Andere Länder – andere Führungssitten

Während sich die Spanier einen autoritären Chef wünschen, der ihnen sagt, wo’s langgeht, stößt Schweden ein solches Gehabe eher ab. Sie möchten an Entscheidungen beteiligt werden und ihre Ideen einbringen können. In internationalen Teams können unterschiedliche Führungssitten daher schnell zu Missverständnissen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern führen. Wer international tätig ist, der sollte sich deshalb mit den Führungssitten anderer Länder beschäftigen und sich fremden Kulturen anpassen, rät die zertifizierte Wirtschaftsmediatorin und Speakerin zu internationalen Führungsthemen Barbara Wietasch in Ihrem heutigen Beitrag zur zweiwöchentlich erscheinenden Themenserie “Global Management: Ein Tanz mit den Eisbergen”.


„Was diesseits der Pyrenäen Wahrheit ist, ist jenseits der Pyrenäen Irrtum“.
Blaise Pascal (französischer Philosoph und Mathematiker)

Führungssitten – so unterschiedlich können sie sein

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Wer international arbeitet, der muss auch mit anderen Führungssitten zurecht kommen. (Bild: Dirk Meissner / © Barbara Wietasch)

Während führende Unternehmen der IT-Industrie in den USA ihren Mitarbeiterinnen auf Wunsch das Einfrieren ihrer Eizellen zahlen, mit der Hoffnung, diese Frauen könnten so später Mütter werden und mehr Zeit für die Karriere haben, klingt es in Deutschland so: die Berufung von Frauen in Führungspositionen wird aufgeschoben, da dies eine „Belastung für die Wirtschaft“ sei. Also bitte keine einflussreichen Positionen für Frauen (so der parlamentarische Geschäftsführer der Union). Jene amerikanischen Unternehmen haben heute schon einen Frauenanteil in Führungspositionen von mehr als 30 Prozent.

Ähnlich erlebe ich es auch in meinen Seminaren in Deutschland: Fast ausschließlich Frauen machen sich Gedanken zu Soft Skills wie „Intercultural Competences & Diversity Management“, jedoch gehen sie der Auseinandersetzung bei Gender-Fragen im eigenen Unternehmen lieber aus dem Weg.

Mehr Frauen in Fach- und Führungspositionen bedeutet sicherlich eine Veränderung zu unseren heutigen Unternehmenswerten. Von der Aufgabenorientierung zu mehr Personalorientierung. Doch wer sagt, dass das schlecht ist?

Status-Symbole im internationalen Vergleich: High-Status – Low Status

Schauen wir auf die Skandinavischen Länder, die Führungssitten verlangen hier ein Zusammenarbeioten auf Augenhöre.Wir finden einen vergleichsweise hohen Prozentsatz an Frauen in Führungspositionen. Statussymbole sind selten, es geht darum, harmonisch und gemeinsam Ziele zu erreichen.

In Osteuropa und den arabischen Staaten wird bei den Führungssitten sehr viel mehr Wert auf Statussymbole und hierarchische Unterschiede gelegt (typische maskuline Ausprägungen). Entsprechend wenige Frauen finden wir hier in Führungspositionen. Ähnlich ist es in Asien – mit Ausnahme von China – wo jedoch die Harmonie wichtig ist.

In China erleben wir heute, dass Frauen Karriere machen. Wobei die wirtschaftliche Unabhängigkeit der höchste Motivationsfaktor ist. Laut Global Gender Report des Genfer World Economic Forums (WEF) steht China nach der Gleichstellungsuntersuchung besonders gut da: In China besetzen Frauen 32 Prozent aller Führungspositionen, in den USA liegt dieser Anteil nur bei 23 Prozent.

Das Thema der Kinderbetreuung, junge Großeltern, geringe Kosten für ein Kindermädchen, ist für die chinesische Mittelschicht leichter zu finanzieren als bei uns in Deutschland. Das führt auch dazu, dass sich 76 Prozent der Chinesinnen vorstellen können, die Karriereleiter zu erklimmen, in USA sind dies nur 52 Prozent. Chinesinnen erfahren auf der anderen Seite auch viel weniger Neid und mehr Anerkennung durch ihre männlichen Kollegen. In Deutschland scheint es zu den „guten“ Führungssitten zu gehören, Frauen in Führungspositionen nicht ernst zu nehmen. Statussymbole aus unserer Wertewelt kollidieren dann möglicherweise mit einem Hello-Kitty-Rucksack einer chinesischen Key-Account Managerin, die den deutschen Personalberater knallhart mit seinen Vorurteilen konfrontiert.

Führungssitten  im internationalen Vergleich

Auch das geva-Institut in München hat im Rahmen einer überbetrieblichen internationalen Mitarbeiterbefragung Daten zum bevorzugten Führungsstil erhoben. Befragt wurden 11.000 Berufstätige aus insgesamt 25 Ländern. Hier ein Beispiel: „eine Führungskraft soll eindeutige Anweisungen geben und sich in ihrem Handeln nicht von abweichenden Vorstellungen beeinflussen lassen.“ – Dieser Aussage stimmen nur 17 Prozent der Schweden zu, immerhin 41 Prozent der Deutschen, aber eine deutliche Mehrheit von 63 Prozent der Inder. Und für den Fall, dass Sie gerade Europa für einen Hort demokratischer Führung halten: In Spanien liegt die Zustimmung zum autoritären Führungsverhalten sogar bei 68 Prozent. Was unter guten Führungssitten subsumiert wird, unterscheidet sich also kulturelle besonders stark.

„Kulturangepasst“ führen

In Coachings oder Seminaren regt sich gelegentlich Widerstand, wenn ich die kulturelle Flexibilität im Führungsverhalten zur Sprache bringe: „Soll man sich im Ausland tatsächlich „verbiegen“? Was ist mit der persönlichen Authentizität? Dabei wird oft übersehen, dass erfolgreiche Führungskräfte bereits in ihrer Heimatkultur viele verschiedene Führungssitten kennengelernt haben und über ein breites Repertoire unterschiedlicher Führungsstileverfügen. Kaum ein Leadership-Seminar kommt ohne das Modell „Situatives Führen“ von Kenneth Blanchard und Paul Hersey aus.

Im internationalen Umfeld muss das situative Führungsmodell um die Kulturkomponente erweitert werden. Das „Situative Führen“ setzt den typisch ethnozentrischen Blick voraus, dass weitgehende Mitarbeiterbeteiligung und Delegation von Aufgaben die von Mitarbeitern wie Vorgesetzten höchste Entwicklungsstufe der Führung ist. Das mag für USA gelten, auch für Nord- und Mitteleuropa. In Latein- und Osteuropa sieht das bereits anders aus, ebenso in Asien. Selbst hochqualifizierte Mitarbeiter in Spanien gehen davon aus, dass der Patron die Marschrichtung vorgibt. Und Mitarbeiter in Japan, Südkorea oder China werten es kaum positiv, wenn der Vorgesetzte ihnen Gestaltungsfreiräume lässt: Für sie ist dies ein Ausdruck von Desinteresse oder mangelnder Führungskompetenz.

Stellen Sie sich unter diesen Erfahrungen einmal die internationale Vergleichbarkeit von Mitarbeiterbefragungen in einem Konzern vor, z.B. die Frage: „Räumt mein Vorgesetzter mir ausreichend Freiräume ein?“ oder aber die Messbarkeit erfolgreicher Einführung von Verbesserungsvorschlagswesen: „Darf ich als Mitarbeiter sagen, wenn mir etwas nicht optimal erscheint? Wer verliert dann sein Gesicht? Das sollten doch meine Vorgesetzten besser wissen als ich.“

Auf der einen Seite der „Pyrenäen“ ermutigt und motivieren diese Führungsinstrumente die Mitarbeiter und machen sie zu Beteiligten, auf der anderen Seite stoßen sie an Tabus.

Führungssitten – Denkanstöße

Wie groß ist die Distanz zwischen Führungskräften und Mitarbeitern? Wie drückt sich diese in der räumlichen Distanz aus? Gibt es die Politik der offenen Tür? Sind 180-Grad-Feedbacks möglich?

Was macht die landestypischen Führungssitten aus: Wie ist die Sprache, wie die Körpersprache – eher direkt und distanziert oder auf Augenhöhe?

Ihre
Barbara Wietasch

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Speakerin zu internationalen Führungsthemen (Foto: © Barbara Wietasch)

Über Barbara Wietasch

Barbara Wietasch ist Sprachwissenschaftlerin, Organisationsentwicklerin (MAS), zertifizierte Wirtschaftsmediatorin und Speaker zu internationalen Führungsthemen sowie Lektorin an einer internationalen Business School in Wien. Von ihrer frühesten Jugend an haben andere Länder und andere Sitten sie begeistert, ebenso ihr Wissen an andere weiterzugeben. Profitieren Sie von ihrem großen Wissen als Praktikerin und Expertin und erschließen Sie für sich und Ihr Unternehmen die Schätze aus der internationalen beziehungsweis globalen Zusammenarbeit. Ihre Trainings- und Beratungssprachen sind deutsch, englisch und spanisch.

Mehr über Barbara Wietasch im Internet unter www.internationaldynamics.de.

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Global Management: ein Tanz mit den Eisbergen – von Barbara Wietasch (Bild: Dirk Meissner / © Barbara Wietasch)

Lesen Sie hier auch die vorherigen Beiträge:

Die Bücher zum Thema:

Global Management: ein Tanz mit den Eisbergen
Klarkommen mit fremden Welten oder: Warum ein Auslandsknigge Sie nicht weiterbringt

Linde Verlag (2012) ISBN 978-3-7093-0345-0
24,90 € – Hardcover (auch als e-book und  Hörbuch in ungekürzter Version erhältlich)

Global Management: Dancing with Icebergs
How to get along in multicultural business – Why you need more than an etiquette guide

Books on Demand  (2014) ISBN 978-3-7357-9226-6
21,90 € Taschenbuch (auch als e-book erhältlich)

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