Produktivitätsrückgang: „Monokausale Erklärungen sind unterkomplex“

Vor allem in den letzten Jahren ist in den westlichen Industrienationen ein Rückgang oder eine Stagnation der Produktivität in Unternehmen trotz positiver Wirtschaftslage zu beobachten. Während einige dieses Phänomen mit Sorge beobachten, wiegeln andere ab. Sie sehen den Produktivitätsrückgang als vorübergehendes Phänomen, das sich von selbst wieder geben wird. Fakt ist aber, dass die Produktivitätsentwicklung von Unternehmen in einer Volkswirtschaft entscheidend für das langfristige Wirtschaftswachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und damit den Wohlstand einer Gesellschaft ist. Andrea Mollenhauer von der mmc AG ordnet das Phänomen Produktivitätsrückgang (auch „Productivity Slowdown“) ein und erklärt, was Unternehmen gegen den Produktivitätsrückgang machen können.

Inhaltsverzeichnis

Produktivitätsrückgang kann Wettbewerbsfähigkeit mindern

Wie lang gibt es schon den Produktivitätsrückgang in den westlichen Industrienationen?

Richtig ins Bewusstsein gerückt ist der Productivity Slowdown erst circa in den letzten zehn Jahren. Allerdings zeigen empirische Studien (mehr dazu in einer Literaturstudie des ZEW zum Produktivitätsrückgang), dass schon seit den 1970er Jahren die Produktivitätsgewinne in den westlichen Industrienationen tendenziell sinken. Seit etwa den 1990er Jahren hat sich der Trend nochmal beschleunigt und westliche Volkswirtschaften verzeichnen nur noch geringe Produktivitätszuwächse oder sogar negative Wachstumsraten bei der Produktivität. Der Productivity Slowdown ist also ein langfristiges Phänomen. Abwarten und Teetrinken, wie manche raten, halte ich deshalb für keine gute Lösung.

Die Digitalisierung soll doch aber zu höherer Produktivität führen – wie passt das mit dem Trend des Produktivitätsrückganges zusammen, der sich ja seit den 1990ern noch verstärkt hat?

Zur Erklärung des Produktivitätsrückganges gibt es verschiedene Hypothesen. Wie so viele Phänomene, mit denen wir es heute zu tun haben, kann man ihn nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. In einer komplexen Welt sind monokausale Erklärungsmuster viel zu simpel.

Eine Hypothese führt den Productivity Slowdown darauf zurück, dass die neuen digitalen Technologien und ihre Anwendung noch in der Installationsphase sind. Die Unternehmen werden deshalb wohl noch einige Zeit brauchen, bis sie die zahlreichen technologischen Neuerungen tatsächlich in Produktivitätsgewinne umsetzen können. Weitere Hypothesen habe ich in meinem Beitrag auf dem mmc Magazin zum Productivity Slowdown genannt und erklärt.

Mitarbeiter brauchen bessere IT-Qualifikation

Welche Rolle spielen Mitarbeiterskills in diesem Zusammenhang?

Die Qualifizierung der Mitarbeiter ist hier sicher auch ein wichtiger Faktor. Auch sie müssen schließlich das notwendige Knowhow und die entsprechenden Kompetenzen erwerben, damit das Unternehmen das Potenzial der Digitalisierung voll ausschöpfen zu können. Häufig schrecken Unternehmen aber vor diesen Investitionen wegen möglicher Risiken zurück. Auch der Fachkräftemangel erschwert diese Lage.

Wie können Unternehmen das Risiko von Investitionen senken?

Ein schneller Return on Investment ist notwendig. Das gelingt, indem die Zyklen durch agiles Vorgehen verkürzt werden. So ist die Innovationspipeline gut gefüllt und das Unternehmen kann schneller neue Produkte auf den Markt bringen.

Das Markteintrittsrisiko lässt sich ebenfalls reduzieren, z.B. indem im Vorfeld Hypothesen zum Anwendernutzen aufgestellt werden und diese dann, z.B. durch gemeinsames Co-Development mit Schlüsselkunden, validiert werden. So können Unternehmen besser entscheiden, in welche Ideen und Innovationen sie investieren und in welche besser nicht.

Welche Rolle spielen die Themen Unternehmenskultur und Organisationsstruktur beim Produktivitätsrückgang und seiner Bekämpfung?

Agiles Vorgehen und die Entwicklung von Innovationen funktionieren nur in einer modernen Unternehmenskultur, die den Mitarbeitern Freiräume lässt und Kreativität unterstützt. Transparenz und Wissenstransfer sind ebenfalls wichtige Punkte, die in netzwerkartigen Strukturen besser funktionieren als in klassisch hierarchisch strukturierten Unternehmen. Deshalb sind Organisation und Struktur wichtige Faktoren bei der Steigerung der Produktivität.

Frau Mollenhauer herzlichen Dank für das interessante Interview.

Das Interview mit Andrea Mollenhauer, Managing Partner der mmc AG führte Dr. Katja Heumader, Redakteurin AGITANO.

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