Die größten Herausforderungen für Handwerksbetriebe

Rohrbruch, plötzlicher Stromausfall, Sturmschäden auf dem Dach: Ohne Handwerker*innen stünde ein Großteil der Bevölkerung in solchen Situationen vor einem großen Problem. Das Handwerk war nicht nur früher unentbehrlich, sondern ist es bis heute. Als zentraler Bestandteil der deutschen Wirtschaft beschäftigen rund eine Million kleinere bis mittlere Handwerksbetriebe über fünf Millionen Deutsche. Beinahe jeder dritte Lehrling absolviert eine handwerkliche Ausbildung. Nichtsdestotrotz nimmt die volkswirtschaftliche Bedeutung des Handwerks seit Jahren ab. Der folgende Beitrag gibt Aufschluss über die Ursachen dieses Wandels.

Gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung des Handwerks geht zurück

Vor einigen Jahrzehnten stellte das Handwerk noch die Hälfte aller deutschen Lehrplätze und rund 20 Prozent der bundesweiten Arbeitsplätze. Mehr als 15 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung machte die Handwerksbranche damals aus. Diese Zahlen sind bedeutend zurückgegangen. Nicht einmal zehn Prozent der deutschen Gesamtumsätze werden noch vom Handwerk erwirtschaftet. Dies hat zahlreiche Gründe: Die Gegenwart stellt die Handwerksbranche vor wesentliche Herausforderungen. Die zwei wichtigsten sind die Digitalisierung und der demografische Wandel. Letzterer ist dafür verantwortlich, dass künftig Fachkräftemangel die Branchenzukunft bedroht.

Wie die Digitalisierung Handwerksbetriebe herausfordert

Die fortschreitende Digitalisierung stellt das Handwerk trotz der damit einhergehenden Möglichkeiten vor Herausforderungen. Der Online-Handel mit Produkten steigt seit Jahren rapide. Auch Handwerksunternehmen erhalten dadurch neue Absatzmöglichkeiten. Das aber nur, wenn sie ihre Digitalisierungspotenziale erkennen und effizient nutzen. Praxisnahe Lösungen müssen entwickelt werden, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit in der neuen Lebenswelt zu stärken. Im digitalen Bereich müssen neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Innovative Arbeitsstrukturen können die betriebliche Effizienz rapide steigern. Dementsprechend weit fallen Handwerksbetriebe zurück, die sich bisher kaum um Digitalisierung gekümmert haben. Vor allem kleineren Handwerksbetrieben bereitet die digitale Transformation oftmals Probleme. Die größte aktuelle Herausforderung für das Handwerk ist trotzdem der demografische Wandel.

Wieso der demografische Wandel die Branchenzukunft bedroht

Der Bundesrepublik steht eine dramatische Veränderung hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung bevor. Der Altersaufbau wird sich in den kommenden Jahrzehnten stark verschieben. Immer weniger junge Menschen stehen einer steigenden Anzahl an Senioren gegenüber. Prognosen zufolge setzt sich die zunehmende Überalterung der Gesellschaft bis zum Jahr 2030 fort.

Prognosen für den Altenquotient (Personen im Rentenalter zu 100 Personen im erwerbsfähigen Alter) verdeutlichen die Entwicklung: Im Jahr 2001 kamen 44 deutsche Pensionäre auf 100 erwerbsfähige Deutsche. Bis 2030 geht man von über 75 Rentnern pro 100 Arbeitern aus.

Dieser demografische Wandel hat auf die Wirtschaft erhebliche Auswirkungen. Die bereits heute spürbaren Finanzierungsprobleme der Sozialversicherungssysteme sind nicht das einzige Problem. Vor allem für das Handwerk birgt die Entwicklung des Altersaufbaus zahlreiche Herausforderungen. Der Umgang mit der alternden Belegschaft und die Anpassung an eine veränderte Nachfragestruktur sind nicht die einzigen. Auch die Sicherung von Auszubildenden und Fachkräften wird immer schwieriger.

Fachkräftemangel: Qualifiziertes Personal wird rar

Obwohl in Deutschland genügend Menschen Jobs suchen, wirken Handwerksberufe auf immer weniger Menschen attraktiv. Im europäischen Vergleich schafft es die Bundesrepublik mit insgesamt vier Städten unter die aussichtsreichsten Standorte für das Handwerk. Trotzdem ist in Nachbarländern wie der Schweiz bei besserer Beschäftigungsstruktur auch das Durchschnittsgehalt höher – teilweise um das Dreifache. Die Abwanderung deutscher Fachkräfte aus der Handwerksbranche ist deshalb keine Seltenheit mehr. Unabhängig von den attraktiveren Konditionen in anderen Ländern entscheiden sich zunehmend mehr deutsche Schulabgänger*innen für akademische Berufe.

Verschärfungen des Fachkräftemangels drohen wegen der Novellierung der Handwerksordnung. Jene ließ 2004 zulassungsfreie Handwerker zu. Im Anschluss kam es vermehrt zu Neugründungen, vorwiegend in Form von Einzelbetrieben ohne Angestellte. Dadurch war die nachhaltige Nachwuchssicherung durch Ausbildungsplätze nicht mehr gegeben. Über 40 Prozent aller Handwerksunternehmen sind mittlerweile Solobetriebe ohne Ausbildungsstellen.

Schon heute finden zahlreiche Handwerksbetriebe laut einer IAB-Studie keine geeigneten Mitarbeitenden. Bereits die Suche nach Bewerber*innen fällt schwer. Sind welche gefunden, so scheitert es oft an unterschiedlichen Gehaltsvorstellungen oder Diskussionen um Zusatzleistungen. Bei steigendem Fachkräftemangel ist die Entlohnung selbst zu einer Herausforderung geworden. Manche Handwerksbetriebe beteiligen ihre Mitarbeitenden heutzutage beispielsweise am Gesamtgewinn. Auch die private Versorgung mit Firmenautos, die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeldern sowie Benefits im Hinblick auf die Betriebsrenten oder Krankenzusatzversicherungen werden mittlerweile zur Mitarbeitendengewinnung genutzt.

Mitarbeitendenbindung: Fachkräfte werden schneller abgeworben

Angesichts des künftig verschärften Fachkräftemangels wird auch die Mitarbeitendenbindung für Handwerksbetriebe eine immer größere Herausforderung. Gute Bezahlung allein wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, um Mitarbeitende auf Dauer zufrieden zu stellen. Auch um die Risikoabsicherung und ein angenehmes Arbeitsklima müssen sich Handwerksbetriebe von heute zur Mitarbeitendenbindung kümmern. Wenn ihre Arbeitgeber*innen kaum Initiative zeigen, werden sich umkämpfte Fachkräfte künftig noch leichter durch Konkurrent*innen abwerben lassen. Dadurch lastet auf heutigen Handwerksbetrieben die stetige Angst, nicht genug zu sein. Können sie sich dem nicht widersetzen, verfallen sie schlimmstenfalls in eine Ohnmacht. Die deutsche Handwerksbranche könnte darunter dauerhaft leiden.

Lesen Sie gerne auch unseren Beitrag „Nachhaltigkeit im Handwerk: Zukunft gestalten & bewahren„.

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