Schritt 2 der kundenfokussierten Mitarbeiterführung:

Inhaltsverzeichnis

Management by walking and talking around 

‚Management by walking and talking around‘ will heißen: Ein Management der Nähe und des Miteinander-Redens. Also Schluss damit, im Büro alleine vor sich hin zu brüten – und Abschied nehmen von der ‚Politik der offenen Tür’. Man nehme vielmehr Tuchfühlung auf und mache sich auf den Weg durch die Firma, um seine Mitarbeiter zu konsultieren. Das wertvollste Wissen schlummert oft an den Rändern einer Organisation. 

In seinem Büro befindet sich der Chef auf eigenem Territorium. Das gibt ihm Macht. Und macht ihn stark. Dieses Phänomen kennen wir zum Beispiel aus dem Fußball. Auf eigenem Platz hat die Gastgeber-Mannschaft den so genannten Heimvorteil. Das macht sie siegesgewiss. Und schwächt das gegnerische Team – was sich übrigens am Testosteron-Spiegel messen lässt. 

Auch ein Büro-Besucher wird sich in fremdem Gelände schwächer fühlen. Nur: Wer seine Mitarbeiter zu kleinen Würstchen macht, wird keine großen Jobs von ihnen bekommen. Und: Wer Machtansprüche durch Hierarchie sichern will, riskiert heimlichen Widerspruch. ‚Wenn ich schon solches Verhalten dulden muss oder einfach parieren soll, will ich wenigstens schlecht über diesen Machtheini reden‘, denkt einer und begibt sich schnurstracks in die Kaffeeküche. 

Ganz anders die Situation, wenn die Führungskraft seine Mitarbeiter besuchen geht. Indem er sich in deren Territorium aufhält, nivelliert er seinen höheren Rang und begibt sich auf Augenhöhe. Dem Top-Führungskreis sei dabei geraten, die Management-Verkleidung abzulegen und sich ein wenig locker zu machen, damit die Leute ihre Scheu verlieren. 

Das Rundgang-Ritual 

Wie ein kleines Ritual kann der Rundgang morgens zur gleichen Zeit erfolgen. Das gibt den Mitarbeitern Sicherheit. Dabei geht es nicht vorrangig darum, Anlagen oder Auslagen zu begutachten – es geht vor allem um die Menschen. Mensch vor Sache heißt das Prinzip. 

So begrüßt der Chef von sich aus seine Mitarbeiter – und nicht umgekehrt – und spricht mit ihnen: „Wie geht es Ihnen heute? Was meinen Sie zu …? Wie denken Sie über …? Welche Erfahrungen haben Sie mit …? Was haben Sie schon erreicht? Wie haben Sie das geschafft? Was hätten wir besser machen können?“ Solche Fragen lassen dem Gesprächspartner die Wahl, sich weiterhin zu tarnen, oder ein wenig die Decke zu lüften und endlich einmal seinem Herzen Luft zu machen. 

Der fragende Chef schenkt seinen Mitarbeitern aufrichtiges Interesse und hört sich wohlwollend an, was sie zu erzählen haben. Auf diese Weise erfährt er am schnellsten etwas über positive oder negative Stimmungen und erhält laufend neue, gute Ideen. Die Mitarbeiter spüren, wie wertvoll sie für den Betrieb sind. Gegenseitige Erwartungen können regelmäßig ausgetauscht und abgeglichen werden. 

Bei Problemen und Konflikten lässt sich umgehend reagieren und gegensteuern. Informationsdefizite können beseitigt und Missverständnisse geklärt werden. Was der Vorgesetzte zu sagen hat, kommt unverzüglich unter die Leute. Und was ihm superwichtig ist, kann (und muss!) er regelmäßig wiederholen. 

Fragen ist besser als Sagen 

In Vorbereitung auf seinen Rundgang wird sich die Führungskraft überlegen: Was muss ich heute mit meinen Leuten bereden, damit wir unsere Ziele erreichen? Welche neuen Erkenntnisse gibt es über die Kunden? Wo lauern Risiken? Und wo stecken neue Chancen? Folgende Gold-wert-Fragen lassen sich dazu stellen: 

– Mich interessiert Ihre ganz persönliche Meinung zu folgendem Thema … Interessant, und wie könnte das im Einzelnen aussehen? … Und was dächten wohl die Kunden darüber? 

– Ich habe mir zum Thema … die folgenden Gedanken gemacht, die ich gerne einmal mit Ihnen besprechen/teilen wollte … Und was glauben Sie, würden unsere Kunden dazu sagen? 

– Angenommen Sie wären bei dieser Frage/in diesem Projekt der Entscheider, was würden Sie tun? … Interessant, und welche Überlegungen bringen Sie zu dieser Entscheidung? … Und wenn wir hierbei auch an den Kunden denken, wie sähe das dann aus? 

– Was würden Sie an meiner Stelle noch zusätzlich erwägen? … Was würden Sie an meiner Stelle/aus Sicht des Kunden tun? … Und was würden Sie keinesfalls tun? 

– Gesetzt den Fall, wir würden das morgen schon umsetzen. Was würde dann passieren? … Was müssten wir unbedingt noch beachten? 

– Was würde ein neutraler Dritter/ein Außerirdischer/unser bester Kunde dazu sagen? … Wie sehen Ihre Kollegen – ohne jetzt Namen zu nennen – die Situation? … Und was würden diese mir raten? 

– Wenn es einen Punkt gibt, den wir in dieser Sache/in diesem Projekt unbedingt noch verbessern müssten/noch optimieren könnten, was wäre dann das Wichtigste für Sie? … Danke. Und aus Sicht des Kunden betrachtet? 

– Wenn es eine Sache gibt, die dieses Projekt womöglich zum Scheitern brächte, was wäre dann aus Ihrer Sicht/aus Sicht des Kunden der kritischste Punkt? 

– Was wäre in diesem Zusammenhang Ihr größter Wunsch an mich? … Und was würden sich wohl die Kunden von uns wünschen? 

Hinhören ist besser als zureden 

Manche Manager mögen solches Mitarbeiter-Empowerment gar nicht. Sie sind zu ungeduldig und betrachten es als unnötige Zeitverschwendung, den Mitarbeitern zuzuhören und sie damit ins Boot zu holen. Auf alles haben sie selbst eine Antwort. Denn sie glauben, als Führungskraft alles selber können zu müssen. Oder sie meinen, sowieso schon zu wissen, was der Mitarbeiter sagen wird. Sie unterbrechen den Mitarbeiter, schneiden ihm das Wort ab und vollenden seine Sätze. 

Oder sie überfahren den Mitarbeiter, wenn dieser noch zweifelt. („Aber ich bitte Sie, das ist doch überhaupt kein Problem!“). Ihr Selbstbild verbietet es ihnen, die Zügel aus der Hand zu geben. Sie können sich schlecht auf andere Sicht- und Vorgehensweisen einlassen. Oder sie können die Vorschläge anderer nur widerwillig als die besseren Lösungen akzeptieren. Oder sie trauen ihren Mitarbeitern nichts Großes zu. 

Und in Wahrheit? In Wahrheit hat ihr Ego vor allem Sorge um Anerkennungs- beziehungsweise Machtverlust. Oder Angst vor dem Zeigen von Schwäche – und vor der inneren Leere. Denn Macher wollen machen. Nur: Das ‚Machtwort‘ des Chefs lässt wertvolle Initiativen und dringend benötigte Kreativität einfach versanden. „Es ist unsinnig, intelligente Leute einzustellen, um ihnen dann zu sagen, was sie tun sollen. Wir beschäftigen intelligente Leute, damit sie uns sagen, was wir tun sollen“, hat dazu der Apple-Chef Steve Jobs einmal gesagt. 

Das Ergebnis: bessere Entscheidungen 

Involvierende Fragen dienen dazu, die Mitarbeiter aktiv einzubinden. Dies gibt ihnen das gute Gefühl, den Dingen nicht ohnmächtig ausgeliefert zu sein, sondern vielmehr zu Mitgestaltern zu werden und so einen wertvollen Beitrag zu leisten. Auf diese Weise entwickeln sich Verantwortungsbewusstsein und auch Akzeptanz. 

Je freier die Menschen sich fühlen, offen über das zu reden, was sie bewegt, desto klarer werden die Dinge und desto erfolgreicher können sie arbeiten. Dem Vorgesetzten geben solche Fragen die Möglichkeit, zusätzliche wertvolle Informationen zu gewinnen und die eigene Reflexion anzuregen. Und sollte der Weg zu den Mitarbeitern in der realen Welt zu weit sein, kann dieser auch virtuell beschritten werden. 

„Effektive Führungskräfte sind die Ersten, die zuhören und die Letzten, die reden“, hat der unlängst verstorbene Managementvordenker Peter F. Drucker dazu geschrieben. Holen Sie sich nach Möglichkeit immer mehrere Meinungen – und laden Sie aktiv zum Widerspruch ein („Was spricht aus Ihrer Sicht/aus Sicht des Kunden dagegen?“). Die schließlich getroffenen Entscheidungen stehen garantiert auf einer besseren Basis.

 


 

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