Kulturtransformation – 4 Schritte und 4 Vernetzungen

Bei der Unternehmensentwicklung konzentrieren sich Firmen oft zu sehr auf die Hard Facts. Werte, Einstellungen und Bedürfnisse von Mitarbeitern und Führungspersonal werden vernachlässigt. Damit eine Kulturtransformation erfolgreich verlaufen kann, müssen aber die Voraussetzungen, die ein Unternehmen mitbringt, einbezogen werden. In der heutigen neunten Folge seiner Themenserie „Culture Eats Strategy For Breakfast – Aktive Steuerung der Unternehmenskultur im Zentrum moderner Unternehmensführung“ beschreibt Franz Neumeyer eine beispielhafte Kulturtransformation.

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Bei der Kulturtransformation müssen die Voraussetzungen berücksichtigt werden, die ein Unternehmen mitbringt. (Bild: © Franz Neumeyer)

Die Kulturtransformation: Ähnlich und doch nicht gleich für jedes Unternehmen

Oft steht bei der Entwicklung von Prozessen die Funktionalität im Vordergrund. Die Kultur, in die ein Prozess eingesetzt werden soll, bleibt dabei unberücksichtigt. Das zeigt sich zum Beispiel bei Management-Ratgebern. Die Autoren vergleichen Organisationen miteinander, die in bestimmten Aspekten besonders gut sind, untersuchen die Gemeinsamkeiten und leiten daraus eine allgemeine Gültigkeit ab. Tatsächlich funktionieren diese Prozesse aber nur, wenn die vorherrschenden Kulturbedingungen auch zum Entwicklungsprozess passen. So ist zum Beispiel „Re-engineering“ ideal für frühe Erfolgssucher-Kulturen, „Good to Great“ ideal für den Übergang von der Erfolgssucher- zur teamorientierten Kultur oder „Reinventing Organizations“ eine Hilfe für eine teamorientierte Expertenkultur, die den nächsten Entwicklungsschritt wagt.

Deshalb kann der anschließend beispielhaft aufgeführte Modellprozess einer Kulturtransformation, entwickelt von McKinsey-Experten in Zusammenarbeit mit Unternehmen wie General Electrics, Vertretern von Spiral Dynamics (Soziologie der Kulturveränderung von Gesellschaften) und Coachingverbänden, breit verwendet werden. Wie die einzelnen Bausteine angewandt werden, muss aber kulturabhängig immer wieder neu festgelegt werden. In einer loyal-konformistischen Unternehmenskultur würde ein Visionsprozess zum Beispiel sehr häufig alleine mit dem Besitzer und/oder dem Geschäftsführer und ganz wenigen Vertrauten stattfinden. In der Erfolgssucherkultur entwickelt meist das Führungsteam mit ausgewähltem Feedback aus dem Unternehmen die Vision, während in der teamorientierten Kultur häufig das ganze Unternehmen von Anfang an in den Prozess eingebunden wird. Es ist Aufgabe der Wegbegleiter (zum Beispiel Berater), die passenden Methoden und Prozessschritte zur jeweiligen Kultur auszuwählen.

Der Modellprozess einer Kulturtransformation

1. Schritt – Vorbereitung

Wenn ein Unternehmen zu der Überzeugung kommt, dass eine Kulturtransformation für den langfristigen Unternehmenserfolg notwendig ist und dafür genügend Bereitschaft in der Organisation besteht (siehe auch Kulturentwicklung in Unternehmen), beginnt der Prozess mit einem Corporate Culture Audit.

Dabei wird die Ist-Kultur als Ausgangspunkt für die Veränderung ermittelt. Immer öfter werden dazu webbasierte, mehrsprachige Methoden benutzt, um allen Mitarbeitern eines Unternehmens die Teilnahme zu ermöglichen. Im nächsten Schritt wird das Ergebnis durch ein ausgewähltes Team unter der Leitung der Geschäftsführung analysiert und die gewünschte Soll-Kultur erarbeitet. Dies geschieht durch die Definition von Vision, Mission und Werteaussagen und den dazugehörigen Verhaltensweisen. Über einen Feedback-Prozess werden häufig einzelne oder alle Mitarbeiter am Entstehungsprozess beteiligt, bevor die endgültige Fassung verabschiedet wird. Wenn das Führungsteam aufgrund eines hohen internen Konfliktpotenzials dazu nicht in der Lage ist, kann ein Teamcoaching-Prozess vorgeschaltet werden. Die Festlegung der weiteren Einführungs- und Kommunikationsstrategie gemäß dem Vier-Quadranten-Modell (siehe auch Transformationsprozess statt Change Management) sowie von individuellen und organisatorischen Entwicklungszielen und Messgrößen schließen den Vorbereitungsprozess ab.

2. Schritt – Implementierung auf der Führungsebene

Ab jetzt haben alle Aktivitäten das Ziel, die Kulturelemente in das persönliche Verhalten, in die Entscheidungsfindung und in die Prozesse und Strukturen des Unternehmens zu integrieren, sich also mit den anderen drei Quadranten zu vernetzen.

Der Fokus liegt zu Beginn auf dem Führungsteam. Durch ein Einzelcoaching erkennen die Führungskräfte, für welche Werte beziehungsweise Kulturaspekte sie gut eine Vorbildfunktion übernehmen können. Gleichzeitig beginnen sie Barrieren zu reduzieren, die ihnen bei der Umsetzung anderer Elemente im Wege stehen. Ein Teamcoaching Prozess unterstützt die Teilnehmer dabei, Vorbild für den gewünschten Umgang miteinander zu werden. So entsteht innerhalb weniger Monate eine Keimzelle, in der die neue Kultur immer mehr modellhaft zum Ausdruck kommt und als Inspiration für andere Unternehmensteile dienen kann.
Gleichzeitig werden wichtige HR-Prozesse neu ausgerichtet wie zum Beispiel Auswahl von Mitarbeitern, Vergütungs- und Leistungsbewertungssysteme, Beförderungskriterien, Führungsentwicklung. So kommen immer mehr Menschen mit den künftig gewünschten Werten, Kompetenzen und Passionen ins Unternehmen oder in Führungspositionen.

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Die Vernetzung der Quadranten ist entscheidend für die erfolgreiche Kulturtransformation. (Bild: © Franz Neumeyer)

3. Schritt – Implementierung in der gesamten Organisation

Nach einigen Monaten Vorlaufzeit des Führungsteams beginnt die weitere Integration in das Unternehmen. Ziel ist auch hier immer das parallele Vorgehen von Bewusstseinserweiterung und neuen Verhaltensweisen auf der einen Seite und dem Anpassen von Strukturen und Prozessen auf der anderen Seite. Bewährt haben sich Programme, in denen Manager des Unternehmens kaskadenartig Orientierungsprogramme für andere Manager durchführen („Wer lehrt, lernt selbst am meisten“). Im Rahmen der Kulturtransformation beginnen alle Abteilungen zusammen mit ihren Mitarbeitern, sich regelmäßig mit folgenden Fragestellungen zu beschäftigen:

– Welche Werte leben wir bereits? Was fällt uns noch schwer? Wie können wir das ändern?
– Welche Strukturen, Prozesse wollen wir verändern, um die Kultur besser zu verankern?

Übergreifende Vorschläge werden von den Projektleitern der Kulturtransformation aufgenommen. Trainingsaktivitäten werden gestartet, um neue Kompetenzen aufzubauen, die für die Umsetzung der Werte notwendig sind, zum Beispiel Dialogfähigkeit für teamorientierte Kulturen.

4. Schritt – Aktive Steuerung

Wie alle wichtigen Steuerungsgrößen müssen auch die Kulturelemente bei einer Kulturtransformation regelmäßig gemessen werden. Da es sich bei der Kultur um ein „langsames Phänomen“ handelt, sind jährliche Messungen ausreichend. Typische Messgrößen können sein:

– Anzahl der gewünschten Werte in der Top 10-Liste der Ist-Kultur
– Prozentuale Anzahl der limitierenden Werte im Unternehmen
– Übereinstimmung der gegenwärtigen Kultur mit der gewünschten Kultur

Eine Verankerung dieser Kulturelemente im Vergütungssystem (mindestens der Führungskräfte) ist von entscheidender Bedeutung, da sonst die Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß zu einseitig auf die Hard-Facts gelegt wird. Eine Auswertung nach Ländern, Standorten, Business-Units, Hierarchieebenen usw. ermöglicht den gezielten Einsatz von Interventionen, zum Beispiel Coaching, Trainingsprozess oder Strukturveränderungen zur aktiven Steuerung der Kulturtransformation.

Fazit

Die Kulturtransformation gleicht in vielen Aspekten anderen Unternehmensprozessen. Von der Ist-Analyse über die Zieledefinition, regelmäßige Fortschrittskontrollen und aktivem Eingreifen bei Abweichungen. Neu ist nur der Inhalt – Die „Soft-Facts“ spielen eine viel größere Rolle.

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Experte für Unternehmenskulturen. (Foto: © Franz Neumeyer)

Über Franz Neumeyer

Franz Neumeyer ist ein ganzheitlicher Executive Coach und internationaler Experte für Unternehmenskulturen. Seit mehr als zwölf Jahren ist er als Executive Coach, Teamcoach und integraler Prozessbegleiter von werteorientierter Unternehmenstransformation international tätig. Bevor er sich 2002 selbständig machte, war der studierte Diplom-Ingenieur mehr als 15 Jahre in leitender Position in der mittelständischen Wirtschaft tätig, sieben Jahre davon als Geschäftsführer in Nordamerika. Neumeyer ist  zudem „Professional Certified Coach (PCC)“ der International Coaching Federation.

Mehr über Franz Neumeyer erfahren Sie auf www.global-synergies.com.

Lesen Sie auch die vorangegangenen Beiträge zur Themenserie „Culture Eats Strategy For Breakfast – Aktive Steuerung der Unternehmenskultur im Zentrum moderner Unternehmensführung“:

Transformationsprozesse statt Change Management

Kulturentwicklung in Unternehmen

Culture Clash – Wenn Unternehmenskulturen aufeinanderprallen

Typische Unternehmenskulturen: Das Teamorientierte Unternehmen

Erfolgssucher-Unternehmen als Unternehmenskultur

Typische Unternehmenskulturen – das loyale Unternehmen

Unternehmenskultur: Die Rolle der Führungskräfte

Kultur und langfristige Unternehmenssicherung

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