmen Sie noch heute teil, hier kommen Sie direkt zur Buchverlosung: „Schluss mit Bullsh*it-Innovationen – So machen Sie echte Innovation zum Teil Ihrer Unternehmens-DNA“

Schönen guten Tag Frau Prommer, wie unterscheidet sich echte Innovation von der Bullsh*t-Innovation, die Sie in Ihrem Buch beschreiben? Und warum bleibt Innovation in so vielen Unternehmen oftmals ein reines Lippenbekenntnis?

Wir sind Weltmeister im Optimieren und Verbessern. In den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, wurden Führungskräfte und Mitarbeiter auf Optimierung, Verbesserung und Effizienz gedrillt. Diverse Programme wie KVP (kontinuierliche Verbesserungsprozesse), 5S-Methode, Six Sigma und Wertstromanalysen haben zwar dazu beigetragen, Produkte und Prozesse sicherer, günstiger und effizienter zu machen. Mit echter Innovation haben diese Optimierungsbemühungen jedoch nicht das Geringste zu tun.

Die meisten Unternehmen konzentrieren sich fast ausschließlich auf die Steigerung der Effizienz, auf die Senkung der Kosten und die Erhöhung ihrer Produktivität – und verlieren dadurch den Blick für das Wesentliche. Nämlich die Konzentration auf das Erschaffen von neuen und innovativen Produkten für die Kunden der Zukunft! Und wenn sich doch einmal Innovationsaktivitäten regen, geht es meist nur um eine neue Interpretation althergebrachter Ideen. Es handelt sich lediglich um zaghafte Verbesserungen des bereits Vorhandenen – und dieses Vorgehen nenne ich Bullsh*t-Innovationen. Diese Pseudo-Innovation reicht jedoch nicht aus, um ein Unternehmen in eine erfolgreiche innovative Zukunft zu tragen! Es geht um lupenreine, echte und frische Innovation. Wie Unternehmen diese Art von Innovation entwickeln und auch implementieren können, beschreibe ich in meinem Buch.

Wie kommt es, dass deutsche und österreichische Unternehmen im Ranking der innovativsten Unternehmen kaum auftauchen? Was machen die hoch innovativen globalen Unternehmen anders?

Wir forschen und melden jährlich zigtausend Patente an. In Deutschland waren es 2019 über 67.437 Patente und in Österreich 2.724. Laut dem Times World University Ranking befinden sich rund die Hälfte der 1.000 besten Hochschulen der Welt in Europa. Acht der zehn innovativsten Volkswirtschaften sind ebenfalls in Europa beheimatet. Aber kaum ein europäisches Unternehmen schafft es in die Listen der größten Internetunternehmen oder der größten Start-ups der Welt.

Was also machen die Amazons, Google und Apples anders? Sie schaffen einen Nutzen für den Kunden, indem sie gar nicht unbedingt immer neue Produkte erfinden, sondern bestehende Geschäftsmodelle hinterfragen und an die Bedürfnisse der Kunden anpassen. Und dazu fehlt unseren Unternehmen meist der Mut. Wir finden zahlreiche Gründe, warum etwas nicht funktionieren kann und geben uns daher mit Verbesserungen des Bestehenden zufrieden. Und wieder schließt sich der Kreis zum Prinzip der bloßen Bullsh*t-Innovationen, die niemanden weiterbringen.

Häufig falsch verstanden: Was bedeutet Innovation für Unternehmen?

In Ihrem Buch „Schluss mit Bullsh*t-Innovationen“ erklären Sie, dass jedes Traditionsunternehmen zum Innovator werden kann. Wie können Unternehmen heute in der Praxis vorgehen, um diesen Innovationsstatus zu erreichen und warum müssen sie dies tun?

Traditionsbetriebe haben viele Vorteile: Sie verfügen über langjährige Erfahrung, haben meist einen loyalen Kundenstamm und einen guten Ruf. Alle diese Fähigkeiten zahlen auf die Innovationskraft eines Unternehmens ein – wenn sie richtig eingesetzt werden. Oft treffe ich in der Praxis auf Aussagen wie „Unsere Kunden brauchen wir nicht zu fragen. Wir wissen schon, was die benötigen.“ Doch ist das wirklich so? Ich finde, es ist ziemlich arrogant, zu behaupten, einen Kunden so genau zu kennen, um zu wissen, was er fühlt, denkt und sich wünscht. Einer der wesentlichen Schritte ist es, als innovationswilliges Unternehmen von diesem hohen Ross herabzusteigen und sich mit seinen Kunden auf Augenhöhe zu begeben, ehrliche Gespräche zu führen und sie im besten Fall auch in die Produktentwicklung einzubeziehen.

Innovationsaktivitäten erfordern außerdem eine Vorgehensweise mit System. Wer ein Haus baut, legt auch nicht einfach los, sondern beginnt mit dem Fundament und arbeitet sich bis zum Dach vor. Der Aufbau von Innovationsfähigkeit funktioniert genau so. Sie brauchen Experten, die Ihnen zeigen, worauf es ankommt. Die Sie begleiten und individuell auf Ihr Unternehmen eingehen. Wichtig ist auch, die Definition von INNOVATION für ein Unternehmen präzise festzulegen. Sind es neue Produkte, neue Geschäftsmodelle, kleinere Ideen oder gleich der Big Bang? Daraus gilt es, das Innovationszielbild zu entwickeln. Also die Antwort auf die Frage: „Wie sieht unser Unternehmen aus, wenn es innovativ ist?“ Und die Führung sollte auf jeden Fall dafür sorgen, dass jeder im Unternehmen weiß, dass innoviert wird und was die Innovationsziele sind. Denn nur so kann der Innovationsgedanke wirklich in die DNA eines Unternehmens eingehen.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Fehlerkultur in einem Unternehmen? Ist es erforderlich, zu scheitern, um innovativer werden zu können?

Wir müssen dabei zwischen verschiedenen Arten von Fehlern und Nuancen des Scheiterns unterscheiden. Gewisse Fehler können sich fatal auf ein Unternehmen auswirken. Der Software-Fehler der Boeing 737 max. hat nicht nur 346 Menschen das Leben gekostet, sondern dem Unternehmen auch einen Milliardenverlust beschert. Solche Fehler müssen mit allen Mitteln vermieden werden!

Und dann sind da jene Fehler, die aufgrund von neuen Ideen entstehen. Beispielsweise zeigt eine Studie des Instituts für angewandte Innovationsforschung (IAI) an der Ruhr-Universität Bochum eine Flopquote von 95 Prozent bei Neuproduktideen technologieorientierter Unternehmen. Außerdem wird nur jede zweite Innovationsidee, die es bis zur Markteinführung schafft, auch ein Markterfolg. Meist aus Gründen einer völlig falsch verstandenen Kundenorientiertheit. Daher ist es essenziell, Ideen früh am Markt, also direkt beim Kunden, zu testen. Es geht um schnelles und frühes Scheitern, um Ideen noch besser zu machen oder eben auch wieder zu verwerfen. Wenn in einem Unternehmen jedoch eine Kultur des „Fingerzeigens“ herrscht und sofort der „Schuldige“ gesucht wird oder Fehler sogar vertuscht werden, kann ein echter innovativer Geist nicht Einzug halten.

Daher ist es wichtig, in den Unternehmen eine gesunde Fehlerkultur zu etablieren, die auch Fehlschläge fördert. Aber nur jene, aus denen man wirklich neue Erkenntnisse ziehen kann. Prämieren Sie beispielsweise den Fehler des Jahres. Veranstalten Sie sogenannte Fuck-up Nights, die ihren Ursprung in der Start-up Szene haben, sich mittlerweile jedoch auch in etablierten Unternehmen durchgesetzt haben. Es macht einen großen Unterschied, wenn auch Führungskräfte über ihren größten Fehler im Projekt sprechen und erläutern, was sie daraus gelernt haben. Dadurch entsteht eine offene Einstellung zu Fehlern, die das Unternehmen insgesamt voranbringen wird.

Innovation ist ein dauerhaftes Projekt, keine schnelle Lösung

Welche Auswirkungen treten langfristig ein, wenn ein Unternehmen nicht systematisch innoviert und sich nicht über völlig neue Geschäftsfelder Gedanken macht?

Covid-19 hat gezeigt, dass Unternehmen, die sich bereits im Vorfeld mit Innovation auseinandergesetzt haben, stabiler und besser aus der Krise hervorgegangen sind. Unternehmen, die bis dato nur auf den stationären Handel gesetzt hatten, waren plötzlich gezwungen, von heute auf morgen auf Onlinehandel umzustellen. Bei einigen hat es geklappt, beim Großteil jedoch nicht, was nicht verwundert, denn in Chaoszeiten neue, innovative Konzepte aus dem Ärmel zu schütteln, kann nicht funktionieren. Innovation muss heute für alle Unternehmen ein permanenter, zukunftsorientierter Prozess sein.

Innovation ist kein Luxus, den man sich leistet, wenn man gerade Zeit dafür hat. Innovation ist vielmehr das tragende Fundament langfristiger Markterfolge geworden. Ich bin sicher, dass das Ausmaß der Innovationsfähigkeit von Unternehmen zukünftig über deren Erfolg oder ihr stilles Sterben entscheiden wird. Zahlreiche Beispiele wie Kodak, Nokia, Quelle oder Karstadt zeigen, dass es langfristig nicht ausreicht, nur besser, günstiger und effizienter zu werden. Die Frage an die Unternehmen muss also lauten: Wofür entscheiden Sie sich?

Vielen Dank, Frau Prommer, für Ihre spannenden Antworten und diese Denkanstöße zum Thema Innovation und zur kritischen Selbstreflektion für Unternehmen. Wir freuen uns auf den zweiten Teil des Interviews!

Das Interview mit Bianca Prommer führte Oliver Foitzik, Herausgeber AGITANO und Geschäftsführer der FOMACO GmbH. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Beitrag die generisch männliche Formulierungsform verwendet.

Anmerkung der Redaktion: In Teil Zwei des Interviews gibt Bianca Prommer hilfreiche Tipps und konkrete Handlungsempfehlungen für ganze Unternehmen, Führungskräfte und jeden einzelnen Mitarbeiter, wie sie echte Innovation in den Unternehmensalltag – und die Unternehmens-DNA – etablieren können. Diesen finden Sie direkt hier: Die Erfolgsfaktoren für echte Innovation

Nehmen Sie auch an der Buchverlosung teil: „Schluss mit Bullsh*it-Innovationen – So machen Sie echte Innovation zum Teil Ihrer Unternehmens-DNA“

Über Bianca Prommer

Innovationsexpertin Bianca Prommer von GrowthFact
Bianca Prommer ist Innovationsexpertin und Autorin des Buches „Schluss mit Bullsh*it-Innovationen – So machen Sie echte Innovation zum Teil Ihrer Unternehmens-DNA“. Sie begleitet Unternehmen unter anderem dabei, systematisches Innovationsmanagement erfolgreich zu implementieren. (Bild: © Sissi Furgler)

Bianca Prommer ist Beraterin, Trainerin, Coach und Vortragsrednerin. Sie gilt als führende Expertin zum Thema Innovation. Bianca Prommer hat neben ihrer Tätigkeit als Führungskraft in der Automobilindustrie eine Ausbildung zur Wirtschaftsingenieurin absolviert und danach ein Studium im Bereich „Innovation & Leadership“ abgeschlossen. Als Leiterin eines Fachhochschul-Instituts hat sie drei Jahre lang Start-ups und Gründer auf dem Weg von der Idee zum erfolgreichen Geschäftsmodell begleitet. Heute berät und trainiert sie Unternehmen in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz als Innovationsermöglicherin und zeigt auf, wie echte und nachhaltige Innovation funktioniert und in den Unternehmen langfristig wirksam implementiert werden kann. In ihren mitreißenden Keynotes bringt sie die zahlreichen Fallstricke im Bereich Innovation humorvoll auf den Punkt und liefert kraftvolle Lösungsimpulse. Mehr erfahren Sie unter www.growth-factory.at.

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